Menschen(un)kenntnis

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Eine Lehrerin hatte mir ein, wie sie sagte, "außerordentlich interessantes" Buch empfohlen. Nachdem sie mir einiges Wesentliche über dessen Inhalt dargelegt hatte, war meine Neugier so groß geworden, dass ich nicht mehr umhin konnte, es mir unverzüglich anzuschaffen. Es war ein kühler regenreicher Sommertag, und trotzdem machte ich mich nach unserem Treffen sogleich auf den Weg, alle mir bekannten Buchhandlungen abzuklappern... -

In spannungsvoller Erwartung begann ich zu lesen. Aber recht bald war ich ernüchtert. Schon nach wenigen Seiten wurde mir jenes Buch langweilig, ja ganz unverständlich und äußerst kompliziert, sodass ich es enttäuscht wieder beiseite legte und vergas... -

Ungefähr sechs Jahre später suchte ich in meinem reichhaltigen Bücher-Reservoir gezielt nach einer Nacht-Lektüre, die ich es wert befand, nach langer Zeit wieder einmal mir geistig einzuverleiben. Es war ein kalter verregneter Herbstabend, und während ich suchte, prasselten die schweren Regentropfen heftig gegen die Fensterscheiben neben mir. Und ob es der ungestüme kalte Regen war, der meinen Blick unbewusst zu jenem vergessenen Buch hinlenkte - jedenfalls nahm ich es hervor und ging zu Bett, wage hoffend, vielleicht doch einen ungefähren Einblick in das subtile Thema zu erlangen. So begann ich erneut darin zu lesen, und ich las und las... - ja, und da geschah etwas sehr merkwürdiges; denn plötzlich leuchtete mir der Sinn eines jeden Satzes, eines jeden Abschnittes vollkommen ein, rein und klar und mit aller Logik und Vernunft! Jenes Buch, das mir vor langen sechs Jahren zuvor ein Werk mit sieben Siegeln gewesen - es war an diesem Abend der Tritt über eine Schwelle, deren davor liegende Welt mir von nun an offen stand. -

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wenigstens einem von Euch Lesern etwas Gleiches oder Ähnliches aus eigener Erfahrung bekannt sein dürfte: Ein Problem, ein Thema, das einem gänzlich unzugänglich ist, erweist sich, nach einiger Zeit der völligen Vergessenheit wiederum aufgegriffen - auf einmal als versteh - und nachvollziehbar. -

Dieses Phänomen wirft ein Licht auf die subtile seelisch-geistige Konstitution des Menschen: Es macht nämlich deutlich, dass es Erfahrungs- und/oder Erlebnisbereiche gibt, die von manchen Menschen nicht unmittelbar bewusst reflektiert werden oder werden können, sondern vorerst in den unterbewussten Tiefen ihrer Seelen- und Geistesgründe hinabsinken. Und es ist denkbar, dass die spirituell höheren und höchsten dieser Bereiche der Menschheit als solcher gänzlich
verschlossen bleiben, ja bleiben müssen und erst nach dem Verlauf einer gesetzten zeitlichen Lethargie zur bewussten Er-leuchtung kommen. -

Wenn wir diese Tatsache einmal durchschaut haben, werden wir auch zu einem tieferen Verständnis von der Urteilsbildung gelangen und dieser mit mitfühlender Nachsicht begegnen. Lernen wir verstehen, dass gar manches Urteil, manche Ideologie und Weltanschauung im Schoß des Vergessens gereift ist! Dass es seine eigene Zeit benötigt, bis das eine oder andere Rätsel, das eine oder andere Mysterium einsichtsvoll durchdrungen und entschleiert werde! Jedes Erlebnis, jede Erfahrung senkt sich als ein schlichtes Samenkorn in unser Wesen. Ob und wann es aufgehen und keinem wird, obliegt dem Willen der Götter. Je später aber eine Erkenntnis sich in das Licht des Bewusstseins erhebt, desto inniger und schmerzlicher hat die Seele mit der Finsternis der Ahnungs- und Sinnlosigkeit gerungen.

Die Einsicht, dass nur eine authentische Erkenntnis zu einem authentischen Urteil findet, sollte der zweite Schritt auf dem geistigen Schulungsweg derer sein, die da glauben, mit dem ersten Urteil das end-gültige Urteil zu kennen. Ihnen gilt die strenge wohlwollende Mahnung des universalen Erkenntnis-Lehrers: "Euer 'Ja' sei ein 'Ja', euer 'Nein' sei ein 'Nein'!"; denn jedes irdische Urteil wandelt sich in der geistigen Welt zum Gesetz gegen den Urteilenden selbst, und mit jedem Vor-Urteil schmiedet sich der Un-Einsichtige ein gegen sein gesundes Denken gerichtetes Schwert...

Dasselbe ist mir mit einem Buch passiert, kam selbst nach mehreren Versuchen über die ersten 40 Seiten, nicht weiter. Danach folgte einige Jahre später ein erneuter Versuch, das Buch hat mich derart gefesselt, dass ich es nicht lassen könnte, ich habe dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen.
lg
 
Hast Du meinen Beitrag gelesen? Darin ist von Steiner und seiner "Philosophie..." mit keinem Wort die Rede; auch habe ich - der Anfrage eines Lesers entsprechend - im Nachhinein darauf hingewiesen, dass Namen und Titel für mein Thema unerheblich sind. Dass dem in der Tat auch so ist, scheinen bislang immerhin zwei Leser - brazos und Icelady - bemerkt zu haben... :rolleyes:

geh einfach mal davon aus, daß ich nicht blöde bin, dann geht´s scho.

zu deinem Eingangsbeitrag:
mir ging es so mit Fritz Riemann "Grundformen der Angst" und dem ollen Faust von Goethe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich rückblickend, beispielsweise, die letzten 10 Jahren betrachte und das nach ein paar Jahren wieder tue, stelle ich eine Zunahme an Zufriedenheit, eine zunehmende Milde beim urteilen, eine Vereinfachung der Lebensweise und ein Zuwachs an Vertrauen und innige Verbundenheit mit göttlichen, fest. Irgendetwas mehr für mich anzustreben, als Liebe in jedem Moment leben zu können, erscheint mir zunehmend als bedeutungslos.
Es breitet sich eine Absichtslosigkeit aus, begleitet mit Dankbarkeit der Schöpfungsvielfalt gegenüber und es nistet sich immer mehr ein wohltuende Gefühl der Geborgenheit, ein. Es wird leichter und es wird lichter, so zu sagen.
Die Zusammenhänge die ich einst mit allem Nachdruck zu ergründen wollte, fesseln nicht mehr die ganze Aufmerksamkeit, da eine Distanz vorhanden, die nichts zu Vermissen zwingt.
Zu bemerken ist dass, ohnehin, erst wenn Zeit reif dafür ist, vieles ganz von selbst ins Licht des Bewußtseins rückt. Aus der Blickwinkel der Liebe betrachtet, scheint die Welt immer wieder neu erschaffen zu sein, beinhaltet eine Leichtigkeit und Frische die sich selbst genügt. Ist ein einverstanden sein mit dem was ist und reine Freude, dass ES ist. Ist auch mit einem Stillstand vergleichbar, aus dem immer wieder ein oder andere Erkenntnis hervorspringt.
lg
 
@Werdender

wenn du den Thread nochmal in seiner (bisherigen) Gesamtheit liest, ob dir dann etwas auffällt?
du kommst in deinem Eingangspost auf Gedanken übers vorschnelle Urteilen etc., und dann ....

ein wirklich interessantes Phänomen, welches schon häufig im Forum zu beobachten war.
faszinierend, wie das Leben mit uns spielt! als wäre es immer bereit, uns auf die Sprünge zu helfen.

:winken2:
 
Wenn nicht der Inhalt meines Beitrags interessant ist, sondern primär der hierin wohl erwähnte, jedoch nicht detailliert definierter Gegenstand, kann kein Gedanken- und Erfahrungsaustausch um das Thema daran anschließen.

Ehrlich gesagt hab ich immer noch keine Ahnung was du mir sagen möchtest. Entsprechen die erhaltenen Antworten auf deine Beiträge nicht deinen Erwartungen?
 
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Hallo Werdender. Ich verstehe dich und finde deinen Eingangspost ganz toll. Ein sehr interessantes Thema, über welches ich mir schon oft Gedanken gemacht habe.

Interessant fände ich zu wissen, ob die Lehrerin, die dir damals das Buch empfohlen hatte für dich eine besondere Rolle spielte.
War sie deine Lieblingslehrerin oder ein Vorbild für dich?

Ich denke sie wird dein Interesse auf irgendeine Art und Weise geweckt haben müssen, sonst hättest du dieses Buch bestimmt niemals gekauft und versuchen gewollt es zu verstehen.
Oder?

Es muss eine Motivation geben etwas herauszufinden. Nicht nur das eigene Unterbewusste, denn das kann weiterhin verdrängen.
Vielleicht Resonanz?

Wenn jemand x-beliebiges dir etwas erzählt oder empfiehlt, gäbe es da nie einen Grund genauer nachzuhaken und dann wächst daraus auch meist keine Erkenntnis - auch wenn es natürlich trotzdem sein kann, dass man Jahre später denkt "Ach, da hatte xyz ja damals recht."
Aber das ist nicht dasselbe.
 
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