Sie ist überall: Sie erfüllt den Raum zwischen den Galaxien und fernen Welteninseln, sie verdichtet sich in den Milchstraßensystemen und durchsetzt sogar die Umgebung unseres Planetensystems. Die Rede ist von "Dunkler Materie". Der Name ist Programm, denn alles an ihr ist dunkel: ihre Herkunft, ihre Eigenschaften, ihre Zusammensetzung. Nur eines ist klar: Sie ist Materie, ist also "schwer". Es muss sie geben, sonst lassen sich Beobachtungen an Galaxien und Sternbewegungen nicht erklären. Möglicherweise durchdringen sogar Myriaden von exotischen Teilchen jetzt - in diesem Augenblick - unseren Körper, ohne dass wir das Geringste merken. Wie kann man so sicher sein, dass es "Dunkle Materie" gibt?
Unser Sonnensystem rast mit einer ungeheuren Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße herum: es sind 220 Kilomter pro Sekunde - das entspricht fast 800.000 Stundenkilomtern! Eine solche Drehgeschwindigkeit würde unser Planetensystem vom Zentrum herausschleudern, genauso wie ein Auto, das sich mit hoher Geschwindigkeit in einer Straßenkurve, fast herausgeschleudert werden kann. Es muss also eine ebensogroße Kraft dem die Waage halten. Diese Kraft wäre die Massenanziehung der Milchstraße, also all der Massen zwischen uns und dem Zentrum der Milchstraße. Hier aber taucht die erste Schwierigkeit auf und ein indirekter Hinweis auf "dunkle Materie": Zählt man alle Massen zusammen, erhält man einfach nicht genug Materie, die dieser gewaltigen Fliehkraft Paroli bieten kann. Es muss also noch eine andere Form von Materie da sein - die Dunkle Materie. Dunkel, weil sie offensichtlich nicht leuchtet und auch kein Gassstaub ist und allen direkten Beobachtungen bisher entzogen hat.
Einen weiteren direkteren Hinweis erhält man aus einem ununterbrochenen Scannen unseres Sternenhimmels. So zeigte sich beispielweise bei einem Stern der großen Magellanschen Wolke, einer Begleitergalaxie unserer Milchstraße, ein Helligkeitsausbruch über etwa 50 Tage. Die einzig mögliche Erklärung dafür ist: Ein "dunkler" Stern der Milchstraße hatte sich vor ihn geschoben und mit seiner Masse wie eine Linse die Helligkeit des Sterns verstärkt. Beobachtungen dieser Art gibt es seit 1992 in Fülle.
Unsere Milchstraße muss nach Berechnungen der Astronomen zu fast 90 Prozent aus dieser unbekannten Materie bestehen, sonst flöge sie auseinander. Fremde Galaxienhaufen enthalten - so die neuesten Zahlen - sogar bis zu 99 Prozent Dunkle Materie. Die "normale" Materie, die die Pyhsiker in ihren Laboratorien und Teilchenbeschleunigern bisher kannten, ist also nur die klitzekleine Spitze eines wahrhaft riesigen Eisberges.
Woraus kann dieser dunkle Stoff nach Einschätzung der Astronomen denn überhaupt bestehen? Aus den Rechnungen zum Urknall ist bekannt, dass es für die "normale" Materie - die baryonische Materie - einen oberen Grenzwert geben muss. Im Durchschnitt kann das All nicht mehr als ein Wasserstoffatom pro Kubikmeter enthalten - ein wahrhaft "mageres" Gewicht. Die bereits identifizierte Dunkle Materie macht aber eine höhere Massendichte aus - und demnach, so kann man messerscharf schließen - besteht diese dunkle Materieform zum überwiegenden Teil nicht aus "normalen" Atomen.
Für den (kleinen) baryonischen Anteil der Dunklen Materie gibt es aussichtsreiche Kandidaten: so genannte Rote, Braune oder Schwarze Zwerge. Das sind Sterne mit deutlich geringerer Masse als unsere Sonne und mit erheblich geringerer Leuchtkraft. Sie sind also deswegen für die Astronomen und ihre Fernrohre quasi dunkel. Aber welche Kandidaten gibt es für den überwiegenden, den nicht-baryonischen, exotischen Teil der Dunklen Materie? Möglicherweise handelt es sich um Elementarteilchen, die bis heute noch unbekannt sind.