Mahabharata

Mahabharat Buch 3.175

Arjuna ruft die himmlischen Waffen und wird von den Göttern zurückgehalten

Vaisampayana sprach:
Die Nacht war vorüber, Yudhishthira, der Gerechte, und seine Brüder erhoben sich und führten die morgendlichen Pflichten aus. Dann sprach Yudhishthira zu Arjuna, dem Entzücken seiner Mutter:
Oh Sohn der Kunti, nun zeige mir die Waffen, mit denen du die Danavas besiegt hast.

Daraufhin reinigte sich der mächtige Dhananjaya und ließ die himmlischen Waffen erscheinen, welche ihm gegeben waren. Arjuna saß dazu auf seinem Streitwagen, ... In seiner himmlischen Rüstung von großem Glanz und seinen langen Armen sah er strahlend und stattlich aus. Er griff nach Gandiva und dem Muschelhorn der Götter, und begann die himmlischen Waffen nach ihrer Ordnung aufzustellen. Doch als die ersten Waffen erschienen, da bebte plötzlich die ganze Erde mit ihren Bäumen unter ihrem Tritt. Die Flüsse und der Ozean schäumten, die Felsen bröckelten und der Wind verstummte. Die Sonne hörte auf zu scheinen, und das Feuer erlosch.

Die Zweifachgeborenen waren beim besten Willen nicht mehr imstande, die Veden leuchten zu lassen. Die Kreaturen, welche das Innere der Erde rings um die Pandavas bevölkerten, erhoben sich gepeinigt, und zitterten mit gefalteten Händen und verzerrten Gesichtern. Denn die Waffen verbrannten sie, und sie flehten bei Arjuna um ihr Leben. Die Brahmarshis, Siddhas, Maharshis und alle lebenden Wesen erschienen im nächsten Moment. Die vorzüglichen Devarshis, die Himmlischen, Yakshas, Rakshas, Gandharvas und alle gefiederten und lüftedurcheilenden Vertreter ihrer Art zeigten sich. Der Große Vater (Brahmaa), alle Lokapalas und der himmlische Mahadeva kamen mit ihrem Gefolge. Vayu, der Windgott, trug himmlische Blumen heran und streute sie über den Pandavas aus. Auf Geheiß der Götter sangen die Gandharvas ihre Lieder, und Scharen von Apsaras tanzten.

Dann erschien Narada und sprach zu Partha mit besänftigenden Worten:
Oh Arjuna, Arjuna, rufe die himmlischen Waffen nicht. Sie sollten niemals benutzt werden, wenn es kein Ziel gibt. Und selbst mit einem Ziel, sollten sie nur abgeschossen werden, wenn es keinen anderen Ausweg gibt und du schwer bedrängt bist. Denn das Entladen der Waffen ohne Grund ist mit großem Übel verbunden.

Oh Dhananjaya, bewahre sie, wie du es gelehrt bekommen hast, und dann werden die mächtigen Waffen deiner Stärke und deinem Glück förderlich sein. Doch wenn du sie nicht angemessen bewahrst, oh Pandava, dann werden sie die drei Welten zerstören. Tue dies niemals wieder! Und du, oh Yudhishthira, wirst die Waffen zu sehen bekommen, wenn Arjuna sie ruft, um deine Feinde in der Schlacht zu zermalmen.

So hielten die Unsterblichen Arjuna zurück, und machten sich daraufhin wieder auf den Weg in ihre Bereiche. Und nachdem alle wieder verschwunden waren, lebten die Pandavas mit Draupadi ruhig im Wald.
 
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Mahabharat Buch 3.176

Abstieg von Kuveras Reich aufgrund des Ruhmes in dieser Welt

Janamejaya fragte: Nachdem dieser Beste aller waffenkundigen Helden aus der Heimstatt Indras zurückgekehrt war, was taten die Söhne der Pritha nebst Draupadi als nächstes?

Und Vaisampayana erzählte weiter: Wiedervereint mit ihrem heldenhaften Bruder lebten die Pandavas vergnügt und unbesorgt in den romantischen Wäldern des Herrn der Reichtümer. ... Die Gunst Kuveras ließ sie an diesem schöne Ort verweilen, und keiner von den Königssöhnen sorgte sich um menschlichen Wohlstand. Die nächsten vier Jahre waren friedvoll und verflogen ihnen in Gemeinschaft mit Kiriti (Arjuna) so schnell wie eine Nacht. So glitten die Jahre sanft dahin, erst die sechs Jahre zuvor, nun diese vier, zusammen also zehn Jahre in den Wäldern.

Eines Tages saßen die Brüder vor dem König: der stürmische Sohn des Windgottes, Arjuna und die heldenhaften Zwillinge, wie die Himmlischen vor ihrem König und Bhima sprach zu ihm in ernsthaften, nutzbringenden und angenehmen Worten:
Nur, damit dein Versprechen und deine Interessen erfüllt werden, verlassen wir nicht den Wald und schonen Duryodhana mit all seinen Gefolgsleuten. Wir entsagen, obwohl wir alles Glück dieser Welt verdienten. Dies ist das elfte Jahr unseres Exils im Walde. Bald werden wir den Hinterhältigen täuschen und ganz leicht die Zeit überstehen, in der wir verborgen leben sollen.

Auf deren Geheiß lebten wir sorglos in den Wäldern und haben auf alle Ehren verzichtet. Von all der Zeit getäuscht, in der wir in ihrer Nähe lebten, werden sie nicht glauben, wenn wir in die Ferne reisen. Dann noch das eine Jahr, indem wir unentdeckt leben werden, und es ist Zeit für Rache. Leicht wird es uns fallen, den Gemeinsten der Menschen, Duryodhana, zu entwurzeln, ihn zu schlagen und unser Königreich zurückzubekommen. So bitten wir dich, Dharmaraja (Yudhishthira), laß uns zur Erde hinab steigen. Denn wenn wir noch länger in dieser himmlischen Gegend verweilen, werden wir unsere Sorgen noch ganz vergessen.

Und in diesem Fall wird dein Ruhm in dieser Welt, oh Bharata, so schnell vergehen wie der Duft einer Blume. Wenn du das Reich der Kuru Anführer zurückgewinnst, wirst du große Opfer durchführen können und immense Herrlichkeit erlangen. Dann wirst du alle Zeit genießen, was dir hier von Kuvera gegeben wurde. So wende nun deinen Geist der Strafe und Vernichtung der Feinde zu, welche unrechte Taten begingen. Oh König, der Hüter des Donnerkeils ist nicht in der Lage, deinem Heldenmut zu begegnen. Und um deines Wohles willen spüren Krishna, welcher Suparna als Zeichen hat, die Yadavas und Satyaki, der Enkel von Sini, niemals Schmerz, selbst wenn sie gegen die Götter kämpfen würden. Arjuna und ich kennen keinen Ebenbürtigen an Stärke, und auch die heroischen Zwillinge sind äußerst kampferfahren. Wir möchten, dass du in Reichtum und Wohlstand lebst, und werden die Feinde bekämpfen und vernichten.

Nachdem der große und hervorragende Sohn von Dharma erfahren hatte, was die Absichten seiner Brüder waren, umschritt der in Dharma und Gewinn Gelehrte die Wohnstatt von Kuvera, und nahm Abschied von den schönen Palästen, Flüssen, Teichen und Rakshasas. Dann schaute der Hochbeseelte und Reingeistige lange auf den Berg und bat ihn:

Oh Bester der Berge, möge ich mit meinen Lieben dich wiedersehen, nachdem ich meine Aufgaben erfüllt, die Feinde geschlagen und mein Königreich wiedererlangt habe, um hier bei dir Enthaltsamkeit mit beherrschter Seele zu üben.

Dies war sein Entschluss. Dann reiste er mit seinen Brüdern und den Brahmanen den Weg zurück, den sie kamen. Ghatotkacha und seine Begleiter trugen sie über die Bergesschluchten und Wasserfälle. Lomasa verabschiedete sich von ihnen, sprach mit frohem Herzen liebe Worte wie ein Vater zum Sohn, und kehrte in die himmlischen Bereiche zurück. Auch Arshtishena gab ihnen gute Ratschläge mit auf den Weg und ihnen folgend, suchten sie romantische Tirthas, Einsiedeleien und große Seen auf.
 
Mahabharat Buch 3.177

Zurück auf Erden und die Pilgerreise zum Dwaitavana See

Mit dem Verlassen des glücklichen Heimes am schönen Berg mit all seinen Wasserkaskaden, schillernden Vögeln, stolzen Elefanten und den übernatürlichen Dienern Kuveras entsagten die Pandavas erneut allem Komfort. Doch wenn sie den schönen Gipfel des Kailash aus der Ferne betrachteten, diesen wolkengleichen und geliebten Berg Kuveras, da fühlten die Helden große und stärkende Freude. ... Sie passierten den Kailash und nach langer Wanderung erreichten sie die schöne Einsiedelei von Vrishaparva.

Der königliche Heilige empfing sie freundlich, und als sie ihm alle Einzelheiten ihrer Reise erzählt hatten, fühlten sie sich wohl und leicht. Sie blieben eine Nacht an diesem zauberhaften Ort, der von Göttern und Maharshis gern besucht wird, und machten sich dann gemächlich auf die Reise zum Jujube Baum namens Visala, wo sie ihr Lager aufschlugen. Die großen Helden lebten gern am Ort Narayanas und schauten täglich auf den von Kuvera geliebten See. Sie lebten sorglos und glücklich inmitten der Götter und Siddhas, und fühlten sich wie makellose Brahmanen, die allen Kummer abgestreift in den Nandana Gärten leben.

Nach einem Monat in Vadari pilgerten sie in Richtung des Kirata Reiches von König Suvahu und folgten dabei dem Pfad, auf dem sie einst gekommen waren. Sie durchquerten die schwierige Himalaya Region, auch die Länder China, Tukhara (Dutt: Turaska), Darada und alle reichen Landstriche von Kulinda, und kamen schließlich in der Hauptstadt von König Suvahu an. Als Suvahu erfuhr, daß diese großen Königssöhne sich näherten, erhob er sich freudig, ihnen entgegenzutreten. Auch die Pandavas grüßten ihn herzlich, und wurden wieder vereint mit ihren Wagenlenkern, denen Visoka vorstand, ihren Dienern, Indrasena, den Köchen und all dem anderen Gefolge, welches sie früher zurückgelassen hatten.

Sie verbrachten eine Nacht äußerst angenehm, entließen Ghatot-kacha und seine Freunde, und reisten mit ihrem Gefolge und den Wagen weiter zum Monarchen der Berge in der Nähe der Yamuna. ...Im großen Wald Visakhayupa schlugen sie ihr Lager auf, denn er war voller jagdbarer Tiere, und lebten friedlich für ein Jahr. Und dort geschah es, daß Bhima auf der Jagd in einer großen Höhle in die Fänge einer riesigen, hungrigen und tödlich starken Schlange geriet und große Verzweiflung erfuhr. In dieser Gefahr wurde der kraftvolle Yudhishthira zu Bhimas Retter und befreite seinen vollständig vom Schlangenkörper umwundenen Bruder.

Das zwölfte Jahr ihres Dschungel Exils war nun erreicht, und die in Askese strahlenden Nachfahren des Kuru blieben den Bogenkünsten treu und pilgerten als nächstes zum Rand der Wüste, denn sie wollten für eine Weile in der Nähe der Sarasvati leben. Die Reise ging weiter zum See Dwaitavana, wo sie von den Anwohnern des Sees willkommen geheißen wurden.

Die dortigen Asketen lebten selbstbeherrscht von Nahrung, die mit Steinen zermahlen wurde, und empfingen die Reisenden mit Grasmatten und Wassergefäßen. Dort wuchsen so schöne Pflanzen wie die heilige Feige, Rudraksha, Rohitaka, Schilfrohr, Jujube, Catechu, Sirisa, Bel und Inguda, Karira, Pilu und Sami. So wanderten sie zufrieden in der Nähe der Sarasvati umher und lebten glücklich in der oft besuchten Heimstatt der Himmlischen, Yakshas, Gandharvas und Maharshis.
 
Mahabharat Buch 3.178

Bhima wird von der Schlange gepackt

Da fragte Janamejaya:
Oh bester Weiser, wie konnte es geschehen, daß der überaus tapfere Bhima mit der Kraft von zehntausend Elefanten bei der Begegnung mit der Schlange von Panik gelähmt war? Du hast ihn beschrieben, wie er erschrocken und furchtsam im Griff der Schlange gefangen war, wo er doch zuvor im stolzen Kampf die Yakshas und Rakshas am Lotusteich von Kuvera vernichtend geschlagen hatte. Oh, groß ist meine Neugier, dies zu erfahren.

Und Vaisampayana erzählte: Nun König, auf seinen Wanderungen betrachtete sich Bhima immer all die schönen Dinge im Wald. Mit Bogen und Schwert in der Hand durchstreifte er die lieblichen Flecken des Himalaya Gebirges, die von Devarshis und Siddhas gern besucht werden, in denen immer Scharen von Apsaras sich vergnügten, und die vom Trillern vieler Vögel wie den Chakora, Chakravaka, Jibajika, Kuckucks und Bhringaraja widerhallten. Er erfrischte sich im Schatten der Bäume, während seine Augen über den weichen Schnee der Gipfel streiften...

Auch die Schlangen versteckten sich vor ihm in Höhlen und Spalten, doch er verfolgte sie beharrlich und ließ nicht von ihnen ab. Eines Tages entdeckte der mächtige Bhima eine Schlange von kolossalen Ausmaßen. Sie lag in einer weiten Höhle und füllte diese sogar ganz aus, so daß einem die Haare zu Berge standen. Der Leib der Schlange glich einem Hügel, sie war stark und gesprenkelt und so gelb wie Kurkuma. Ihr Rachen war dunkel, tief und kupferfarben, und ihre vier scharfen Zähne blitzten. Ihre Augen starrten glasig, und beständig leckte sie sich die Mundwinkel mit ihrer flinken Zunge. Allen Wesen jagte sie Angst ein und sah wie der Zerstörer Yama selbst aus. Das laute Zischen ihres Atems schien alles zu tadeln.

Als Bhima ihr zu nahe kam, regte sich die Ziegenverschlingende schnell und zornig und packte Bhima in fester Umschlingung. Schon bei der kleinsten Berührung wurde Bhima gelähmt, denn dies war der Segen, den die Schlange einst erhalten hatte. Und obwohl die Stärke seiner Arme unvergleichlich war und der von zehntausend Elefanten glich, wurde er von der Schlange überwältigt, zitterte nur schwach und konnte sich nicht befreien. Seine löwenartigen Schultern hatten alle Kraft verloren. Die Gewalt der Schlange und ihr Segen hatten ihn besiegt. Heftig versuchte er sich herauszuwinden, doch er konnte in keinster Weise der Schlange beikommen.
 
Mahabharat Buch 3.179.1

Die Geschichte der Schlange

So sprach der hilflose Bhima zur Schlange: Sei mir gewogen, oh Schlange, und sag mir, wer du bist und was du mit mir vorhast. Ich bin Bhimasena, der Sohn des Pandu und jüngere Bruder von Yudhishthira, dem Gerechten. Oh bestes Reptil, ich habe sonst die Kraft von tausend Elefanten, wie kann es sein, daß du mich so einfach überwältigst? Ich habe schon unzählige mähnenbewehrte Löwen, Tiger, Büffel und Elefanten erlegt. Mächtige Rakshasas, Nagas und Pisachas können der Kraft meiner Arme nicht widerstehen. Verfügst du über irgendeine Magie? Oder hast du einen Segen empfangen? Ich kann mich auf Äußerste anstrengen und bin doch in deiner Gewalt. Oh, nun glaube ich, dass die Kraft der Menschen untauglich und fehlbar ist, denn du, oh Schlange, hast meine große Stärke einfach vereitelt.

Bei diesen Worten des heldenhaften Bhima mit den edlen Taten hatte ihn die Schlange mit ihrem gewaltigen Körper gänzlich umwunden und nur seine beiden, muskulösen Arme freigelassen. Dann gab sie zur Antwort:
Welch gutes Schicksal ist mein, denn nach langer Zeit des Hungerns haben mir die Götter dich heute zur Nahrung bestimmt. Ja, den verkörperten Wesen ist ihr Leben lieb. Doch ich sollte dir erzählen, wie ich zu diesem Schlangenkörper kam. Höre, du Frommer, ich kam in diese Notlage durch den Zorn der Maharshis. Und ich will ihren Fluch loswerden, deshalb erzähle ich dir auch alle Einzelheiten.

Du hast sicher vom königlichen Weisen Nahusha gehört. Er war der Sohn von Ayu und hat deine Ahnenlinie fortgeführt. Wisse, ich bin dieser Nahusha. Ich habe die Brahmanen beleidigt, und die Kraft von Agastyas Verwünschung brachte mich in diese Lage. Du bist mit mir verwandt. Gern ruhen meine Augen auf dir. Zwar sollte ich dich deswegen nicht töten, und doch werde ich dich noch heute verschlingen müssen. Denn dies ist die Fügung des Schicksals. Keiner, sei es Büffel oder Elefant, der am sechsten Teil des Tages in meine Reichweite kommt, kann mir entkommen. Dies ist der Segen, den ich erhielt.

So wisse, bester Mann, daß du nicht unter die Gewalt eines niedrigen, sondern eines starken Tieres kamst. Als ich schnell und abrupt von Indras Thron und aus seinem Palast fiel, da flehte ich den ehrbaren Weisen Agastya an, mich von diesem Fluch zu befreien. Voller Mitgefühl sagte da der Energiereiche: Oh König, nach einiger Zeit wirst du befreit sein.

Als Schlange fiel ich zur Erde und behielt meine Erinnerung. Und obwohl es so lange her ist, weiß ich noch alles, was der Weise zu mir sagte:
Die Person, welche um die Beziehung zwischen der Seele und dem Höchsten Wesen weiß, und damit deine Fragen beantworten kann, wird dich erlösen. Und außerdem werden alle starken und dir überlegenen Wesen sofort ihre Kraft verlieren, wenn du sie berührst.
Das waren die Worte des Mitfühlenden, der sich mir geneigt zeigte, bevor er verschwand. So wurde ich zur Schlange, oh Strahlender, vollbringe sündige Taten, lebe in unreiner Hölle und warte auf den Moment der Erlösung.

Da sprach der starkarmige Bhima zur Schlange: Weder ärgere ich mich, oh mächtige Schlange, noch gebe ich mir die Schuld.
Was Glück oder Elend anbelangt,
haben die Menschen nur manchmal die Macht,
diese beiden zu erlangen oder zu vermeiden,
doch meistens nicht.


Daran sollte man sich nicht aufreiben. Wer könnte das Schicksal durch eigene Anstrengung vereiteln? Ich erachte das Schicksal als Höchstes und eigenes Wollen als wenig nützlich. Denn das Schicksal gab mir diesen Schlag, ich verlor die Kraft meiner Arme und kam in diese Situation ohne ersichtlichen Grund. Nun, ich traure nicht so sehr um meinen Tod, eher um meine Brüder, weil sie ohne Königreich im Exil des Waldes leben. Dieser Himalaya ist unwirtlich und voller Yakshas und Rakshas. Wenn sie mich suchen, werden sie außer sich sein.

Wenn sie erfahren, daß ich tot bin, werden sie alle Mühen fahrenlassen, denn bis jetzt haben meine rauhen Worte sie angestachelt, dass Königreich wiederzugewinnen. Vielleicht wird nur der kluge und in jeder Tradition gelehrte Arjuna nicht von Trauer überwältigt, denn ihn können weder Götter noch Rakshasas besiegen. Dieser Starke und Tapfere ist mit nur einer Hand in der Lage, sogar den König der Himmlischen von seinem Thron zu werfen.

Was sollte ich da über den betrügerischen Sohn Dhritarashtras sagen, den alle guten Menschen meiden und den Unwissenheit und Niedertracht erfüllen? Ach, ich traure um meine arme Mutter, die ihre Söhne so sehr liebt, und sich um unseren Ruhm mehr sorgt, als all unsere Feinde. Ach Schlange, sollen denn all die Wünsche unserer verlorenen Mutter durch meinen Tod unerfüllt bleiben? Und die heldenhaften Zwillinge Nakula und Sahadeva, die immer mir, ihrem älteren Bruder, folgten, der sie mit der Kraft seiner Arme beschützte, sie werden ganz depressiv werden, wenn ich nicht mehr bin, all ihre heldenhafte Entschlossenheit verlieren und im Kummer versinken. Ja, so meine ich.

Auf diese Weise klagte Vrikodara lang und laut, doch die Schlange hielt ihn fest umschlungen, und er kam nicht frei.
 
Mahabharat Buch 3.179.2

Grässliche Omen

In der Zwischenzeit bemerkte Yudhishthira grässliche Omen und wurde beunruhigt. Er beobachtete das Auflodern der Horizonte, das Auftauchen der Schakale auf der rechten Seite der Einsiedelei und ihre angstvollen und unheilverkündenden Rufe. Hässliche Vatikas mit nur einem Flügel, einem Auge und einem Bein spien Blut und blickten zur Sonne.

Der Wind blies trocken und gewaltsam und wirbelte Staub auf. Mit einem Mal schrien alle Tiere und Vögel des Waldes. Die schwarze Krähe krächzte von hinten: „Geh! Geh!“ Und Yudhishthiras rechter Arm begann zu zwicken, seine Brust und das linke Bein zuckten. Sein linkes Auge krampfte sich zusammen und kündete von Übel. So befürchtete der Kluge große Gefahr und fragte Draupadi: Wo ist Bhima?

Jene antwortete ihm, Bhima wäre ausgegangen, und so machte sich der starkarmige Yudhishthira mit Dhaumya auf den Weg, ihn zu suchen. Arjuna gab er den Auftrag, Draupadi zu beschützen, und die Zwillinge hieß er, über die Brahmanen zu wachen. So folgten die beiden Bhimas Spuren und suchten ihn im weiten Wald. Im Osten fanden sie große, erschlagene Elefanten, und die Erde zeigte Bhimas Fußspuren. Als nächstes entdeckten sie ganze Herden von toten Rehen und zermalmten Löwen, und wussten um Bhimas Kurs.

Sie folgten den ausgerissenen Bäumen, die der Wind von Bhimas Oberschenkeln entwurzelt hatte, als er die Tiere verfolgte. Und als sie an einen Ort kamen, der von heftigen Winden ausgedörrt war, voller stachliger Pflanzen, brackig, ohne klares Wasser, mit Schottersteinen bedeckt, Baumstümpfen und trockenen Büschen, uneben und gefährlich zu begehen, da entdeckten sie in einer Höhle des Berges Bhima, wie er bewegungslos in den Windungen der stattlichen Schlange hing.
 
Mahabharat Buch 3.180

Wer ist ein Brahmane

Erstaunt fragte da Yudhishthira seinen Bruder: Oh Sohn der Kunti, wie kamst du in diese Notlage? Und wer ist diese vorzügliche Schlange mit dem Leib wie ein Berg?
Bhima antwortete: Oh Ehrenwerter, dieses mächtige Wesen hat mich gefangen, um mich zu essen. Er ist der königliche Weise Nahusha, der nun in einem Schlangenkörper lebt.
Nun wandte sich Yudhishthira an die Schlange: Oh du mit dem langen Leben, gib meinen tapferen Bruder frei. Wir werden dir andere Nahrung beschaffen, um deinen Hunger zu stillen.

Die Schlange meinte jedoch: Nein, dieser Sohn eines Königs kam von selbst zu mir, und ihn werde ich essen. Geh du fort. Du solltest nicht hier bleiben, denn dann wirst du mein Essen für morgen. Dies wurde nun einmal für mich bestimmt: Wer in meine Reichweite kommt, wird meine Nahrung. Und auch du bist schon in meiner Reichweite. Nach langer Zeit des Hungerns kam dein jüngerer Bruder zu mir. Ich werde ihn nicht gehenlassen und mag keine andere Nahrung.

Doch Yudhishthira sprach: Oh Schlange, ob du nun ein Gott bist, ein Asura oder eine Naga, ich bitte dich, sag mir die Wahrheit! Es ist Yudhishthira, der dich fragt. Warum hast du Bhima ergriffen? Durch welche Gabe könntest du wirklich zufriedengestellt werden? Welche Nahrung soll ich dir lieber geben? Unter welcher Bedingung kannst du ihn frei geben?

Die Schlange antwortete: Oh Sündenloser, ich war dein Vorfahr, der Sohn von Ayu, fünfter Abkömmling des Mond-Gottes. Als König Nahusha wurde ich gefeiert. Durch Opfer, Askese, Studium der Veden, Entschlossenheit und Selbstzügelung erreichte ich einen Wohnsitz über den drei Welten. Doch als ich dies erlangt hatte, ergriff mich der Hochmut. Tausend Brahmanen trugen meinen Thron, und vergiftet von meiner Macht demütigte ich sie. So schickte mich Agastya in diese Lage. Doch meine Erinnerung hat mich nicht verlassen, oh Pandava. Durch die Gunst desselben, hochbeseelten Agastya wurde mir als Nahrung bestimmt, was zum sechsten Teil des Tages zu mir kommt. Und dies war heute dein jüngerer Bruder. Weder gebe ich ihn frei, noch wünsche ich andere Nahrung. Nur wenn du mir jetzt meine Fragen beantwortest, dann werden ich und dein Bruder Bhima erlöst sein.

Und Yudhishthira: Oh Schlange, frag, was du willst. Wenn ich es vermag, werde ich deine Fragen beantworten, denn ich möchte dich zufriedenstellen. Du weißt zweifellos alles, was ein Brahmane wissen sollte. So höre ich dich an und werde antworten.

Die Schlange fragte: Oh Yudhishthira, wer ist eine Brahmane, und was sollte man erkennen? Deine Rede verrät dich als sehr Klugen.

Yudhishthira: Nun, beste Schlange, die Weisen sagen, daß derjenige, in welchem Wahrhaftigkeit, Güte, Vergebung, gutes Betragen, Wohlwollen, Beachtung der Riten und Mitgefühl zu sehen sind, ein Brahmane ist. Und was man erkennen sollte, oh Schlange, ist das höchste Brahma, in dem weder Glück noch Elend sind. Wird es erreicht, werden die Wesen nicht mehr vom Leiden bedrängt. Was ist deine Meinung dazu?

Die Schlange: Oh Yudhishthira, Wahrhaftigkeit, Güte, Vergebung, Wohlwollen, Milde, Freundlichkeit und die Veden, welche zum Nutzen der vier Kasten, wahrhaftig und die Autorität in Sachen Dharma (Vorgeschriebene Pflichten) sind, findet man auch in einem Shudra (Diener). Und was du als wissenswert erachtest und von dem du behauptest, daß es ohne Glück und Elend sei – nun, ich sehe nichts, was ohne Glück und Elend wäre.

Yudhishthira: Ein Shudra, in dem diese Qualitäten sind, ist kein Shudra, sondern ein Brahmane. Und ein Brahmane, in dem diese Tugenden fehlen, ist kein Brahmane, sondern ein Shudra. Denn nur diese Qualitäten unterscheiden zwischen Shudra und Brahmane (und nicht die Geburt). Du sagst, oh Schlange, dass es so etwas wie Brahma nicht gibt, weil es nichts gibt, was ohne Glück und Elend ist. Doch wenn Kälte durch die Abwesenheit von Hitze und Hitze durch die Abwesenheit von Kälte erscheint, kann es da nicht auch die Abwesenheit beider geben? Was meinst du?

Schlange: Oh König, wenn du den als Brahmanen erachtest, in dem sich diese Merkmale entfalten, dann ist die Unterscheidung zwischen den Kasten nutzlos, bis sich das jeweilige Verhalten offenbart, oh Langlebiger.

Yudhishthira: Ich denke, in der menschlichen Gesellschaft ist es wirklich schwierig, die Kaste eines Menschen genau zu bestimmen, oh kluge und mächtige Schlange, denn es gibt und gab vielfältige Vermischungen der vier Kasten. Männer aller Kasten haben mit Frauen aller Kasten Nachkommen gezeugt, denn Geburt und Tod, sexuelle Vereinigung und Sprache ist für alle gleich. Deswegen beginnen die Rishis ihre Opfer mit solchen Ausdrücken wie „von welcher Kaste wir auch immer sein mögen, wir zelebrieren nun das Opfer“.

So sagen die Weisen, dass der Charakter am wichtigsten ist. Denn die Geburtszeremonie wird noch vorm Durchtrennen der Nabelschnur durchgeführt. Dabei handelt die Mutter wie Savitri und der Vater wie ein Priester. Und bis man die Initiation in die Veden erhalten hat, wird jeder als Shudra betrachtet. Zu den Zweifeln bezüglich dieses Punktes hat Svayambhuva Manu folgendes gesagt: „Wenn die ersten drei Kasten nach ihren Reinigungszeremonien nicht den Regeln der Tugend (Sattva-guna) folgen, sind sogar die vermischten Kasten als besser zu betrachten.“ Daher erachte ich den als Brahmanen, der den Regeln des reinen und tugendhaften Verhaltens folgt, oh große Schlange.

Schlange: Oh Yudhishthira, du bist mit allem Wissenswerten vertraut. Und nun, nachdem ich deinen Worten gelauscht habe, wie könnte ich dann noch deinen Bruder Vrikodara aufessen?
 
Mahabharat Buch 3.181.1

Die Belehrung der Schlange

Yudhishthira: Du bist in dieser Welt so gelehrt in den Veden und Vedangas, sage mir, oh Schlange, was sollte man tun, um Erlösung zu erlangen?

Schlange: Oh Nachfahre aus dem Geschlecht des Bharata, ich glaube, dass der Mensch,
  • welcher Almosen an die Richtigen gibt,
  • freundliche Worte spricht,
  • die Wahrheit sagt und
  • davon ablässt, andere zu verletzen,
in den Himmel eingeht (nicht in der spirituellen Welt, siehe
Schöpfung und Bibel
Transzendenz und Schöpfung
Paradiesische Welten).
 
Mahabharat Buch 3.181.2

Yudhishthira: Was ist lobenswerter: Ehrlichkeit oder Almosen geben? Sag mir auch, oh Schlange, was wichtiger ist: Freundschaft oder Friedfertigkeit.

Schlange: Dies alles bringt relativen Verdienst, welcher vom objektiven Nutzen abhängt.
Manchmal ist die Wahrheit lobenswerter als Taten der Nächstenliebe,
manchmal sind Almosen empfehlenswerter als die wahrhafte Rede.

So ist es auch mit der Enthaltung, anderen Leides anzutun, und mit freundlicher Rede, oh mächtiger König der Erde.
Mal ist dieses wichtiger, mal das andere. Das kommt auf die Wirkung an. Hast du noch mehr Fragen? Sprich sie alle aus, ich werde dich belehren.

Yudhishthira: Sag mir, oh Schlange, wie kann man den Aufstieg der unkörperlichen Wesen in den Himmel begreifen, ihre sinnliche Wahrnehmung und ihre Freuden an den zwangsläufigen Früchten ihrer Taten?

Schlange:
Durch eigene Taten erlangen die Menschen die Bedingungen für die drei möglichen Geburten
  • als menschliche Existenz,
  • als himmlisches Leben oder
  • als Existenz in einem niederen, tierischen Bereich.
Die Menschen,
  • welche nicht faul sind,
  • niemanden verletzen,
  • milde Güte und andere Tugenden üben,
gehen, nachdem sie die Welt der Menschen verlassen haben, in den Himmel ein.

Handeln sie jedoch dem entgegen, werden sie erneut als Menschen oder Tiere wiedergeboren.
Speziell betont wird, dass der Mensch,
  • welcher der Wut und der Lust frönt und
  • sich der Habgier und Böswilligkeit hingibt,
von seinem menschlichen Status abfällt und als Tier wiedergeboren wird.

Und die Tiere sind bestimmt, irgendwann wieder in den menschlichen Status zu gelangen,
  • wobei Kühe, Pferde und noch einige andere Tiere sogar in den göttlichen Status kommen können.
Nun mein Sohn, so erntet das fühlende Wesen die Früchte seiner Taten und wandert (als Seele) durch diese Zustände (hin und her).
Die Zweifachgeborenen und Weisen jedoch lassen ihre Seele im ewigwährenden Höchsten Seele ruhen.

Wogegen die Seele die am Körperlichen haftet
  • eine Geburt nach der anderen durchwandert,
  • die Früchte seiner eigenen Taten erntet
  • und in den Ketten des Schicksals verstrickt ist.
Doch wer den eigenen Taten nicht mehr anhängt, ist sich des unveränderlichen Schicksals aller geborenen Wesen bewusst.
 
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Mahabharat Buch 3.181.3

Wissen über die Seele

Yudhishthira:
Oh Schlange, sag mir aufrichtig und ohne mich zu verwirren, wie der (vom Körper getrennte) Geist
Kenntnis von Klang, Berührung, Form, Geruch und Geschmack erlangt?
Oh du mit dem großen Geist, empfängst du sie nicht gleichzeitig mit den Sinnen? Oh antworte mir.

Schlange:
Oh Langlebiger, das, was Atma (Seele) genannt wird,
  • bedient sich des Körpers als Wohnsitz,
  • manifestiert sich in den Sinnesorganen und
  • hat Kenntnis von den wahrnehmbaren Objekten.
Wisse, oh Prinz aus dem Geschlecht des Bharata,
daß die Sinne, der Geist und die Ientelligenz der Seele
bei der Wahrnehmung der Objekte behilflich sind, welche Karanas genannt werden.

Die ewige Seele verlässt seine (reine) Sphäre und
  • mithilfe des Geistes
  • handelt er durch die Sinne, diese Tore aller Wahrnehmungen, und empfängt dadurch Klang, Form, Geschmack und Geruch.
Der Geist der Lebewesen ist die Ursache für alle Wahrnehmung und kann daher nicht mehr als eine Sache gleichzeitig wahrnehmen.
Nur wenn sich die Seele im Raum zwischen den Augenbrauen sammelt,
kann sie verschiedene Objekte mit dem niederen und dem höheren Intelligenz umschließen.
Und was die Yogis jenseits der Wirkung dieses intelligenten Prinzips erkennen, das ist es, was alle Handlungen der Seele manifestiert.
 
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