Naturwissenschaftliche Fragen zu den biochemischen Grundlagen des Lebens

Beim erneuten Durchlesen des Threads ist mir aufgefallen, dass Dein Beitrag bezüglich dieses Themas noch unbeantwortet blieb. Fakt scheint mir zu sein, dass Du im Allgemeinen sehr undifferenziert argumentierst, was eine Stellungsnahme meinerseits deutlich erschwert, da man dabei tatsächlich sehr ins Detail gehen muss.

In den letzten Jahren wurden in den Experimenten der "zweiten und dritten Generation" alle Nucleotidbasen, Zucker und selbst so kompliziert gebaute Komplexe wie Porphyrine und Isoprene (gelten als chemische Vorstufen des Blattfarbstoffs Chlorophyll) unter vergleichsweise unspezifischen Bedingungen erzeugt.

Diese Aussage ist sehr pauschal und problematisch. Die Bedingungen, unter denen die Synthesen durchgeführt wurden, kann man unterschiedlich bewerten. Es wurde anhand konkreter Beispiele nachgewiesen, dass die dabei gewählten Rand- und Reaktionsbedingungen nicht zufällig zu erwarten sind. Nach meiner Einschätzung, die auch viele Experten teilen (auch solche, die grundsätzlich von einer chemischen Evolution ausgehen; z. B. R. Shapiro), liegt derzeit kein plausibles Modell zur Chemie der Lebensentstehung vor. Es genügt auch nicht, dass in irgendeiner Synthese ein bestimmter Stoff (in der Regel in geringer Ausbeute, was bedeutet, in Gegenwart vieler weiterer Komponenten) hergestellt wird. Er muss auch für notwendige Bedingungen erfüllen (Reinheit, Beständigkeit, Aktivierung, ...). Nukleotide würden selbst wenn sie in reiner Form und in geeigneter Aktivierung vorliegen sollten gar nichts nützen, wenn nicht ein Mechanismus vorliegt, der für eine sinnvolle, informative Sequenz sorgt.

Die heutige DNA / RNA ist eine zu ausgereifte und komplizierte Struktur um als echtes Vorläufermolekül akzeptiert zu werden. J. Rebek und seine Kollegen synthetisierten ein einfaches, selbstreplizierendes Molekül. Dieser Amino-adenosin-trisäureester (AATE) erwies sich tatsächlich als Kopiervorlage für weitere AATE-Moleküle. Replikation kann also eine Eigenschaft kleiner Moleküle gewesen sein, ehe sie von größeren Molekülen übernommen wurde.

Im Labor sind verschiedene alternative Systeme für Biomakromoleküle entwickelt worden, die bestimmte Funktionen erfüllen und teilweise auch mit DNA/RNA und deren Replikationsmechnismen kompatibel sind. Die Frage ist aber, wie ein solches System ungeplant und ohne spezifische Bedingungen in der erforderlichen Menge entstehen kann. Wenn ein solches System entstanden ist und funktioniert, aus welchem Grunde sollte es in ein anderes System und schließlich zu den uns bekannten verändern?

Entscheidender Faktor für die Stabilität bzw. Bildung von Polypetptiden ist die Reaktionsentropie, ein Maß für die Änderung der Bewegungsfreiheitsgrade. Nimmt die Reaktionsentropie stark zu (was in Lösung immer der Fall ist), so wird das Reaktionsgleichgewicht auf die Seite der Spaltungsprodukte verschoben. Nimmt sie nicht oder nur geringfügig zu, verschieben die Reaktionsenthalpien das System zur Synthese. Deshalb ist auf einer fixierten Molekülschicht die Bildung größerer Moleküle auch bei wenig stark aktivierenden funktionellen Gruppen bevorzugt (WÄCHTERSHÄUSER, 1988).

Das Modell von G. WÄCHTERSHÄUSER, das er sich auf einer Pyrithoberfläche vorstellt, ist ein Modell unter vielen anderen, das bestimmte Aspekte gut zu erklären vermag, aber bisher erst in Ansätzen experimentell geprüft ist. Polymersynthesen sind daran noch nicht vorgestellt worden. Der Synthese von Polypeptiden stehen neben der Entropie auch noch andere Prozesse entgegen, z. B. die Kondensationsreaktionen mit anderen Amino- oder Carboxylverbindungen, die nicht a-Aminosäuren darstellen, Hydrolysereaktionen durch einen Überschuss an Wasser, Reaktionen, die zu Quervernetzungen führen und nicht zu linearen Plymeren führen.
Komplexe, informationsspeichernde Systeme wie die modere DNA entstehen nicht ad hoc sondern durch einen konvergenten, stufenweisen Selektionsprozess.

Dieser Selektionsprozess kann im Labor simuliert werden, bisher ist noch gar ncht gezeigt, wie man ungesteuert durch unspezifische Prozesse zu informationsspeichernden Systemen kommt. Um Selektionsprozesse zu bekommen, sind spezifische Randbedingungen erforderlich.

Neben der Tendenz zur Aggregation (Quartärstrukturbildung) zeigen Proteinoide bereits kooperatives Verhalten (was man aus der Kinetik der Reaktion ablesen kann. ) Wie S. Fox schon 1970 schon zeigen konnte, entstehen aus Proteinoiden unter Einfluss von Wärme spontan hohlkugelförmige Gebilde (sog. Mikrosphären mit semipermeabler Membran), deren Bildung wiederum als ein wichtiger Schritt in Richtung Protozelle angesehen werden kann.

Wie bereits erwähnt: Das ist ein alter Hut und spielt in den aktuellen Diskussionen keine Rolle. Die Aggregate haben nichts mit Quartärstrukturen von Proteinen zu tun.

Eine wichtige Eigenschaft haben diese Mikrosphären mit den Zellen gemeinsam: Sie bilden ein Kompartiment, durch das ein Reaktionsbereich von der umgebenden Umwelt abgetrennt wird, können bestimmte Substanzen aufnehmen und sich in „Tochterzellen“ teilen.

Die von Fox abgebildeten "Sprossungen" haben nichts mit Zellteilungen (der "Mikrosphären") zu tun. Die aktuellen Kenntnisse von Zellen machen diese Systeme zunehmend komplex und die Vorstellung, wie erste Systeme mit vergleichbaren Eigenschaften ausgesehen haben könnten, anspruchsvoller. Die meisten Modellsysteme nutzen Vesikel aus Lipidmischungen.

Diese Systeme zeigen enzymatische Eigenschaften, sie können z.B.: Glucose abbauen oder sich wie Esterasen verhalten, ohne dass jedoch von außen Enzyme hinzugefügt werden.

Die von Fox diskutierten enzymatischen Eigenschaften seiner "Proteinoide" haben mit enzymatischen Eigenschaften nichts gemein. Sie sind nicht spezifisch und ihre katalytische Wirkung ist im Rahmen dessen, was man durch Zusatz irgendwelcher "Verunreinigungen" auch erzielen kann.

Wie Du meinen Kommentaren entnehmen kannst, stellt Dein Text nicht den aktuellen Diskussionsstand dar. Das erzählte ich Dir aber bereits im anderen Thread.
 
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Der Synthese von Polypeptiden stehen neben der Entropie auch noch andere Prozesse entgegen, z. B. die Kondensationsreaktionen mit anderen Amino- oder Carboxylverbindungen, die nicht a-Aminosäuren darstellen, Hydrolysereaktionen durch einen Überschuss an Wasser, Reaktionen, die zu Quervernetzungen führen und nicht zu linearen Plymeren führen.
Das ist ein Scheinargument, das ich oben schon kritisiert habe. Weder das Vorhandensein von Carbonsäuren noch die Anwesenheit von Wasser behindert pauschal die Peptidsynthese. Beides kann sie behindern, beides kann sie aber auch begünstigen, je nach Vorgang. Sowas zu behaupten widerspricht grundsätzlich den Regeln der Chemie - denn Peptidbildung ist kein definierter chemischer Mechanismus, sondern ein Vorgang, der sich durch das Endprodukt definiert. Welche chemischen Mechanismen dabei zum Tragen kommen kommt auf den Einzelfall darauf an, prinzipiell sind unendlich viele solche Mechanismen vorstlelbar - und von diesen Mechanismen hängt dann konkret ab, ob sich die Anwesenheit von Wasser oder Carbonsäuren eben positiv oder negativ auf die Peptidbildung auswirkt.

Chemistry 101.

Und warum sollte die Entropie der Bildung von Peptiden entgegenstehen?
Im Labor sind verschiedene alternative Systeme für Biomakromoleküle entwickelt worden, die bestimmte Funktionen erfüllen und teilweise auch mit DNA/RNA und deren Replikationsmechnismen kompatibel sind. Die Frage ist aber, wie ein solches System ungeplant und ohne spezifische Bedingungen in der erforderlichen Menge entstehen kann. Wenn ein solches System entstanden ist und funktioniert, aus welchem Grunde sollte es in ein anderes System und schließlich zu den uns bekannten verändern?
Ist doch klar. In der Evolution werden funktionierende Systeme doch ständig ausgetauscht - durch noch besser funktionierende Systeme. Ist doch ein weithin bekanntes Phänomen.





In deinem restlichen Beitrag wiederholst du immer wieder nur das Argument, das Kallisto eben als völlig verfehlt dargestellt hat, nämlich, platt gesagt: "Da hüpft kein Baby aus dem Laborkolben, deswegen kann das nicht stimmen!". Dass die bisher schon nachgewiesenen Moleküle strukturell nicht der DNA oder fertigen Enzymen entsprechen mag schon stimmen. Aber daraus ein Argument zu basteln ist verfehlt, denn es geht ja eben um chemische Evolution - der Organismus eines Menschen weist auch extrem viele Unterschiede zu dem eines kruden Bakteriums auf. Aber es war nicht so, dass ein Bakterium einfach mal spontan zu einem Menschen mutiert ist, mit seiner spezifischen (Lungen-)Atmung, seinem Nervensystem und seinem Muskelbau. So eine Behauptung wirkt völlig verquer und realitätsfremd - aber genau das forderst du hier ja im Prinzip: dass sich die kruden Ergebnisse der Ursuppenexperimente mal spontan ohne Zwischenschritte zu so komplexen Molekülen wie Enzymen und DNA zusammensetzen sollen. Das ist aber ähnlich unwahrscheinlich wie eine Mutation eines Bakteriums zu einem Menschen. Tatsächlich muss man hier auf funktionale Attribute abstellen - insofern ist das Argument die Sprossungen hätten nichts mit Zellteilung zu tun unbrauchbar, weil beide offensichtlich eine funktionale Ähnlichkeit aufweisen, selbes gilt bzgl. der enzymatischen Eigenschaften.
 
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