Mahabharata

Mahabharat Buch 3.132

Ashtavakra der Sohn Kahodas und Sujatas
und Enkel Sohn des berühmten Uddalakas, siehe #22
siehe auch das neue Beziehungs-Gesetz von Swetaketu, Sohn Uddalakas #233


Lomasa erzählte weiter: Schau hier, du Herr der Menschen, den heiligen Rückzugsort von Swetaketu, Sohn des Uddalak, dessen Ruhm als Kenner heiliger Mantras sich weit über die Erde verbreitete. Diese Einsiedelei ist mit vielen Kokosnußbäumen gesegnet. Swetaketu schaute hier die Göttin Sarasvati in ihrer göttlichen Gestalt, und er sprach zu ihr: Möge ich mit der Gabe der Rede gesegnet sein.

Und so waren in diesem Yuga Swetaketu und sein (Groß-) Neffe Ashtavakra, der Sohn des Kahoda, die besten Redner ihrer Zeit. Diese beiden miteinander verwandten Brahmanen verfügten über unvergleichliche Energie. Einst begaben sie sich zum Opferplatz von König Janak und besiegten Vandin in einer Debatte. Oh Söhne der Kunti, ehrt die heilige Einsiedelei von dem großen Mann, der Ashtavakra zum Enkelsohn hatte, welcher schon als Junge erreichte, daß Vandin ins Wasser ging, nachdem er ihn (in der Debatte) übertroffen hatte.



Yudhishthira fragte: Oh erzähle mir von der Macht dieses Jungen, der Vandin besiegte. Warum war er als Ashtavakra (krumm an acht Körperteilen) geboren?

Lomasa sprach: Der Weise Uddalak hatte einen Schüler namens Kahoda, der mit beherrschten Leidenschaften seinem Lehrer hingebungsvoll diente und seine Studien ausgiebig betrieb. Nach diesem langen Dienst gab der Lehrer seinem Schüler seine Tochter Sujata zur Frau nebst der Meisterschaft über die Shastren (Vedische Schriften). Schon bald wurde die junge Frau schwanger mit einem Kind so strahlend wie das Feuer.

Doch einmal sprach der Embryo zu seinem rezitierenden Vater:
Oh Vater, du rezitierst nun schon die ganze Nacht, doch ich meine, du machst es nicht richtig. Durch deine Gunst weiß auch ich um die Shastren mit ihren Zweigen, obwohl ich noch nicht geboren bin. Und ich sage, oh Vater, was von deinen Lippen kommt, ist nicht korrekt.

So beleidigt und noch vor seinen Schülern erhob sich im Vater der Zorn, und er verfluchte das Kind im Mutterleib:
Du sollst für diese Worte an acht Teilen deines Körpers krumm sein!

So wurde das Kind später ganz verkrümmt geboren und unter dem Namen Ashtavakra bekannt. Sein (Groß-) Onkel war Swetaketu und im selben Alter. Doch zuvor, noch während der Schwangerschaft, sprach Sujata, die vom wachsenden Embryo gequält wurde und sich Reichtum wünschte, sanft und unter vier Augen zu ihrem Ehemann: Was soll ich tun, oh großer Weiser? Der letzte Monat meiner Schwangerschaft ist gekommen. Du hast keine Rücklagen, von denen ich nach der Geburt leben und das Kind ernähren könnte.

So wanderte Kahoda zu König Janak, um ihn um Reichtum zu bitten. Doch an seinem Hofe wurde er in einer Debatte von Vandin besiegt, welcher geübter im Argumentieren war, und als Konsequenz hiervon ins Wasser geschickt. Als Uddalak von der Niederlage seines Schwiegersohnes und seinem Versenken im Wasser erfuhr, sprach er zu seiner Tochter: Dies solltest du vor Ashtavakra geheimhalten.

Was Sujata tat, und so wurde Ashtavakra geboren, ohne etwas vom Schicksal seines Vaters zu erfahren. Er erachtete Uddalak als seinen Vater und Swetaketu als seinen Bruder. Doch als Ashtavakra zwölf Jahre alt war, sah ihn Swetaketu auf Uddalakas Schoß sitzen. Er zog ihn plötzlich an der Hand, und als Ashtavakra sich weinend wehrte, rief er: Das ist doch gar nicht der Schoß deines Vaters!

Die grausamen Worte senkten sich tief in Ashtavakras Herz, und schmerzlich verletzt eilte er sogleich zu seiner Mutter, um sie zu fragen:
Wo ist mein Vater?

Sujata war sehr verwirrt, doch da sie einen Fluch befürchtete, erzählte sie ihrem Sohn alles. Noch in derselben Nacht sprach der Brahmane Ashtavakra zu Swetaketu: Laß uns zum Opfer des Königs Janak gehen, wo man viele wunderbare Dinge sehen kann. Dort werden wir uns die Debatten der Brahmanen anhören und vorzügliche Speisen essen. Wir werden unser Wissen vermehren, und außerdem ist es voller Segen, die heiligen Veden gesungen zu hören.

So gingen die beiden zum glänzenden Opferfest des Königs Janak, wo sie jedoch (vom Wächter des Opfers) nicht hereingelassen wurden. Da sprach Ashtavakra zum König die folgenden Worte.
 
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Mahabharat Buch 3.133

Die wahren Brahmanen sind die höchste Lebewesen
Ashtavakra vor Janak und dem Wächter


Ashtavakra sagte: Wenn kein Brahmane zugegen ist, gehört der Weg den Blinden und Tauben, den Frauen und Lastenträgern und natürlich dem König. Doch wenn ein Brahmane auf dem Wege angetroffen wird, gehört der Weg ihm allein.

Da sprach der König: Ich gewähre dir den Vorzug einzutreten. Tritt ein, auf welchem Wege es dir beliebt. Man darf kein Feuer kränken, sei es noch so winzig. Sogar Indra verbeugt sich vor den Brahmanen.

Ihm antwortete Ashtavakra: Wir sind gekommen, oh Herrscher der Menschen, deine Opferzeremonie zu sehen. Unsere Neugier ist groß, oh König. Wir kamen als deine Gäste, um dich zu sehen und mit dir zu sprechen. So bitten wir auch um die Erlaubnis deines Wächters, hier einzutreten, oh Sohn des Indradyumna. Denn dein Wächter verwehrte uns den Eintritt, und so brennt der Ärger wie Fieber in uns.

Der Wächter verteidigte sich: Wir führen nur die Anweisungen von Vandin aus. Höre auf seine Worte: Knaben wird kein Einlaß gewährt, nur gelehrte und alte Brahmanen haben Zutritt.

Da sprach Ashtavakra: Nun Wächter, wenn die Bedingung für eine offene Tür nur das Alter ist, dann dürfen wir herein. Denn wir sind alt, haben heilige Gelübde genommen und besitzen die Energie aus vedischer Tradition. Wir haben den Höheren gedient und unsere Leidenschaften beherrscht. Außerdem haben wir Wissen gewonnen. Es wird auch gesagt, daß selbst Knaben nicht beleidigt werden sollten, denn auch ein kleines Feuer brennt, wenn man es berührt.

Der Wächter erwiderte: Oh junger Brahmane, bedenke deine Jugend! Rezitiere doch die Verse, welche die Existenz des Höchsten Wesens begründen und von den himmlischen Weisen verehrt werden. Und die, auch wenn sie nur aus einem Buchstaben zusammengesetzt, doch mannigfaltig sind. Prahle hier nicht vergebens, denn gelehrte Menschen sind wahrlich selten.

Ashtavakra sprach: Wahres Wachstum kann nicht von der bloßen Entwicklung des Körpers geschlußfolgert werden, so wie die Größe der Knoten des Salmali Baumes nicht sein Alter verraten. Es wird der Baum als voll ausgewachsen erachtet, der Früchte trägt, sei er auch schlank und klein. Wer keine Früchte trägt, ist nicht erwachsen.

Der Wächter sprach: Die Jungen erhalten Belehrung von den Alten und werden mit der Zeit reifer. Wissen kann ganz sicher nicht in kurzer Zeit erlangt werden. Wie kann es sein, daß du Jüngling wie ein Alter sprichst?

Ashtavakra antwortete: Man ist nicht alt, wenn man graues Haar hat. Nur wer Wissen besitzt, den halten die Götter für alt, auch wenn er jung an Jahren ist. Kein Weiser hat je gesagt, daß Verdienst aus Jahren besteht, grauen Haaren, Reichtum oder Freunden. Für uns ist der groß, welcher in den Veden bewandert ist. Ich kam, oh Wächter, um Vandin am Hofe zu sehen. Bitte geh, und informiere den lotusbekränzten Vandin, daß ich hier bin. Dann wirst du noch heute Zeuge davon werden, wie ich mit dem gelehrten Mann einen Disput beginne und Vandin im Wortstreit besiege. Mögen andere schweigen, doch die reifen Brahmanen nebst dem König mit seinen obersten Priestern sollen erfahren, ob meine Kenntnisse über- oder unterlegen sind.

Der Wächter meinte dazu: Wie kannst du in deinem zarten Alter von zehn Jahren hoffen, das Opfer zu betreten, wo doch nur erfahrene und gelehrte Männer zugelassen sind? Doch ich werde mein Bestes versuchen. Gib auch du dein Bestes!

Da sprach Ashtavakra: Oh König, du Bester aus dem Geschlecht des Janak, du bist der oberste Herrscher und alle Macht ruht in dir. Vor langer Zeit war es an König Yayati, große Opfer zu begehen. Heute ist es an dir. Wir haben vernommen, daß der gelehrte Vandin die von ihm im Wortstreit besiegten Brahmanen von deinen getreuen Dienern im Wasser ertränken läßt. So kam ich her, um vor allen Brahmanen das Wesen der höchsten Einheit zu erläutern. Wo ist dieser Vandin? Sag es mir, damit ich vor ihn hintreten mag und ihn besiegen, wie die Sonne die Sterne überstrahlt.

Der König gab zur Antwort: Du hoffst, oh Brahmane, den großen Vandin zu besiegen? Du kennst wohl nicht die Macht seiner Rede? Keiner, der ihn kennt, spricht so wie du. Viele vedenkundige Brahmanen verblichen vor ihm wie die Sterne vor der Sonne. Viele kamen und wollten ihn im Stolz auf ihr Wissen besiegen. Doch sie verloren allen Glanz vor ihm und zogen sich zurück, ohne überhaupt ein Wort zur Versammlung zu wagen.

Ashtavakra erwiderte: Vandin begann noch nie eine Diskussion mit einem wie mir. Deswegen sieht er sich als Löwe und brüllt laut. Doch wenn er mir begegnet, wird er besiegt niedersinken wie ein Wagen auf der Straße mit zerbrochenen Rädern.

Der König sprach: Nur, wer die Bedeutung dessen versteht, was dreißig Abteilungen, zwölf Teile, vierundzwanzig Gelenke und dreihundert und sechzig Speichen hat, ist wahrhaft gelehrt.

Ashtavakra antwortete: Möge das immerwährend sich drehende Rad (der Zeit) mit seinen vierundzwanzig Gelenken, sechs Naben, zwölf Rändern und dreihundert und sechzig Speichen dich allseits beschützen.

Der König fragte: Wer unter den Himmlischen gebiert diese beiden, die zusammen gehen wie zwei Stuten (die an einen Wagen angespannt sind) und hinabjagen wie zwei Falken? Und was gebären sie wiederum?

Ashtavakras Antwort war: Möge der Herr der Himmlischen dein Haus vor diesen Beiden behüten, ja sogar das Haus deines Feindes (vor Donner und Blitz, bzw. Begierde und Haß). Der mit dem Wind als Wagenlenker erscheint (Agni, der als Banner den Rauch trägt, bzw. die Gedanken), gebiert sie, und sie gebären ihn.

Der König fragte weiter: Was schließt niemals seine Augen, auch wenn es schläft? Was bewegt sich nicht, auch wenn es geboren wurde? Was hat kein Herz? Und was vergrößert sich im eigenen Fließen?

Ashtavakra antwortete: Ein Fisch schließt niemals seine Augenlider, wenn er schläft (das immer bewußte Wesen). Ein Ei bewegt sich nicht nach der Geburt (das Weltenei). Ein Stein hat kein Herz (die Seele, welche überaus fest am Körper anhaftet), und ein Fluß vergrößert sich im eigenen Fließen (das Herz eines Yogis).

Da meinte der König: Es scheint, oh Besitzer von göttlicher Energie, daß du kein menschliches Wesen bist. Ich sehe in dir nicht den Jungen, sondern einen reifen Mann, mit dem sich kein anderer in der Kunst der Rede messen kann. Ich erlaube dir einzutreten, wo Vandin ist.
 
Mahabharat Buch 3.134

Ashtavakra und Vandin

Ashtavakra rief: ... Oh Vandin, du meinst, du wärst der beste Redekünstler, doch wenn du dich mit mir mißt, wirst du nicht weiterfließen wie die Wasser eines Stromes. Ich bin voll feuriger Flammen.

Da erwiderte Vandin: ... Wenn ein schwacher Mann aus Hochmut einen Berg schlägt, wird er sich nur die eigene Hand verletzen und dem Berg keine Wunde zufügen.

Und Ashtavakra erwiderte: ... oh König, größe Monarch, gib Anweisung, daß Vandin mir gegenüber tritt.

Mit diesen Worten donnerte Ashtavakra in die Versammlung und bestürmte Vandin:
Beantworte du meine Fragen, und ich werde deine beantworten!

Und Vandin begann: Nur ein Feuer flammt in vielen Gestalten auf. Nur eine Sonne erleuchtet die ganze Welt. Nur ein Held vernichtet die Feinde wie Indra, der Herr der Himmlischen. Und nur ein Yama ist der alleinige Herrscher über die Pitris (Vorväter).

Ashtavakra antwortete: Die beiden Freunde, Indra und Agni, wandern immer als Paar. So auch die beiden himmlischen Weisen Nara und Narayana. Die Aswins sind Zwillinge. Zwei Räder hat der Karren. Ehemann und Ehefrau bilden ein Paar und leben zusammen, wie es die Gottheit bestimmt hat. (Es gibt eine vedische Erzählung von zwei Vögeln, die auf einem Baum leben. Einer ißt die Früchte, der andere schaut ihm zu. ...)

Vandin: Drei Arten von geborenen Wesen entstehen durch Handlungen. Die drei Veden formen zusammen das Opfer Vajapeya. Zu drei unterschiedlichen Zeiten beginnen die Adhwaryus (Opferpriester) die Riten. Drei ist die Zahl der Welten (Himmlische - über die Erde, Irdische und Unterirdische - wo sich die Asura Götter aufhalten) und der Himmelslichter (Sonne, Mond und Sterne).

Ashtavakra: Es gibt vier Ashrams (Lebensweisen) für Brahmanen. Es sind vier Soziale Klasse, welche opfern. Vier ist die Zahl der großen Himmelsrichtungen, der heiligen Schriften ...

Vandin: Es gibt fünf Arten von Feuer. Fünf Füße bilden ein Maß namens Punkti. Es gibt fünf Opfer. Die Veden sagen, daß die Apsaras fünf Haarsträhnen auf ihrem Haupt haben. Und fünf heilige Flüsse kennt diese Welt.

Ashtavakra: Man sagt, daß sechs Kühe als Zuwendung für das Entzünden des heiligen Feuers gezahlt werden. Sechs Jahreszeiten gehören zum Rad der Zeit. Sechs die Zahl der Sinne (Mit dem Geist) ist. Sechs Sterne bilden das Sternbild Kirtika (Plejaden). Und sechs, wie man in allen Veden finden kann, ist die Zahl der Sadyaska Opferriten.

Vandin: Es gibt sieben Haustiere und sieben wilde Tierarten. Sieben Maße gehören zu einem vollständigen Opfer. Es gibt sieben heilige Rishis und sieben Arten der Ehrerbietung. Und jeder weiß, sieben Saiten hat die Vina.

Ashtavakra: Acht Gefäße sind es, die das Hundertfache enthalten. Acht Beine hat ein löwenjagender Sarabha. Wir haben gehört, es gibt acht Vasus unter den Himmlischen. Und acht Ecken hat ein Yupa Pfahl in allen Opferriten.

Vandin: Es gibt neun Mantras, die das Opferfeuer für die Pitris schüren. Neun Funktionen sind es, die den Schöpfungsprozeß kennzeichnen. Neun Silben bilden den Fuß des Versmaßes Vrihati. Und neun Ziffern nutzt man zum Zählen.

Ashtavakra: Man spricht von zehn Richtungen (des Raumes), welche der Mensch in dieser Welt erkennen kann. Zehn mal hundert macht ein Tausend. Es sind zehn Monate, in denen Frauen schwanger sind. Es gibt zehn Lehrer mit wahrhaftem Wissen, zehn, welche das Wissen hassen, und zehn, die zum Lernen fähig sind.

Vandin: Es gibt elf Dinge des Vergnügens für die Wesen. Elf ist die Zahl der Yupas (Opferpfähle, oder auch Gefühle). Wer Leben hat, geht durch elf Verwandlungen. Es gibt elf Rudras unter den Göttern im Himmel (Rudras sind auch gefürchtete Sturmgötter.).

Ashtavakra: Zwölf Monate bilden das Jahr. Zwölf Buchstaben bilden den Fuß des Versmaßes Jagati. Die kleineren Opfer sind zwölf an der Zahl. Und nach Meinung der Gelehrten gibt es zwölf Adityas.

Vandin: Der dreizehnte Tag des Monats wird als der glücksverheißendste angesehen. Und es gibt dreizehn Inseln auf Erden...

Doch da verstummte Vandin. Und Ashtavakra vollendete das Sloka.

Ashtavakra: Keshi wacht über dreizehn Opfer. Und dreizehn werden vom Versmaß Atichhandas in den Veden umschlungen (jene, die Unwissenheit überwunden haben).

Bei diesen Worten Ashtavakras ließ Vandin nachdenklich den Kopf hängen und schwieg. Die Versammlung brach in ein lautes Getöse aus, und mitten im Tumult während des glänzenden Opfers Janaks traten die Brahmanen mit gefalteten Händen vor Ashtavakra und priesen ihn.

Dann ergriff Ashtavakra noch einmal das Wort: Bis jetzt hat dieser Mann die von ihm im Wortgefecht besiegten Brahmanen ins Wasser geschickt. Er möge heute auf dasselbe Schicksal treffen. Ergreift und ertränkt ihn.

Und Vandin sprach: Oh König Janak, höre meine Worte: Ich bin der Sohn von König Varuna. Zu gleicher Zeit mit deinem Opfer gab es im Meer ein anderes Opfer für zwölf Jahre. Für dessen Zeremonien habe ich die großen Brahmanen ins Wasser geschickt. Sie gingen, um Varunas Opfer zu sehen, und kehren bald zurück. Ich zolle dem ehrenwerten Ashtavakra meine Hochachtung, denn durch seine Gunst verbinde ich mich nun wieder mit dem, der mich zeugte.

Ashtavakra sprach: Vandin hat die Brahmanen mit scharfsinnigen Worten besiegt und sie ins Meer werfen lassen. Kraft meines Wissens habe ich sie heute gerettet. Mögen nun unvoreingenommene Männer richten. Wie Agni, welcher den Charakter der Guten und Bösen gleichermaßen kennt und mit seiner Hitze die Körper jener verschont, die aufrechte Gedanken haben, so mögen nun gute Menschen über die Behauptungen von Knaben richten und ihnen gnädig gestimmt sein, wenn sie noch nicht über die Macht der Rede (bzw. Justiz) verfügen. Oh Janak, du hörtest zwar meine Worte, doch scheinst betäubt zu sein, als ob du die Früchte des Sleshmataki Baumes gegessen hast. Oder haben dich Schmeicheleien deiner Vernunft beraubt, daß du durchbohrt von meinen Worten sie dennoch nicht achtest?

Janak antwortete: Ich höre deine Worte und halte sie für hervorragend und übermenschlich, wie auch deine Gestalt. Weil du heute Vandin im Wortstreit besiegt hast, mögest du über ihn verfügen.

Ashtavakra sprach: Oh König, wenn Vandin am Leben bleibt, dient das keinem meiner Ziele. Wenn sein Vater wirklich Varuna ist, dann soll er im Meer ertränkt werden.

Und Vandin bestätigte: Ich bin der Sohn von König Varuna. Ich fürchte kein Ertränken im Meer. Unverzüglich wird Ashtavakra seinen lang vermißten Vater Kahoda wiedersehen.

Da erhoben sich all die verloren geglaubten Brahmanen vor Janak aus dem Meer, nachdem sie vom ehrenwerten Varuna herrlich verabschiedet worden waren. Unter ihnen war Kahoda, welcher sprach:
Dies ist der Grund, oh Janak, warum Männer mit verdienstvollen Taten um Söhne bitten. Worin ich gefehlt habe, hat mein Sohn gesiegt. Mögen schwache Menschen starke Söhne haben, Dummköpfe weise Söhne und Ungebildete gelehrte Söhne.

Vandin sagte: Oh Monarch, mit deiner scharfen Axt trennt Yama die Köpfe deiner Feinde ab. Mögest du immer wohlhabend sein! In diesem Opfer des Janak wurden die großen Hymnen zu den Uktha Riten gesungen und Soma Saft getrunken. Die Götter selbst nahmen mit frohen Herzen ihren heiligen Anteil entgegen.

Dann nahm Vandin, der Sohn des Suta (su = hervorragend, uta = Opfer, also der Vollbringer hervorragender Opfer) vom König Abschied und ging mit dessen Erlaubnis ins Meer. Ashtavakra grüßte ehrend seinen Vater, und wurde selbst von den Brahmanen geehrt. Dann kehrte Ashtavakra mit Vater und Onkel nach Hause in die Einsiedelei zurück, wo sein Vater vor seiner Mutter zu ihm sprach: Mein Sohn, tauche du eilends in diesen Fluß ein.

Ashtavakra folgte dem Wort seines Vaters, und sobald er im Wasser eingetaucht war, wurden alle seine krummen Glieder wieder gerade. Von diesem Tage an nannte man den Fluß auch Samanga, und er wurde dafür bekannt, daß er Sünden bereinigen kann. So geht zu diesem Fluß, ihr Pandava Brüder mit Draupadi, und führt eure Waschungen aus. Hier, oh Yudhishthira, wirst du fröhlich und glücklich mit deiner Familie und den Brahmanen leben und mit mir gute und verdienstvolle Handlungen ausführen, welche zu deinem Wohl gereichen.
 
Mahabharat Buch 3.135

Yavakri erhält den gewünschten Segen
, wird stolz, dann hochmütig und
somit verschwand sein Mitgefühl und kam nah zu seiner Vernichtung


Lomasa sprach: Hier, oh König, fließt die Samanga für alle sichtbar. Ihr Name war früher auch Madhuvila. Dort drüben ist der Badeplatz von Bharat, Kardamila genannt. Als der Gatte von Sachi (Indra) ins Elend stürzte, weil er Vritra getötet hatte, wurde er durch seine Waschungen in der Samanga von seinen Sünden befreit. An jenem Ort sank der Berg Mainaka ins Innerste der Erde und wird daher Vinasana genannt. Einst kochte hier Aditi ganz besondere Nahrung, um Söhne zu bekommen. Oh ihr Bullen unter den Männern, besteigt den hohen Gipfel und beendet euer ruhmloses Leiden, welches kaum eines Wortes würdig ist.

Vor euch streckt sich das Kana-khala Gebiet aus, indem die Weisen besonders gern leben. Dort drüben strömt die mächtige Ganga. Und hier erwarb sich einst, vor langer, langer Zeit, der heilige Weise Sanat-kumar höchsten asketischen Erfolg. Vollführe hier deine Waschungen, oh Yudhishthira, und du wirst von allen deinen Sünden befreit. Und berühre auch mit deinen Begleiter das Wasser des Punya Sees, den Berg Bhrigu-tunga und die Wasser der beiden Flüsse Tushniganga. Schau, dort zeigt sich die Einsiedelei des Weisen Shtula-shiras unseren Blicken. Wirf hier all deinen Ärger ab und deinen Sinn für Eigendünkel. Dort sieht man die schöne Zuflucht von Raivya, wo der vedenkundige Yavakri umkam, Bharadvajas Sohn.

Yudhishthira fragte: Wie erlangte der mächtige Weise Yavakri sein tiefes Wissen über die Veden? Und wie starb er? Ich bin begierig zu erfahren, wie alles geschah. Es bereitet mir immer großes Entzücken, den Geschichten über die Taten von gottgleichen Menschen zu lauschen.

Lomasa erzählte: Bharadvaja und Raivya waren zwei Freunde, die hier zusammen lebten und sich mit dem größten Vergnügen Gesellschaft leisteten. Raivya hatte zwei Söhne namens Arvavasu und Paravasu, und Bharadvaja hatte einen Sohn namens Yavakri. Raivya und seine Söhne studierten die Veden, während Bharadvaja Askese übte. Und doch war ihre Freundschaft von klein auf ohnegleichen.

Als Knabe fand der hochbeseelte Yavakri, daß sein askeseübender Vater von anderen Brahmanen oft gekränkt wurde, während Raivya mit seinen Söhnen höchst angesehen war. Trauer und Leid überwältigte ihn deswegen, und er begann strengste Buße, um auch das Wissen der Veden zu erlangen. Er überließ seinen Körper den Flammen des Feuers, war höchst enthaltsam und zog damit die Sorge Indras auf sich.

So erschien Indra dem jungen Yavakri und sprach zu ihm: Wozu, oh Weiser, übst du solch harte Buße?

Yavakri antwortete: Oh Verehrter der himmlischen Heerscharen, ich versenke mich in Askese, weil ich möchte, daß sich solches Wissen der Veden in mir manifestiert, welches nie zuvor ein Brahmane erlangte. Oh Sieger über Paka, für die vedische Tradition tue ich dies. Ich möchte alle Arten von Wissen haben. Sonst dauert es sehr lange, das vedische Wissen durch Lehrer zu gewinnen. Doch ich möchte schnell wissend werden und strenge mich deswegen so an.

Da erwiderte Indra: Oh heiliger Brahmane, der Weg, den du nimmst, ist nicht angemessen. Warum willst du dich selbst vernichten? Laß ab und lerne von den Lippen eines Lehrers.

Sprach’s und verschwand. Doch Yavakri fuhr fort und strengte sich noch mehr an. Seine harte Buße beunruhigte Indra erneut, und so erschien der Gott noch einmal vor ihm und sprach: Du bemühst dich darum, daß das vedische Wissen in dir und deinem Vater manifest wird. Doch deine Anstrengung kann niemals erfolgreich sein, und deine Taten sind nicht wohlberaten.

Yavakrita sprach: Oh Herr der Himmlischen, wenn du mir nicht hilfst, werde ich noch härteren Gelübden folgen und viel enthaltsamer sein. Wenn du, oh Gott, mir mein Begehren nicht erfüllst, werde ich meine Glieder abschneiden und als Opfer ins lodernde Feuer werfen.

Nachdem Indra nun die feste Entschlossenheit des hochbeseelten Brahmanen geprüft hatte, sann er über ein Mittel nach, ihn von seinem Ziel abzubringen. Er nahm die Gestalt eines hundert Jahre alten, asketischen Brahmanen an, der ganz schwach und ausgezehrt war. Dann begann er, einen Damm aus Sand aufzuschütten, ganz in der Nähe, wo Yavakri in der Ganga seine Waschungen zu vollziehen pflegte, wohl wissend, daß Yavakri seine Worte völlig mißachtete. So schüttete er ernsthaft Sandkorn um Sandkorn auf, bis Yavakri ihn bemerkte.

Dieser brach in schallendes Gelächter aus und sprach: Was machst du nur, oh Brahmane? Und was ist dein Ziel? Warum mühst du dich so gewaltig für nichts?
Indra antwortete: Nun, mein Sohn, ich schütte einen Damm in der Ganga auf, damit ein breiter Weg entsteht. Die Menschen müssen viele Schwierigkeiten erdulden, wenn sie die Ganga im Boot überqueren.

Yavakri sprach: Oh Askesereicher, du kannst diesen mächtigen Strom nicht stauen. Hör auf mit dieser unmöglichen Arbeit und richte deinen Sinn auf etwas Machbares.
Indra entgegnete: Oh Weiser, ich habe mich dieser schweren Aufgabe gewidmet, genau wie du mit deiner fruchtlosen Askese zum Erlangen des vedischen Wissens.

Da erkannte Yavakri den Gott und sprach: Wenn meine Bemühungen so fruchtlos wie die deinen sind, oh Herr der Himmlischen, dann sei so gut, und gewähre mir etwas Machbares. Erfülle mir Wünsche, damit ich anderen Menschen überlegen bin.
Dies tat Indra. Er sprach: Mögen auf deinen Wunsch hin die Veden in dir und in deinem Vater manifest sein. Auch deine anderen Wünsche mögen sich erfüllen. Kehre nun heim, Yavakrita!

Mit erfülltem Sehnen kehrte Yavakrita zu seinem Vater zurück und sprach zu ihm: Oh Vater, die Veden werden in uns beiden offenbar sein, und ich habe den Segen bekommen, daß wir alle Menschen übertreffen.

Doch Bharadvaja antwortete seinem Sohn: Oh mein Sohn, dein Begehren wurde erfüllt, und nun wirst du stolz werden. Der Stolz wird dich hochmütig anschwellen lassen. Dann wird bald dein Mitgefühl schwinden und Vernichtung über dich kommen.

Es gibt da eine alte Geschichte, mein Sohn, welche die Götter erzählen. In alter Zeit lebte ein Weiser namens Valadhi, der große Energie besaß. Aus Kummer um den Tod eines Kindes übte er grausigste Buße, um ein Kind zu bekommen, welches unsterblich sein sollte. Er bekam, was er begehrte. Doch weil die Götter ihm wohlgesonnen waren, machten sie seinen Sohn nicht auf die Weise unsterblich, wie sie selbst es waren.

Sie sprachen: Unter keinen Umständen kann ein Sterblicher unsterblich werden. Das Leben deines Sohnes muß an etwas gebunden sein.
Da antwortete Valadhi: Oh ihr Götter, diese Berge existieren schon seit ewigen Zeiten und sind unzerstörbar. Das Leben meines Sohnes soll von ihnen abhängen.

So wurde dem Weisen ein Sohn namens Medhavi geboren. Er war von reizbarem Temperament, und als er von den Umständen seiner Geburt erfuhr, wurde er bald überheblich und begann, sogar die Weisen zu demütigen. So wanderte er über die Erde und war eine Plage für die Munis. Eines Tages begegnete er dem gelehrten und energiereichen Dhanush-aksha, welchen er ebenfalls quälte.

So verfluchte ihn jener und sprach: Du sollst zu Asche verbrennen.
Doch Medhavi verbrannte nicht zu Asche. Doch dies verstand Dhanushaksha und ließ die Berge von Büffeln zu Boden trampeln. So verging der Junge zusammen mit den Bergen, an welchen sein Leben hing. Und seinem Vater blieb nichts weiter übrig, als seinen toten Jungen zu umarmen und sein Schicksal zu beweinen. Als die vedenkundigen Weisen Valadhi um sein Kind klagen hörten, sangen sie folgenden Vers: Ein Sterblicher kann unter keinen Umständen vermeiden, was das Schicksal ihm bestimmt hat. Dhanush-aksha konnte dafür sogar mit Büffeln die Berge zermalmen.

Ja, der junge Asket wurde ganz aufgeblasen vor Hochmut, weil ihm ein Segen gewährt worden war. Und in kürzester Zeit verging er.

Sei nicht wie er. Raivya und seine Söhne verfügen über große Energie. Sei vorsichtig und komm ihnen nicht zu nahe. Auch hat der große Asket Raivya ein reizbares Temperament. Wenn er wütend wird, kann er dir Unheil bringen.
Yavakrita antwortete: Ich werde deiner Bitte folgen, mach dir deswegen keine Sorgen, oh Vater. Raivya verdient denselben Respekt von mir wie du. Doch trotz dieser süßen Worte zu seinem Vater, begann Yavakri bald mit voller Absicht und großem Entzücken andere Munis zu kränken, und hatte vor nichts und niemanden mehr Respekt.
 
Mahabharat Buch 3.136

Yavakris
beschenkt mit Transzendentalem Wissen nach langer Askese

Nach der Askese ist die Leidenschaft nicht überwunden
Leidenschaft raubt den Vernunft


Lomasa fuhr fort: Eines Tages im Monat Chaitra kam der furchtlos wandernde Yavakri in die Einsiedelei von Raivya. An diesem wunderschönen Ort mit seinen blühenden Bäumen erblickte er die liebliche Schwiegertochter Raivyas, umherschlendernd wie eine Kinnara Frau. Da raubte ihm seine Leidenschaft jegliche Vernunft und er sprach dreist und unverschämt zu der errötenden jungen Frau: Verbinde dich mit mir!

Sie wußte um seine Natur und fürchtete seinen Fluch. Doch gleichzeitig vertraute sie auf die Macht Raivyas. So antwortete sie: So sei es!
Dann ging sie mit ihm an einen versteckten Ort und ließ ihn dort warten. Als Raivya in die Einsiedelei heimkehrte, fand er die Gattin seines Sohnes Paravasu in Tränen aufgelöst. Erst beruhigte er sie mit sanften Worten, und dann erkundigte er sich nach den Grund ihre Kummers. So erzählte ihm die schöne Dame von Yavakris Handlung und auch von ihrer Antwort.

Da flammte der Zorn im Geist des Weisen hoch lodernd auf, als er von dieser groben Ungezogenheit Yavakris erfuhr. Von leidenschaftlicher Wut beherrscht riß sich der Asket eine seiner verfilzten Locken vom Kopf und opferte sie mit reinen Mantras dem heiligen Feuer. Da entsprang dem Feuer ein Mädchen, welches seiner Schwiegertochter aufs Haar glich. Noch eine Locke wurde dem Feuer dargebracht, und es kam ein schrecklich ausschauender Dämon mit gräßlichen Augen heraus.

Die beiden sprachen zu Raivya: Was sollen wir tun?
Und der wütende Weise gab ihnen zur Antwort: Geht und tötet Yavakri.
Die beiden sprachen gehorsam: Wir werden tun, was du verlangst.

Und gingen davon. Dann verzauberte ihn die Schöne, welche dem großen Herzen von Raivya entsprungen war, und raubte ihm mit ihrem Charme seinen heiligen Wassertopf. So konnte sich Yavakri nicht reinigen, und der Dämon stürmte mit hocherhobenem Speer auf ihn zu. Als er den Angriff erkannte, rannte Yavakri schnell davon und floh zu einer Wasserstelle. Doch sie war trocken und ohne Wasser. Da rannte er weiter zum Fluß, doch auch der führte kein Wasser. Weiter hetzte er zum Bach, See, Teich und nächsten Fluß, doch alle waren ausgetrocknet.

Ständig wurde ihm das Wasser verwehrt, und der schreckliche Dämon folgte ihm mit seinem tödlichen Speer. Verzweifelt versuchte Yavakri schließlich, den Agnihotra Raum seines Vaters zu betreten. Doch ein blinder Shudra Wächter ergriff ihn und hielt ihn an der Tür zurück. Da warf der Dämon seinen Speer, und Yavakri fiel mit durchbohrtem Herzen leblos zu Boden. Nachdem er seinen Auftrag ausgeführt hatte, kehrte der Dämon zu Raivya zurück, und mit Erlaubnis des Weisen lebte er von da an mit der erschaffenen Schönen.
 
Mahabharat Buch 3.137

Bharadvaja betrauert seinen Sohn und geht ins Feuer

Lomasa erzählte:
Nachdem Bharadvaja genügend Feuerholz gesammelt und seine rituellen, täglichen Pflichten erledigt hatte, kam er in seine Einsiedelei zurück. Doch das heilige Agnihotra Feuer, welches ihm sonst freudig grüßend entgegenkam, schwieg still. Dies bemerkte der Asket und fragte seinen blinden Wächter:
Warum, oh Shudra, freut sich das Feuer heute nicht bei meinem Anblick? Auch du freust dich nicht wie sonst. Ist alles in Ordnung mit der Einsiedelei? Ich hoffe nur, daß mein unvernünftiger Sohn nicht zum Weisen Raivya gegangen ist. Oh gib Antwort auf meine Fragen, denn mein Geist zweifelt bereits.

Der Shudra sprach: Dein unvernünftiger Sohn ging wirklich zu Raivya und liegt nun hingestreckt am Boden, geschlagen von einem mächtigen Dämon. Der Rakshasa verfolgte ihn mit einem Speer, und Yavakri wollte mit Gewalt seinen Einlaß hier erzwingen. So hielt ich ihn mit meinen Armen davon ab. Denn er war unrein und fand kein Wasser. Ratlos stand er da, als ihn der Rakshasa mit voller Wucht mit dem Speer durchbohrte.

Da wurde Bharadvaja zutiefst traurig. Weinend umarmte er seinen toten Sohn und begann zu klagen:
Weh mein Sohn, zum Wohle der Brahmanen übtest du Buße, damit dir die Veden offenbar würden, die vorher kein Brahmane studierte. Dein Verhalten zu den Brahmanen war damals gut, und du warst unschuldig zu allen Wesen. Doch weh, du verfielst der groben Frechheit. Ich verbot dir, die Einsiedelei des Raivya zu betreten, weil sie für dich so zerstörerisch wie Yama war. Und trotzdem gingst du hin. Oh, ungnädig ist dieser Mann, der seinem Zorn freien Lauf ließ, obwohl er wußte, daß ich ein alter Mann bin und nur einen Sohn habe.

Wegen Raivya muß ich nun den Verlust meines einzigen Sohnes erdulden. Doch ohne dich, mein Kind, werde ich mein Leben aufgeben, das Kostbarste in der ganzen Welt. Und weil ich wegen der Trauer um meinen Sohn dieses Leben aufgeben muß, soll auch Raivya bald von seinem ältesten Sohn getötet werden, obwohl er unschuldig ist. Gesegnet sind jene, denen niemals Kinder geboren werden, denn sie führen ein unbeschwertes Leben ohne Trauer. Und wie elend sind jene, die aus Zuneigung und besinnungslos vor Kummer um ihr totes Kind sogar ihren liebsten Freund verfluchen. Ich fand mein Kind tot, und habe meinen geliebten Freund verflucht. Oh weh! Welch anderer Mensch in dieser Welt mußte jemals solche Qual erleiden.

So beklagte Bharadvaja seinen Sohn. Dann verbrannte er ihn und trat selbst in die lodernden Flammen ein.
 
Mahabharat Buch 3.138

Arvavasu verehrt den Sonnengott
Durch seiner Gnade werden sein Vater Rivya wie auch Bharadvaja und seinen Sohn aus dem Tod erstanden


Lomasa erzählte weiter:
Zur gleichen Zeit begann König Vrihadyumna ein Opfer. Er war von hohem Ansinnen und so bat er die beiden Söhne von Raivya, Arvavasu und Paravasu, bei der Durchführung aller nötigen Zeremonien zu helfen. Dazu bekamen sie die Zustimmung ihres Vaters und machten sich auf den Weg zum Opfer, während Raivya mit seiner Schwiegertochter in der Einsiedelei zurückblieb. Das Opfer dauerte eine Weile und es geschah, daß Paravasu sich nach seiner Gattin sehnte und allein heimkehrte. Mitten in der Nacht traf er da seinen Vater im Wald, der sich in ein schwarzes Antilopenfell gehüllt hatte. Es war schon sehr spät. Paravasu war schläfrig und beinahe blind in dem dichten Dschungel. Und so verwechselte er seinen Vater mit einem stampfenden Hirsch. Er erschrak, fürchtete um sein Leben und tötete seinen Vater. Dann führte er die Begräbnisriten durch und ging zurück zum Opferfest des Königs.

Dort sprach er zu seinem Bruder: Oh Arvavasu, ich habe aus Versehen unseren Vater getötet. Nun müßtest du allein dieses Amt bewältigen, was du aber nicht kannst. Nur ich, Oh Bruder, kann die Opferriten auch ohne andere Hilfe ausführen. So nimm du für mich das Gelübde auf dich, welches im Falle des Brahmanenmordes beschrieben wird.

Und Arvavasu stimmte zu: Dann führe du den Vorsitz beim Opfer des vielseitig begabten Königs Vrihadyumna. Und ich werde für dich meine Sinne zügeln und das Gelübde befolgen.
Dies tat Arvavasu und kehrte nach Vollendung seines Eides zum Opfer zurück. Doch als Paravasu seinen Bruder wiedersah, sprach er mit bebender Stimme zu Vrihadyumna: Oh König, sieh diesen Brahmanenmörder dort. Er darf nicht an deinem Opfer teilnehmen. Besser, du schaust ihn nicht einmal an, denn schon ein Blick kann dir Böses tun.

Daraufhin ließ der König sofort Arvavasu von seinen Dienern vertreiben, welche ihn beständig „Brahmanenmörder“ schimpften. Arvavasu beteuerte immer wieder: „Ich habe doch gar keinen Brahmanen getötet!“. Zwar sprach er um seiner selbst willen nicht von dem absolvierten Gelübde, doch er erklärte allen, daß sein Bruder die Sünde begangen hatte und er ihn davon gereinigt hätte. Doch alle ärgerliche Verteidigung war vergebens, die Diener glaubten ihm nicht und trieben ihn schimpfend davon. Da zog sich der Weise mit der strengen Buße wieder schweigend in den Wald zurück, nahm dort harte Buße auf sich und suchte Zuflucht beim Sonnengott. Das offenbarende Mantra der Sonne wurde ihm bewußt, und die ewige Gottheit erschien vor ihm.

Die Gottheit war äußerst zufrieden mit Arvavasus Taten und so bat er darum, daß er wieder als Hauptpriester bei Vrihadyumnas Opferfest eingesetzt würde, während man seinen Bruder Paravasu entließ. Auch wurden Arvavasu verschiedene Segen gewährt, und er bat darum, daß sein Vater wieder zum Leben erweckt würde, daß sein Bruder von der Sünde befreit, Bharadvaja und sein Sohn Yavakrita wieder leben und die Offenbarung der Sonne auf Erden ein Fest würde.

Die Gottheit sprach: So sei es.

Und gewährte ihm noch manchen Segen mehr. So geschah es, oh Yudhishthira, daß alle wieder ins Leben kamen.

Und Yavakrita fragte sogleich die Gottheit: Ich erhielt das Wissen aller Veden und übte auch Enthaltsamkeit. Wie kam es, oh Bester der Himmlischen, daß Raivya mich auf diese Weise überwältigen konnte?

Die Antwort war: Oh Yavakrita, handle niemals wieder so, wie du es getan hast. Und was deine Frage anbetrifft: Du hast die Veden ohne Mühe und ohne Hilfe eines Lehrers geschenkt bekommen. Doch Raivya hat sich um ihretwegen lange bemüht, hat seinem Lehrer mühevoll gedient, ihn mit seinem Betragen erfreut und von ihm endlich nach langer Zeit und großer Anstrengung die Veden erhalten.

Sprach’s und stieg zum Himmel auf. Hier, oh Yudhishthira, ist die Einsiedelei des Weisen mit ihren blühenden Bäumen und Früchten aller Jahreszeiten. Wenn du hier verweilst, oh Tiger unter den Königen, wirst du von allen Sünden befreit.
 
Mahabharat Buch 3.139

Am Mandara Berg, die Stätte Kuveras - der Schatzmeister der Sura Götter

Lomasa sprach: Sieh, oh König, wir haben nun die Berge Usiravija, Mainaka, Sweta und auch Kala hinter uns gelassen. Vor uns ergießen sich die sieben Gangas. Dieser Ort ist rein und heilig. Agni lodert hier ohne Unterbrechung. Kein gewöhnlicher Sohn des Manu ist in der Lage, dieses Wunder zu sehen. Deshalb konzentriert euch, ihr Söhne Pandus, damit ihr vielleicht die Tirthas doch schauen könnt. Siehst du hier, oh König, den Spielplatz der Götter, mit ihren Fußabdrücken übersät. Laß uns nun den weißen Berg Mandara erklimmen, auf dem der Yaksha Manibhadra und auch Kuvera, der König der Yakshas, wohnen.

Hier warten achtzigtausend flinke Gandharvas, viermal so viele Kimpurushas und Yakshas in allen Gestalten und Formen und mit verschiedensten Waffen dem Manibhadra auf. In diesen Regionen ist ihre Macht besonders groß, und sie sind so schnell wie der Wind. Sie könnten ohne Zweifel sogar den Herrn der Himmlischen von seinem Thron stoßen. Und so sind die Berge hier unerreichbar, denn Yakshas und Rakshasas beschützen sie.

Also, Sohn der Pritha, konzentriere deinen Geist. Außerdem werden wir die furchtbaren Anführer und Minister von Kuvera und seinem Rakshasa Gefolge treffen. Sammle deine Energien für diese Begegnung. Der Berg Kailash ist sechs Yojanas hoch. Auf ihm wächst ein gigantischer Jujube Baum. Zahllose Götter, Yakshas, Rakshasas, Kinnaras, Nagas, Suparnas und Gandharvas überqueren diesen Pfad auf ihrem Weg zu Kuveras Palast. Du wirst dich heute unter sie mischen, von mir, Bhimas Kräften und deiner eigenen Askese und Selbstbeherrschung beschützt.

Mögen König Varuna, der in Kämpfen immer siegreiche Yama, die Ganga und Yamuna, dieser Berg, die Maruts und Aswin Zwillinge und alle Flüsse und Seen für deine Sicherheit sorgen. Mögest du Strahlender sicher sein vor den Himmlischen, den Asuras und den Vasus. Oh Göttin Ganga, ich höre dein Getöse vom goldenen Berg, der Indra so heilig ist. Oh Göttin des hohen Schicksals, beschütze in diesen Bergen den König, den alle aus dem Geschlecht der Ajamida ehren. Oh Tochter des Bergkönigs, der König möchte diese bergige Region betreten. Gewähre ihm deinen Schutz.

Dann bat Lomasa Yudhishthira noch einmal, achtsam zu sein. Dies alarmierte Yudhishthira, und er sprach zu seinen Brüdern:
Lomasa war nie zuvor so besorgt. Seid alle achtsam und beschützt Draupadi. Lomasa kennt den Ort. Sicher ist das Wandern hier sehr schwierig. Also praktiziert die höchste Reinheit.
Speziell zu Bhima sprach er: Oh Bhimasena, wache du besonders sorgfältig über Draupadi. Ob Arjuna nun nah oder fern sei, in Zeiten der Gefahr wird sie immer bei dir allein Schutz suchen.

Dann ging der hochbeseelte Monarch zu den Zwillingen Nakula und Sahadeva, schnupperte an ihren Häuptern, umarmte sie liebevoll und sprach mit Tränen in den Augen: Fürchtet nichts, aber bewegt euch stets achtsam!
 
Mahabharat Buch 3.140

Gespräch unter Brüdern

Dann überlegte Yudhishthira und sprach:
Oh Bhima, hier gibt es mächtige und unsichtbare Geister. Doch wegen des Verdienstes aus unserer Askese und des Agnihotra Opfers werden wir die Gegend durchqueren können. So bezähme Hunger und Durst und sammle deine Energien. Besinn dich deiner Stärke und Klugheit. Du hast gehört, was der Weise Lomasa über den Berg Kailash gesagt hat. Denk nach, wie Draupadi den Berg besteigen soll. Es wäre auch möglich, oh mächtiger Bhima mit den großen Augen, daß du hier umkehrst, Sahadeva, Draupadi, alle Wagenlenker, Köche, Diener, Pferde und Wagen nebst den ermüdeten Brahmanen mit dir nimmst, und, alle sorgsam beschützend, an der Quelle der Ganga auf mich wartest. Und ich werde mit Nakula und dem asketischen Lomasa mit der leichtesten Nahrung und den strengsten Gelübden aufsteigen.

Doch Bhima antwortete:
Oh Nachfahre des Bharata, obwohl die gesegnete Prinzessin unter Anstrengung und Kummer schwer leidet, so wandert sie doch leicht dahin in der Hoffnung, bald Arjuna wiederzusehen. Auch du bist ganz niedergeschlagen aus Sehnsucht nach unserem hochbeseelten, unerschrockenen Bruder. So ist es ganz und gar überflüssig zu erwähnen, daß die Trennung von Sahadeva oder Draupadi deine Bekümmertheit ganz sicher noch vergrößern würde. Die Brahmanen mögen mit Wagen und Dienern umkehren, unter welchem Kommando auch immer. Doch ich werde dich in dieser rauhen, schroffen, von Rakshasas bewohnten und kaum bezwingbaren Gegend niemals verlassen.

Und, oh Tiger unter den Männern, auch diese Prinzessin mit dem edlen Schicksal würde niemals wünschen, ohne dich umzukehren, ihren Gatten hingegeben, wie sie ist. Auch Sahadeva folgt dir immerzu ergeben und wird seine Schritte niemals von den deinen scheiden. Ich kenne ihn gut. Wir alle sind begierig, oh König, Arjuna zu sehen. Und so werden wir alle zusammen gehen. Wenn wir nicht mit unseren Wagen über den steilen Berg kommen, dann gehen wir eben zu Fuß. So sorge dich nicht, oh König. Ich werde die Panchala Tochter tragen, wenn sie nicht mehr laufen kann. Dazu bin ich fest entschlossen. So erlaube deinem Geist keine Unruhe. Und wenn es nötig ist, dann trage ich auch die Zwillinge, diese Helden mit den schlanken Körpern über die schwierigen Stellen.

Yudhishthira sprach:
Möge sich deine Kraft noch erhöhen, oh Bhima, weil du so hingebungsvoll bereit bist, Draupadi und die Zwillinge zu tragen. Gesegnet seist du! Solche Entschlossenheit lebt in keinem anderen. Möge deine Stärke, dein Ruhm, dein Verdienst und dein Ruf weiter anwachsen! Oh Langarmiger, wegen deines Angebotes, die Ermüdeten zu tragen, mögest du niemals selbst ermüden oder Niederlagen erleiden.

Dann sprach die bezaubernde Draupadi mit einem Lächeln: Oh Yudhishthira, ich werde selber laufen können. Mach dir wegen mir keine Sorgen.
Nun ergriff Lomasa das Wort: Nur durch die Kraft der Askese erlangt man Zugang zum Berg Gandhamadana. Deswegen sollten wir Enthaltsamkeit üben, oh Sohn der Kunti, damit Nakula, Sahadeva, Bhima, du und ich deinen Bruder mit den weißen Rossen erblicken (Arjuna).

Nach all diesen Gesprächen sahen sie mit Entzücken das weite Reich von König Suvahu im Himalaya vor sich. Hier gab es viele Pferde und Elefanten, die Kiratas und Tanganas wohnten dicht beieinander, die Himmlischen waren oft zu Gast und überall waren Wunder zu entdecken. König Suvahu, der Herr der Pulindas, empfing sie freudig an der Grenze seines Reiches und zollte ihnen angemessenen Respekt. Sie lebten eine Weile mit allem Komfort bei ihm und begannen ihre Reise in den Himalaya an einem klaren und sonnigen Tag. All ihre Diener, Indrasena und die anderen, die Köche und Kellner nebst Draupadis Ausstattung, überließen sie vertrauensvoll der Obhut König Suvahus. Mit großer Achtsamkeit verließen die heldenhaften Wagenkrieger gemeinsam mit Draupadi das Land, und alle waren freudiger Hoffnung, Arjuna zu sehen.
 
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Mahabharat Buch 3.141


Die Handlungen, die eine Person in einem früheren Leben beging, verschwinden nicht

Yudhishthira sprach: Oh Bhima, Panchali und ihr Zwillinge, hört auf meine Worte.
Die Handlungen, die eine Person in einem früheren Leben beging, verschwinden nicht.
Schaut, wir wurden zu Wanderern in der Wildnis. Um Arjuna zu sehen, schleppen wir uns müde und kummervoll durch kaum passierbare Gegenden und stützen uns gegenseitig. Das brennt in mir wie ein Haufen trockener Baumwolle im Feuer lodert. Ach, ich sehe nirgends Arjuna an meiner Seite. Mit meinen anderen Brüdern lebe ich im Wald und sehne mich nach ihm. Diese Sehnsucht und die Erinnerung an die schwere Demütigung von Draupadi verzehren mich.

Ach Bhima, wo ist unser unbesiegbarer Partha (Arjuna) mit seinem starken Bogen und der unvergleichlichen Energie? Wo ist der ältere Bruder der Zwillinge? Ich fühle mich so elend. Um diesen standhaften Helden wiederzusehen, wandere ich seit fünf Jahren von Tirtha (Pligerort) zu Tirtha, durch wunderschöne Wälder und an traumhaften Teichen entlang, und nirgends kann ich ihn sehen. Ach, elend bin ich!

Wo ist der langarmige Gudakesha (Arjuna) von dunkler Tönung und löwenhaft edlem Gang? Wo ist der geschickte Krieger und unvergleichliche Bogenschütze? Wo ist Dhananjaya (Arjuna) , der unter dem Stern Phalguni geboren wurde und unter den Feinden sich frei bewegt wie Yama zur Zeit der universalen Auflösung? Er hat den Heldenmut eines Elefanten, dem zur Brunftzeit der Saft die Schläfen entlang rinnt. Er hat die Schultern eines Löwen. Er ist Shakra (Indra) an Macht und Energie nicht unterlegen, der unvergleichliche und unbesiegbare Held mit den weißen Rossen. Ach, Bhima, ich bin elend!

Er ist immer versöhnlich gesinnt, selbst wenn ihn das gemeinste Individuum zu beleidigen sucht. Er gewährt den Gerechten Gewinn und Schutz. ... In Heldenmut gleicht Arjuna dem Vasudev-Krishna (eine Prabhava Form Krishnas welche unterschiedlich von Vrindavan-Krishna ist, dessen Süße seine Opulenz und Mächtigkeit bedeckt). ...

Dieser Vernichter aller Feinde folgt Balaram und Vasudeva-Krishna nach, was unbezwingbare Macht anbelangt. ... Oh mächtiger Bhima, um den kriegerischen Tiger unter den Männern endlich zu sehen, reisen wir zum Gandhamadana Gipfel, wo die Einsiedelei von Nara und Narayana (Formen von Arjuna und Krishna in einem früheren Leben) ist und der gefeierte Jujube Baum steht, den viele Yakshas bevölkern. ... Diesen Ort kann kein Wagen erreichen, und auch kein grausamer, habgieriger oder jähzorniger Mensch...

Nur die Unreinen
werden von Fliegen, Bremsen, Moskitos, Tigern, Löwen und Reptilien gequält. Die Reinen gehen durch sie hindurch. So laßt uns unsere Nahrung beschränken, die Sinne üben und endlich Arjuna auf dem Gandhamadana wiedersehen.
 
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