mystik: verschmelzung oder begegnung?

ich glaube, "verschmelzung" ist bloss ein semantischer versuch, der
den extatischen ASPEKT (!) einer ICH-DU begegnung zu beschreiben
versucht. aber für mich ist es begegnung. ebenso ja auch in der liebe.
wenn ich einen menschen liebe, auch wenn ich das gefühl habe
mit ihm zu verschmelzen, bleibe ich trotzdem noch ICH - aber ICH in
begegnung, als BEGEGNENDER. ich glaube, dass das eine zulässige
analogie ist. ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: ohne diese
BEGEGNUNG ist gar nicht von einem ICH zu sprechen, weil ICH durch DU
konstituiert wird. und andersrum: erst in der LIEBE, die diese begegnung
IST, wird jeder einzelne zu ICH, zum menschen.

zur diskussion finde ich martin bubers "ich und du" aufschlussreich.

meine meinung,

pilger
 
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Schalom Pilger

ich denke zuerst Begegnung und durch fortwährende Begegnung Vereinigung...

"wer sich täglich selbst verläugnet" usw..

was aber heist das, sich selber verläugnen, oder "der der sich selbst erniedrigt wird erhöht werden"

Verläugung und erniedrigung seiner Selbst versteh ich hier auch als "sich zurücknehmen" und demm Herren Platz machen in uns, ich nehm mich zurück damit ich wahrhaft sagen kann "Dein Wille geschehe"... wenn aber SEIN Wille geschehen soll, dann muss ich IHM, so er will, auch die Möglichkeit geben, durch mich zu wirken.....

Wobei das nicht heissen soll, dass ich zu Gott werde, und ich denke, dass ist der Fehler, der oft gemacht wird, wenn man von Unio Mysica spricht, man vergisst dabei die notwendige Demut die überhaupt nötig ist um eine Begegnung mit Gott haben zu können, man vergisst, dass man sich in den Staub werfen muss wenn ER spricht....

Ich denke, das Geheimiss der Trinität mit dem heiligen Geist ist ein gutes Bildniss der Unio Mystica, man tritt zwar sowohl mit IHM als Vater und Sohn in eine Ich, Du beziehung, aber trotzdem ist da keine Trennung mehr (Er ist uns näher als die Halsschlagader)...

Oder gehen wir davon aus, dass die Seele der Funken von Gott in uns ist, sein Wort, das nach dem Johannesprolog im Anfang bei Gott war und Gott war, dann ist Spiritualität der Seele platz zu geben in uns, damit "der Same 30fach und 120fach frucht" tragen kann, damit in uns dieses Winzige Senfkörnlein aufgehen kann und der Baum jede Faser von uns druchdringt. Die Seele ist die kleine Menge Sauerteig die man in das Mehl gibt um alles zu durchsäuern...

und wie beim Sauerteig.. man gibt nur ein kleines Bischen Sauerteig in den Ungesäuertend Teig, am Ende aber gibt es keine trennung mehr zwischen dem Ungesäuerten Teig und dem Sauerteig, der ganze Laib ist zu Sauerteig geworden, hat sich vereinigt und ist eins.

lg

FIST
 
im neognostischen raum werden die begriffe "mystik", "unio mystica" und
"gotteserfahrung" oft als "verschmelzung" mit dem göttlichen interpretiert,
auch wenn etwa christliche meister wie tauler, seuse und natürlich eckehart
rezipiert werden, welche die vereinigung als "begegnung mit dem göttlichen
DU" aussagen.

"verschmelzung oder begegnung"? was meint ihr?

handelt es sich hier wirklich bloss um ein semantisches problem?
oder wird hier etwas qualitativ völlig anderes ausgesagt?

liebe grüsse,

pilger

____________________________________

www.spiritualitaet.org

forum für christliche spiritualität und interreligiösen dialog

Hallo Pilger,

du schreibst sehr gelehrt.
Ich bin esoterisch autodidakt und hoffe dieses Thema nicht zu verfehlen;
Aber wenn wir beide Mystik unter Gotteserfahrung ohne Konfession verstehen,
meine ich doch hier richtig zu sein.
Bin auch sicher das es vielerlei Gotteserfahrung gibt, die meine Worte nicht erfassen.
Verschmelzung ist ja hier hinlänglich erklärt worden.
Man ist ein Teil des Ganzen, die Welt ist ein einziger Spiegel.
Eine Buddhamäßige Erfahrung die das Leben und die eigene Person verändert und die einem gefangenhält,
und hat mit dem herkömmlichen Gottesbild das einem angeboten wird, überhaupt keine Ähnlichkeit.
"Wenn du Buddha siehst, töte ihn", ein schlauer Kerl dieser Buddha.

Die Begegnung hingegen ist ein lineares Ereignis, klar an Raum und Zeit gebunden;
nicht viel mehr als eine Erfahrung, schöne Erinnerung.

;) Himmelblaue Grüße
 
Hallo Pilger,

du schreibst sehr gelehrt.
Ich bin esoterisch autodidakt und hoffe dieses Thema nicht zu verfehlen;
Aber wenn wir beide Mystik unter Gotteserfahrung ohne Konfession verstehen,
meine ich doch hier richtig zu sein.
Bin auch sicher das es vielerlei Gotteserfahrung gibt, die meine Worte nicht erfassen.
Verschmelzung ist ja hier hinlänglich erklärt worden.
Man ist ein Teil des Ganzen, die Welt ist ein einziger Spiegel.
Eine Buddhamäßige Erfahrung die das Leben und die eigene Person verändert und die einem gefangenhält,
und hat mit dem herkömmlichen Gottesbild das einem angeboten wird, überhaupt keine Ähnlichkeit.
"Wenn du Buddha siehst, töte ihn", ein schlauer Kerl dieser Buddha.

Die Begegnung hingegen ist ein lineares Ereignis, klar an Raum und Zeit gebunden;
nicht viel mehr als eine Erfahrung, schöne Erinnerung.

;) Himmelblaue Grüße

Bis auf "gefangenhält", bin ich mit deiner Ansicht im Reinen.
Statt "gefangenhält" würde ich eher "befreit" verwenden... :)
K.S.
 
Ich denke, das Geheimiss der Trinität mit dem heiligen Geist ist ein gutes Bildniss der Unio Mystica


das glaube ich auch. ich denke, die oft verschmähte dreieinigkeitslehre,
die ja nicht auf dem reissbrett sondern als erfahrungszusammenhang
entstanden ist, ist überhaupt der schlüssel für das, was wir so ungeniert
"gottesbegegnung" nennen. und du hast recht. beispiel mit jesus:

jesus ist EINS mit dem vater und EINS mit dem geist (im WESEN),
aber trotzdem EIGENSTÄNDIG UND VERSCHIEDEN von beiden (in der person).

(du kannst den heute sehr missverständlichen begriff "person" auch durch
einen anderen, identitätsgebenden artikel ersetzen - egal)

mit der dreieinigkeitslehre kann ich als christ also ganz gut erklären, dass in
der unio mystica der mensch VEREINT mit gott ist und (!) gleichzeit nicht
identisch mit ihm ist, also EIGENSTÄNDIG bleibt. denn beides zugleich ist
wahr. nimmst du eines weg, etwa die verschiedenheit, bekommst du das
problem, aus gott einen gegenstand (WELT) zu machen, indem du ihn zu einem
teil der welt machst - was aus christlciher sicht nix weiter als götzen-
anbetung wäre - und es auch ist! umgekehrt mache ich erst dadurch klar,
dass eine VEREINIGUNG mit gott überhaupt möglich ist. das kann man
nämlich anders nicht schlüssig erklären (weder in einem strengen monotheismus,
wie ihn etwa der islam verkündet, noch in einem platten pantheismus, in
dem auf einmal alles mit gott identisch wird). gott ist BEIDES GLEICHZEITIG.
nur so entziehe ich ihm aller bildhaftigkeit und menschlicher erklärungsversuche.
nur so bleibt er der UNAUSSPRECHLICHE und (!) der ANSPRECHBARE.
meine meinung,

pilger
 
Man ist ein Teil des Ganzen, die Welt ist ein einziger Spiegel.


danke für die himmelblauen grüsse!

für mich stimmt der obige satz zu 100% - allerdings nicht im sinne
eines identitätssatzes. was ich genau damit meine kannst du in
meinem statement zu FIST weiter oben nachlesen, wenn es dich
interessiert.

begegnung ist, für mich jedenfalls, nicht linear, sondern personal.
ich glaube in diesem zusammenhang auch nicht, dass, wer ICH-DU
sagt, irgendetwas erfährt (ich glaube auch nicht, dass man in der
meditation (genauer: kontemplation) etwas erfährt). man erfährt
nicht: man begegnet. dem allmächtigen DU. ich glaube auch nicht,
dass es sich dabei um semantisches geplänkel, sondern um einen
personalen grundbestand des menschen handelt, der bereits in
zwischenmenschlichen beziehung erlebbar ist. aber nicht im sinne
eines "wissensaustausches", sondern eben als personale begegnung.

wenn ich mein gegenüber in alle atome zerlegt und erklärt habe, weiss
ich noch immer nicht, was der andere ist. weil er mehr ist als die summe
seiner einzelnen teile. und dieses ganze nenne ich personal. und wenn es
zu "interaktionen" kommt, nenne ich das begegnung.


liebe grüsse nach NOE,

pilger
 
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ich glaube, "verschmelzung" ist bloss ein semantischer versuch, der
den extatischen ASPEKT (!) einer ICH-DU begegnung zu beschreiben
versucht. aber für mich ist es begegnung. ebenso ja auch in der liebe.
wenn ich einen menschen liebe, auch wenn ich das gefühl habe
mit ihm zu verschmelzen, bleibe ich trotzdem noch ICH - aber ICH in
begegnung, als BEGEGNENDER. ich glaube, dass das eine zulässige
analogie ist. ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: ohne diese
BEGEGNUNG ist gar nicht von einem ICH zu sprechen, weil ICH durch DU
konstituiert wird. und andersrum: erst in der LIEBE, die diese begegnung
IST, wird jeder einzelne zu ICH, zum menschen.

zur diskussion finde ich martin bubers "ich und du" aufschlussreich.

meine meinung,

pilger
Hi pilger,

also ich kann mich da ganz gut mit anfreunden, was du schreibst. Für mich ist auch das Göttliche im Du gelegen und bei der Begegnung empfinde ich aber auch eine Verschmelzungsmöglichkeit mit dem Milieu, in dem ich und Du sich befinden. Und über diesen Umweg des Milieus- incl. der Körper, die ja zum Milieu des Geistes dazugehören, findet dann schon eine Möglichkeit der Verschmelzung im Augenblick statt, auch wenn die Körper letztlich während der Lebensphase nicht verlassen werden können.
Genauer gesagt findet diese Verschmelzung immer und stets statt, doch man ist geneigt sie nicht immer wahrzunehmen. Wichtig wäre mir auch noch zu sagen, dass das gegenüberseiende Du durchaus auch ein Inneres Gegenüber sein darf. Dann wird Gott eben die tatsächliche manuelle und per Wort begehbare Wirkungsebene des Menschen im Sinne von Jesus Christus, wie ich ihn lese.

Liebe Grüsse,
Trixi Maus
 
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