Mahabharata

Mahabharata 2. Buch
Digvijaya Parva – Die Eroberung der Welt


32 – Nakulas Feldzug

Vaisampayana fuhr fort: Ich werde dir nun von den Taten und Siegen Nakulas berichten, und wie dieser Hohe den Bereich eroberte, den einst Vasudeva unterwarf. Der kluge Nakula begab sich mit einer großen Armee auf den Marsch gen Westen und ließ die Erde vom Kriegsgeschrei seiner Krieger und dem lauten Getöse der Wagenräder erzittern. Zuerst griff der Held das Land namens Rohitaka an, welches Kartikeya lieb und mit entzückenden Reichtümern, wogenden Feldern und Kühen angefüllt war. Der Kampf mit den Mattamayurakas dort war heftig und schlimm. Danach eroberte der ruhmreiche Nakula das ganze Wüstenland und die Regionen voller Überfluß, welche als Sairishaka und Mahetta bekannt sind.

Dort hatte der Held einen schrecklichen Kampf mit dem königlichen Weisen Akrisha (Akrosa). Doch der Sohn des Pandu verließ das Land und hatte die Dasarnas, Sivis, Trigartas, Amvashtas, Malavas, die fünf Stämme der Karnatas, die Zweifachgeborenen namens Madhyamakeyas und die Vatadhanas besiegt. Im weiten Bogen marschierte der Bulle unter den Männern und unterwarf auf seinem Weg die Utsava-sanketas. Danach brachte der Held die mächtigen Gramaniyas unter seine Kontrolle, welche am Ufer des Meeres lebten, auch die Sudras und Abhiras am Ufer der Sarasvati, alle Fischerstämme dorten, die Bergvölker und das ganze Land, welches nach den fünf Flüssen benannt war.

Er eroberte das Gebirge Amara, das Land Uttara-yotisha, die Stadt Divyakuta und die Stämme namens Dwarapala. Mit großer Kraft unterwarf der Sohn des Pandu die Ramathas, die Hara-hunas und die vielen Könige des Westens. Unterwegs sandte der Held Boten zu Vasudev, und auch er und alle Yadavas akzeptierten seinen Anspruch. Von dort begab sich der mächtige Held nach Sakala, der Hauptstadt der Madras, und gewann seinen liebenden Onkel Shalya für die Herrschaft der Pandavas. Auch genoß er die wohl verdiente Gastfreundschaft und Zuneigung seines Onkels, nahm von ihm große Mengen an Juwelen und Perlen, und zog weiter.

Anschließend unterwarf er die sich heftig wehrenden Mlecha Stämme an der Meeresküste, wie auch die wilden Stämme der Palhavas, Kiratas, Yavanas und Shakas. Nachdem er viele Monarchen unterworfen und ihnen Tribut abverlangt hatte, wandte der Beste der Kurus reich beladen seine Schritte heimwärts. Der Schatz, den Nakula errungen hatte, war so groß, daß zehntausend Kamele nur mit Mühe die Lasten auf ihrem Rücken schleppen konnten. In Indraprastha angekommen, präsentierte der heldenhafte und glückliche Sohn der Madri alle Reichtümer dem Yudhishthira.

So, oh König, eroberte Nakula die Länder des Westens, den Bereich, über den der Gott Varuna herrscht und die zuvor von Vasudeva selbst erobert worden waren.
 
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Rajasuyika Parva – Die Königsweihe


33 – Krishna kommt nach Indraprastha

Vaisampayana erzählte: ... In jenen Tagen sprachen selbst Räuber und Betrüger untereinander keine Lügen aus, nicht zu reden von den Getreuen des Königs. Es gab weder Dürre noch Überschwemmung, keine Seuchen, Feuersbrünste oder vorzeitigen Todesfälle in der Zeit, in der Yudhishthir der Tugend hingegeben war. Andere Monarchen suchten Yudhishthira nur auf, um ihm gern Dienste zu leisten, ihn zu ehren oder ihm Tribut anzubieten, welcher sie nicht verarmen ließ. ... Als der Sohn der Kunti die Größe seines Schatzes begutachtete, fühlte er die Zeit für das große Opfer gekommen. Alle seine Freunde und Beamte traten zu ihm und versicherten: „Die Zeit für dein Opfer ist gekommen, oh du Hoher. Beginne mit den Vorbereitungen und warte nicht länger.“

Zu dieser Zeit kam Krishna zu Besuch.
Und dieser Allwissende und Uralte, diese Seele der Veden,
dieser Unsichtbare, der von Wissenden beschrieben wurde,
dieser Beste unter allen bleibenden Existenzen des Universums,
der Ursprung aller Dinge und derjenige, in den sich alles wieder auflöst,
der Herr von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, mit Namen Kesava, Vernichter von Keshi,
das Bollwerk aller Vrishnis, der Zerstreuer aller Ängste in Zeiten der Not,
der Vernichter aller Feinde kam mit einer großen Armee zu Yudhishthira und brachte Berge von Schätzen mit.

Er erreichte die schöne Stadt der Pandavas und erfüllte die Luft mit dem Geratter seiner Wagenräder. ... Die ganze Stadt freute sich über seine Anwesenheit, wie ein dunkler Ort über die Sonne oder ein windstiller Platz über eine kühle Brise. Yudhishthir trat ihm freudig und mit allem Respekt entgegen, hieß ihn willkommen und erkundigte sich nach seinem Wohlergehen. Dann ließ sich Krishna entspannt nieder und der Sohn des Pandu wandte sich mit Dhaumya, Dwaipayana und den anderen Priestern, mit Bhima, Arjuna und den Zwillingen an Krishna.

Yudhishthira sprach: Oh Krishna, für dich halte ich die ganze Erde unter meiner Herrschaft. Deine Gnade ließ mich großen Reichtum erringen. Oh Madhava, ich wünsche, all diesen Reichtum den Traditionen gemäß den hohen Brahmanen zu widmen und dem Überbringer der Opfergaben. Oh Sohn von Devaki mit den mächtigen Armen, gewähre mir die Erlaubnis, ein großes Opfer mit dir und meinen jüngeren Brüdern durchzuführen. Oh Govinda, eröffne du selbst das Opfer, denn wenn du das Opfer anführst, werde ich von allen Sünden gereinigt. Oder gewähre es mir, das Opfer mit meinen Brüdern anzuführen, du Hoher. Denn wenn du es gestattest, oh Krishna, werde ich in der Lage sein, die vorzüglichen Früchte des Opfers zu genießen.

Und Krishna antwortete voller Tugend: Oh du Tiger unter den Männern, du verdienst die herrschaftliche Würde. Das Opfer solltest du anführen. Denn wenn du das Opfer durchführst und seine Früchte erntest, werden wir uns alle als von Erfolg gekrönt betrachten. Ich wünsche dir immer alles Gute. So führe das von dir gewünschte Opfer. Übergib mir eine Aufgabe gegen Ende des Opfers. Ich werde all deinen Befehlen folgen.

Yudhishthira sagte: Oh Krishna, mein Entschluß ist bereits fruchtbar und der Erfolg sicher, wenn du, oh Hrishikesha, meinem Wunsch gemäß hier angekommen bist.

Vaisampayana fuhr fort: So begannen die Söhne des Pandu sich um alles zu kümmern, was für das Rajasuya Opfer benötigt wurde. ...

... Der Sohn Satyavatis selbst (Vyasa Dwaipayana) wurde der Brahma des Opfers. Susaman wurde der Sänger der vedischen Hymnen. Der Brahma hingegebene Yajnavalkya wurde der Adhyaryu, Paila und die Söhne von Vasu und Dhaumya wurden die Hotris, und deren vedenkundigen Söhne und Schüler übten die Ämter der Hotragas aus. ... Als alle nötigen Gebäude fertig waren, sprach Yudhishthira zu Sahadeva: „Entsende nun sogleich schnelle Boten und lade alle zum Opfer ein.“ ...

Vaisampayana sprach: .... Zur rechten Zeit wurde dann Yudhishthira von den Brahmanen zum großen Rajasuya Opfer geweiht. Nachdem diese Zeremonie vorüber war, betrat Yudhishthira, dieser tugendhafte und gerechte König, wie Gott Dharma selbst den Opferplatz, von tausenden Brahmanen, seinen Brüdern, Verwandten, Freunden, Beratern, Ministern und zahllosen Kshatriyas aus aller Herren Länder umgeben. ... . Nun sandte Yudhishthira seinen Bruder Nakula nach Hastinapura, damit er Bhishma, Drona, Dhritarashtra, Vidura, Kripa und alle seine Cousins einlud, die ihm wohlgesinnt waren.
 
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Rajasuyika Parva – Die Königsweihe


34 – Die Kshatriyas kommen zum Opfer

Der allseits siegreiche Nakula begab sich also nach Hastinapura und lud Bhishma und Dhritarashtra in aller Form ein. Gerne kamen da die Älteren der Kurus zum Opfer und ließen Brahmanen vorangehen. Hunderte anderer Kshatriyas kamen auch, nachdem sie vom Opfer des Yudhishthira erfahren hatten, denn sie wußten um das Wesen des Opfers und wünschten, Yudhishthir in seinem Opferhaus zu sehen und ihm viele kostbare Juwelen darzubringen.

Es kamen Dhritarashtra, Bhishma, der überaus kluge Vidura, alle Kaurava Brüder mit Duryodhana an der Spitze, ... und zahllose andere Könige aus vielen Ländern.

Auf Geheiß von Yudhishthira bekamen alle Monarchen eine Unterkunft zugewiesen, welche reichlich mit Essen ausgestattet war, schönen Wasserstellen und großen Bäumen. Auch ehrte und grüßte der Sohn von Dharma alle ankommenden Monarchen gemäß ihres Ranges. Vom König geehrt zogen sich die Gäste in ihre Häuser zurück und genossen die weißen und hohen Räume, die dem Gipfel des Kailash glichen, wunderschön anzuschauen waren und mit allen Annehmlichkeiten an Möbeln ausgestattet waren.

Die Wände waren edel erbaut und hell, die Fenster mit goldenem Netzwerk geziert, und innen glänzte alles mit funkelnden Perlen. Die Treppen waren leicht zu ersteigen und die Flure mit kostbaren Teppichen belegt. Überall hingen Blumengirlanden, und es duftete nach vorzüglicher Aloe. Schon von weitem glänzten die schneeweißen Gebäude und sahen so schön wie Schwäne aus. Die Eingänge und Türen waren gleichmäßig angeordnet und weit genug, um auch eine große Menge Menschen durchzulassen.

Sie waren mit vielen kostbaren Dingen ausgestattet, und mit ihrem metallisch glänzenden Schmuck glichen sie den Gipfeln des Himavat. Die Monarchen ruhten sich nach ihrer Anreise in den schönen Unterkünften eine Weile aus, und gingen dann, König Yudhishthir zu schauen, wie er von zahllosen Opferpriestern umgeben war, das Opfer durchführte und immer große Geschenke an die Brahmanen gab. So glich der Opferplatz mit den schönen Häusern und den vielen Königen, Brahmanen und großen Rishis dem mit Göttern angefüllten Himmel selbst.
 
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Rajasuyika Parva – Die Königsweihe

35 – Die Verteilung der Aufgaben

Krishna, das Zentrum der Welten, und um den sich alle Wesen bewegen,
wusch aus eigenem Willen die Füße der Brahmanen

Nachdem Yudhishthir seinen Großvater und seine Lehrer begrüßt und geehrt hatte, sprach er zu Bhishma, Drona, Kripa, dessen Sohn und Duryodhana: „Bitte gewährt mir euer Wohlwollen bei diesem Opfer. Dieser große Schatz hier ist euer. Beratet euch und leitet mich nach eurem Gutdünken an.“ Dann übergab der älteste Sohn des Pandu einem jeden eine passende Aufgabe. Dushasana bekam die Oberaufsicht über die Nahrungsbeschaffung. Aswatthaman wurde gebeten, den Brahmanen zur Seite zu stehen. Sanjaya wurde übertragen, alle geladenen Könige zu grüßen und ihnen Ehren zu erweisen. Die klugen Bhishma und Drona wachten darüber, was bereits erledigt und noch zu tun sei.

Kripa hatte die Aufsicht über die Diamanten, das Gold, die Perlen und Juwelen und die Gaben an die Brahmanen. Und noch viele andere edle Kshatriyas übernahmen ähnliche Aufgaben bei diesem Opfer. Valhika, Dhritarashtra, Somadatta und Jayadratha erfreuten sich unter der Führung von Nakula daran, Meister des Opfers zu sein. Der tugendhafte Vidura war ebenfalls für die Verteilung von Reichtum zuständig. Duryodhan nahm den Tribut in Empfang, welchen die Könige brachten. Krishna, welcher das Zentrum der Welten war und um den sich alle Wesen bewegten,
wusch aus eigenem Willen die Füße der Brahmanen,
um sich hervorragenden Verdienst zu gewinnen.

Jeder königliche Gast wollte die Sabha (Versammlungshalle) und den gerechten Yudhishthir sehen, und keiner gab weniger als tausend Münzen oder Kühe. Jeder ehrte König Yudhishthir mit großen Mengen an Juwelen. Die Könige wetteiferten sogar miteinander, damit Yudhishthir auch ja mit ihren Reichtümern das Opfer vollenden könne. Der Opferplatz sah wunderschön aus mit den Wachen und Kriegern, den Unterkünften für die Brahmanen, den Scharen von Königen, die vor Schönheit und Reichtum nur so strotzten, und all den herrschaftlichen Häusern, die so gebaut waren, als ob sie ewig halten sollten, und sich so hoch reckten, daß ihre Spitzen die Wagen der Götter streiften, welche gekommen waren, das Opfer zu schauen.

Yudhishthir, welcher sich mit Varuna in Prunk zu messen schien, ließ das Opfer mit sechs Feuern und reichen Gaben an die Brahmanen beginnen. Der König stellte jeden zufrieden mit allen Arten von Geschenken, die man sich nur wünschen konnte. Es gab Berge von Reis und alle Arten von Essen, so daß die riesige Menschenmenge übersatt war. Die Götter waren sehr erfreut über Ida, geklärte Butter, Mantras, Zaubersprüche und Homa in diesem Opfer, welche die großen Rishis darbrachten. Und wie die Götter, so waren auch die Brahmanen und das Volk mit den Opfergaben, dem Essen und dem großen Reichtum höchst zufrieden.
 
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Arghyaharana Parva – Das Gastgeschenk

36 – Die Darbringung von Arghya am Ende des Opfers

Am letzten Tag des Opfers, als der König mit dem heiligem Wasser besprenkelt werden sollte, begaben sich die großen, respektgebietenden Brahmanen und die eingeladenen Könige zum inneren Bereich des Opferplatzes. Die ruhmreichen Brahmanen mit Narada an der Spitze und all die königlichen Weisen saßen entspannt in der Runde und gaben ein Bild ab, als ob die Götter nebst den himmlischen Rishis in Brahmas Wohnstatt beisammen saßen. Schon bald entspannen sich überall Gespräche, und man hörte: „Dies ist so!“, „Dies ist nicht so.“, „Das ist genau so.“ oder „Das kann nicht anders sein.“ Bei einigen unter den Diskutierenden wurden die schwächeren Standpunkte mit wohlgewählten Argumenten plötzlich in die bessere Position gebracht und umgekehrt. ...

Oh König, der Platz mit all den Göttern, Brahmanen und großen Rishis war wunderschön anzusehen wie ein weites Stück Himmel mit funkelnden Sternen. Kein Gemeiner war in der Nähe und keiner, der ohne Gelübde lebte.

Als Narada den Wohlstand des gesegneten Yudhishthira betrachtete, welcher aus dem Opfer erwachsen war, war er sehr zufrieden. Dann beschaute er sich die große Menge an Kshatriyas und wurde nachdenklich. Er erinnerte sich an die Worte über die Inkarnationen von Göttern auf Erden, die er einst in Brahmas Haus hörte. Und wissend, daß diese Menge eine Ansammlung von Göttern war, konzentrierte er sich auf Hari mit den Lotusaugen. Der Schöpfer selbst, dieser Höchste aller Götter, Narayan, hatte einst gesagt: „Nehmt eure Geburt auf Erden, vernichtet euch gegenseitig und findet zurück in den Himmel.“ Dann kam dieser Bezwinger aller Feinde selbst herab, um seine eigenen Worte zu erfüllen, und nahm seine Geburt im Geschlecht der Kshatriyas.

Narada wußte, daß der hohe und heilige Narayan, auch Shambhu genannt, der Herr des Universums, im Geschlecht der Yadu geboren worden war, in der Linie der Andhaka Vrishnis. Und daß er leuchtete wie der Mond unter den Sternen und mit einem glücklichen Schicksal gesegnet war. Die Stärke seiner Arme wurde immer von den Göttern und Indra selbst gepriesen. Hari, dieser Zermalmer aller Feinde, lebte nun in Gestalt eines Menschen. Und der allwissende Narada dachte: „Oh, der Selbsterschaffene ist gekommen, um diese große Menge von starken Kshatriyas von der Erde zu entfernen.“, denn er erkannte Hari als den Höchsten Gott, den jeder in seinen Opfern ehrte. So saß der kluge und tugendhafte Narada inmitten der fröhlichen Menge beim Opfer des weisen Yudhishthira und war mit ehrfürchtigen Gefühlen erfüllt.

Dann sprach Bhishma zu König Yudhishthira, dem Gerechten: Oh Bharata, laß jedem König das Arghya (Gastgeschenk) bringen, wie es ihm gebührt. Denn wisse, oh Yudhishthira, dem Lehrer, dem Opferpriester, den Verwandten, Snatakas, Freunden und dem König gebührt das Arghya. Die Weisen sagen, wenn einer dieser sechs für ein Jahr mit einem zusammenlebt, dann verdient er die Ehrung mit Arghya. Mit diesen Königen sind wir nun schon lange zusammen. Biete ihnen daher das Arghya an. Und biete es dem zuerst an, welcher der Vorzüglichste unter ihnen ist.

Yudhishthira fragte ihn daraufhin: Oh Großvater, wen hältst du für den Besten unter ihnen und wem sollen wir also zuerst das Arghya anbieten? Bitte sag es mir... So antwortete Bhishma: Wie die Sonne unter allen leuchtenden Objekten, so scheint dieser wie die Sonne unter allen aufgrund seiner Energie, seiner Stärke und seines Heldenmutes. Unser Opferplatz wird von ihm erleuchtet wie eine dunkle Region von der Sonne, oder wie ein stickiger Ort durch eine kühle Brise erfrischt wird.

Diesen Worten Bhishmas folgend präsentierte der majestätische Sahadeva das Arghya mit den vorzüglichen Zutaten zuerst Krishna aus dem Geschlecht der Vrishni. Und Krishna nahm es entsprechend der Tradition an. Doch Sisupala konnte diese Ehre für Vasudev (Krishna) nicht ertragen. Inmitten der Versammlung tadelte der mächtige König der Chedi sowohl Bhishma als auch Yudhishthir und beleidigte anschließend Krishna.
 
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Arghyaharana Parva – Das Gastgeschenk


37 – Sisupalas Rüge; die Pandavas und Krishna selbst werden beleidigt

Sisupala ereiferte sich: Oh du aus dem Geschlecht der Kurus, inmitten all dieser ruhmreichen Monarchen verdient dieser aus dem Geschlecht der Vrishnis am wenigsten die Würden eines Königs. Oh Sohn des Pandu, dein mutwilliges Verehren dieses Lotusäugigen (Krishna) ist eines heroischen Pandavas nicht würdig. Ihr Söhne des Pandu seid wie Kinder! Ihr wißt nicht, was Moral bedeutet, denn sie ist sehr subtil. Selbst der unverständige Sohn der Ganga (Bhishma) hat die Grenzen der Moral mit diesem Ratschlag übertreten. Oh Bhishma, wenn ein Tugendhafter und Gerechter wie du aus eigenwilligen Motiven handelt, dann müssen ihn die Weisen und Tugendhaften tadeln. Wie kann dieser aus dem Geschlecht der Dasarha (Krishna), der selbst kein König ist, die Ehren eines Königs verdienen, daß ihr ihn solchermaßen erhebt?

Oh Bulle der Kurus, du kannst Krishna nicht als den Ältesten an Jahren erachten, denn hier ist sein Vater Vasudev. Und wie kannst du ihn für deinen Wohltäter und Unterstützer halten, wenn Drupada hier ist? Erachtest du Krishna als deinen Lehrer? Wie kannst du ihn dann zuerst ehren, wenn Drona anwesend ist? Ist er für dich ein Opferpriester? Doch wie kann er der Erste sein, wenn der altehrwürdige Dwaipayana hier ist? Der alte Bhishma, Sohn des Shantanu, ist hier, welcher nur sterben kann, wenn er es wünscht. Wie kannst du Krishna vor ihm ehren?

Wenn der tapfere Aswatthaman anwesend ist, welcher in allen Zweigen des Wissens vorzüglich ist, wie kannst du Krishna als Ersten ehren? Wenn dieser König der Könige, Duryodhana, hier ist, und Kripa, der Lehrer der Bharata Prinzen, wie konnte Krishna von dir als erstes gehrt werden? Oh Sohn des Pandu, du übergingst Druma, den Lehrer der Kimpurushas, und ehrtest Krishna.

Hier sind der unbesiegbare Bhishmaka, der mit glücksverheißenden Zeichen gesegnete König Pandya, Rukmi, Ekalavya und Shalya, der König der Madras. Warum hast du Krishna das Arghya zuerst angeboten? Hier ist der vor Kraft strotzende Karna, der Lieblingsschüler des Sohnes vom Brahmanen Jamadagni, der mächtige Held, welcher im Kampf alle Monarchen nur mit seiner Stärke besiegt hat. Wie konntest du ihn übergehen und Krishna die erste Gabe anbieten?

Der Töter von Madhu (Krishna) ist weder Opferpriester, Lehrer noch König. Daß du ihn zuerst geehrt hast, kann nur dem Motiv des Gewinns entspringen, oh Anführer der Kurus. Warum hast du die andere Monarchen hergebeten? Um sie so zu beleidigen? Wir haben dem ruhmreichen Sohn der Kunti nicht aus Angst oder Gewinnsucht Tribut gezahlt, noch weil wir dazu überredet wurden oder ihm schmeicheln wollten. Wir haben ihm Tribut gezollt, weil er aus tugendhaften Motiven nach der imperialen Würde verlangte.

Doch nun hält er uns für gering. Denn warum sonst, ihr Könige, sollte er Krishna als erstes ehren, als uns damit zu beleidigen? Er trägt nicht die Zeichen der Königswürde und bekam doch das Arghya inmitten der versammelten Monarchen. Den Ruf, gerecht zu sein, bekam Yudhishthir ohne Grund, denn wer würde solch unwürdige Ehre einem Untugendhaften anbieten? Dieser aus dem Geschlecht der Vrishnis (Krishna) tötete den ruhmreichen Jarasandha mit unfairen Mitteln. Die Gerechtigkeit hat heute Yudhishthir verlassen, und sein gemeines Wesen kam zum Vorschein, weil er Krishna das Arghya angeboten hat.

Oh Krishna, wenn die ängstlich verwirrten Söhne der Kunti sich dem Niederen zuwenden, dann solltest du sie erleuchten und nicht noch bestärken. Warum hast du die Ehre angenommen, derer du unwürdig bist und welche dir von diesen niedrig gesinnten Prinzen angeboten wurde? Du hältst wohl viel von dieser unwerten Ehre, wie ein Hund, der sich geklärte Butter geschnappt hat und sie nun abseits verschlingt. Oh Krishna, nicht nur die Könige wurden beleidigt, sondern auch du. Wahrlich, oh Vernichter von Madhu, diese königliche Ehre ist für dich, der du kein König bist, was eine Gattin für einen impotenten Mann oder ein wunderbarer Anblick für einen Blinden ist. Wer Yudhishthir ist, wurde sichtbar. Wer Bhishma ist, wurde klar. Und auch wer Vasudev ist, liegt nun auf der Hand. Sie alle haben sich enthüllt.

Vaisampayana erzählte weiter: Nach diesen Worten erhob sich Sisupala von seinem exzellenten Sitz und verließ mit einigen anderen Königen die Versammlung.
 
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Arghyaharana Parva – Das Gastgeschenk


38 – Die Qualities Krishnas

Hastig eilte da Yudhishthira Sisupal hinterher und sprach mit sanfter Stimme versöhnlich auf ihn ein:
Oh Herr der Erde, was du gesagt hast, paßt so gar nicht zu dir. Oh König, deine Worte waren höchst sündhaft und unnötig grausam. Beleidige nicht Bhishma, oh König, indem du behauptest, er kenne die Tugend nicht. Schau, all die vielen Könige, sie sind viel älter als du und loben die Ehre, welche Krishna angeboten wurde. Es ziemt sich für dich, es wie sie geduldig zu ertragen. Oh Herrscher der Chedi, Bhishma kennt Krishna wahrhaftig. Du kennst ihn nicht so gut wie Bhishma aus dem Geschlecht der Kurus.

Dann ergriff Bhishma erneut das Wort:
Wer die Ehren für Krishna, diesen Ältesten im Universum, ablehnt, verdient weder sanfte Worte noch Versöhnung. Der Kshatriya Anführer, welcher einen anderen Krieger in der Schlacht besiegt und unterworfen hat, und ihn dann freigibt, wird zum Guru für den Besiegten. Ich sehe keinen König in dieser Runde, welcher nicht von Krishnas Herrlichkeit besiegt wurde. Dieser Eine hier von unbefleckter Herrlichkeit verdient nicht nur unsere Ehren. Der Starkarmige verdient die Würdigung durch die drei Welten. Zahllose Bullen unter den Kshatriyas wurden von Krishna in der Schlacht besiegt. In ihm begründet sich das ganze, grenzenlose Universum. Daher ehren wir Krishna unter allen Besten und Alten, und keinen anderen.

Oh Sisupala, sprich nicht so. Laß deinen Geist nicht diesen Weg gehen. Ich habe, oh König, vielen alten Menschen gedient. Alle diese weisen Männer haben über zahlreiche hochgeschätzte Eigenschaften des vollkommenen Krishna gesprochen (siehe Wichtigste 64 Eigenschaften Krishnas). Von den Menschen habe ich immer wieder all die Taten vernommen, die der kluge Krishna seit seiner Geburt vollbracht hat (siehe Krishnas Leben). Wir ehren ihn nicht, oh König der Chedi, aus Launenhaftigkeit, wegen der Verwandtschaft mit ihm oder wegen der Aussicht auf Gewinn, den er uns bringen könnte.

Janarddan (Krishna) wird von den Guten auf Erden geehrt und ist die Quelle allen Glücks für alle Wesen. Wir haben ihm die Gabe zuerst angeboten wegen seines Ruhmes, seiner Heldenhaftigkeit und seiner Erfolge. Wir haben alle bedacht, auch die Jungen. Und wir haben so manchen übergangen, die vorzügliche Tugenden besitzen. Und doch haben wir Hari für die erste Ehre ausgewählt.
Unter den Brahmanen wird der Weiseste geehrt,
unter Kshatriyas der Stärkste,
unter Vaisyas der mit dem meisten Reichtum und größten Wohlstand,
und unter Shudras der Älteste.


Daß wir Govinda als ersten ehrten, hat zwei Gründe:
er kennt die Veden und ihre Zweige und besitzt ein Übermaß an Macht.
Wer sonst in der Welt der Menschen ist so außergewöhnlich wie er?
Großmut, Geschick, Wissen um die Veden, Tapferkeit,
Ehrlichkeit, Erfolge, außerordentliche Klugheit, Demut, Schönheit,
Standhaftigkeit, Zufriedenheit und Wohlstand leben für immer in Achyuta.

Daher, ihr Könige, ziemt es sich für euch, die Wahl von Krishna gutzuheißen.
Er ist vervollkommnet. Er ist Lehrer, Vater und Guru.
Er ist des Arghya und aller Ehren würdig.
Er ist Opferpriester, als Schwiegersohn immer würdig, Snataka, König und Freund.

Deswegen haben wir ihn geehrt.
Krishna ist der Ursprung des Universums und in ihn löst es sich wieder auf.

Alle beweglichen und unbeweglichen Wesen kommen nur aus ihm in die Existenz.
Er ist die unmanifeste und ursprüngliche Substanz (Avyakta Prakriti),
der Schöpfer, ewig und jenseits aller Wesen.
Er mit der unvergänglichen Herrlichkeit verdient unsere höchste Achtung.

Die Intelligenz, die Sensibilität, die ursprünglichen Elemente, Luft, Feuer, Wasser, Raum, Erde
und die vier Arten der Lebewesen (eierlegend, lebend gebärend, Pflanzen und aus Schlamm geboren)
gründen sich alle auf Krishna.

Sonne, Mond, Sternenkonstellationen, Planeten und die Himmelsrichtungen sind alle in Krishna begründet.
Solange das Agnihotra die beste vedische Zeremonie ist,
das Gayatri das beste Mantra,
der König der beste Mann,
der Ozean das beste Gewässer,
der Mond der beste Himmelskörper in der Nacht,
die Sonne der beste Leuchtkörper,
(der universelle) Meru der beste Berg,
Garuda der beste Vogel und solange es im Universum die aufsteigende, abfallende und mittlere Strömung gibt,
ist Kesava (Krishna) der Beste in allen Welten mitsamt den Bereichen der Himmlischen.

Sisupala ist noch ein Junge und kann nicht erkennen, daß Krishna immer und überall ist. Deswegen spricht er so von ihm. Der Herrscher der Chedi wird niemals die Tugend in dem Licht sehen, wie sie jenem erscheint, der auf dem verdienstvollen Pfad wandelt. Wer unter den Alten, Jungen und Ruhmreichen hier achtet Krishna nicht als aller Ehren würdig und ehrt ihn nicht? Doch wenn Sisupala diese Würde als unverdient bezeichnet, dann mag er handeln, wie es ihm richtig dünkt.
 
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Arghyaharana Parva – Das Gastgeschenk

39 – Sahadev beendet die Zeremonie

Jene Menschen, welche Krishna mit den Lotusaugen nicht ehren wollen, sollten als tot betrachtet werden, auch wenn sie sich äußerlich bewegen, und niemand sollte sie um einen Rat fragen.

Vaisampayana sprach: Der mächtige Bhishma verstummte, und Sahadev sprach zu Sisupala folgende schwerwiegende Worte: Wenn es unter euch Königen einen gibt, welcher es nicht ertragen kann, daß ich dem dunklen Krishna mit der unermeßlichen Energie diese Ehre erweise, dann fühle dieser Mächtige meinen Fuß auf seinem Haupt. Auf meine Worte mag er sogleich die angemessene Antwort geben. Die klugen Könige werden die Ehren für Krishna loben, denn er ist Lehrer, Vater und Guru. Und er ist des Arghya und aller Ehren würdig.

Als Sahadev auf seinen Fuß zeigte, sprach keiner der klugen, weisen, stolzen und mächtigen Monarchen auch nur ein Wort. Da fielen Blumenschauer auf Sahadevas Haupt, und eine körperlose Stimme rief: „Exzellent! Exzellent!“.

Als nächstes sprach Narad in seinem schwarzen Hirschfell klare und verständige Worte, mit vollem Wissen über die drei Welten und über Vergangenheit und Zukunft, um die Zweifel zahlloser Wesen zu zerstreuen:
Jene Menschen, welche Krishna mit den Lotusaugen nicht ehren wollen, sollten als tot betrachtet werden, auch wenn sie sich äußerlich bewegen, und niemand sollte sie um einen Rat fragen.

Danach beendete Sahadeva, dieser Gott unter den Menschen, die Zeremonie, wohl wissend um den Unterschied zwischen Brahmanen und Kshatriyas. Dabei ehrte er alle, denen Ehre gebührte. Doch Sisupala konnte die erste Ehre für Krishna nicht verwinden und sprach mit zornesroten Augen zu den Königen: „Was denkt ihr darüber, wenn ich mich an eure Spitze stelle? Laßt uns geordnet zur Schlacht gegen die versammelten Vrishnis und Pandavas schreiten!“

So hetzte der König der Chedi die anderen Könige auf und diskutierte mit ihnen, wie er die Beendigung des Opfers verhindern könnte. Die eingeladenen Könige, welche auf Seiten Sisupalas standen, schauten wütend und bleich aus. Sie stachelten sich gegenseitig an: „Wir müssen etwas tun, damit keiner denken mag, daß die Schlußzeremonie von Yudhishthira und die Würdigung Krishnas unseren Beifall findet.“

Ihr sicherer Glaube an ihre Macht und ihre Rage ließen sie diese unsinnigen Worte sprechen. Immer wieder bestätigten sie sich, beleidigt worden zu sein, und waren sich ihrer Ansicht sehr sicher. Und obwohl ihre Freunde sie zu beruhigen suchten, glühten ihre Gesichter vor Wut, wie bei brüllenden Löwen, die von ihrer Beute vertrieben wurden. Bei diesem Anblick wußte Krishna, daß der weite Ozean der Monarchen mit seinen zahllosen Wellen an Truppen sich zu einem schrecklichen Ansturm vorbereitete.
 
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Sisupala Badha Parva – Tod von Sisupala

40 – Bhishmas Einschätzung der Situation

Auch Yudhishthira bemerkte die aufgewühlte Schar der Könige, wie die von heftigen Winden aufgepeitschte See, und wandte sich an den erfahrenen Bhishma, diesen klugen Mann und Großvater der Kurus. Gerade wie Indra mit großer Tatkraft zu Vrihaspati spricht, so befragte Yudhishthira den Bhishma:
Viele der eingeladenen Könige sind von Zorn bewegt. Sag mir, oh Großvater, was soll ich tun? Und rate mir auch, was ich unternehmen kann, damit dieses Opfer nicht gestört wird und es meine Untertanen nicht büßen müssen.

Bhishma antwortete ihm: Sei unbesorgt, oh Tiger der Kurus. Schon lange vorher habe ich einen Weg erwählt, der sowohl nützlich als auch angenehm ist. Kann ein Hund einen Löwen besiegen? Diese Könige gleichen einer Hundemeute, die sich bellend dem schlafenden Löwen nähert. Wahrlich, wie wütende Hunde kläffen diese Monarchen vor dem schlafenden Löwen aus dem Geschlecht der Vrishnis. Doch der Löwe hat sich noch nicht erhoben. Und nur bis dahin macht der König der Chedis die anderen Könige glauben, sie seien die Löwen.

Ach mein Sohn, Sisupal ist nicht besonders klug, denn er legt sich mit der Seele des Universums an und will all die anderen Könige mit ins Reich Yamas ziehen. Oh Bharata, sicher möchte Vishnu seinen Anteil an Energie, der in Sisupala lebt, wieder zurücknehmen. Denn die Absichten des Königs der Chedi und auch der anderen Könige haben sich ins Widernatürliche verkehrt. Wer widernatürliche Gedanken hegt, wird von diesem Tiger unter den Menschen wieder in sich aufgenommen. Oh Yudhishthira, Krishna ist der Stammvater aller geschaffenen Wesen dieser drei Welten und ihr Vernichter.

Doch Sisupala hatte Bhishmas Worte gehört und gab ihm folgende rüde und harte Antwort.
 
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Sisupala Badha Parva – Tod von Sisupala


41 – Sisupala beleidigt Bhishma

Sisupala sprach: Alter und niederträchtiger Narr deines Geschlechts, schämst du dich nicht, all diese Monarchen mit falschen Ängsten zu schrecken? Du bist der Erste der Kurus und lebst im dritten Stadium (im Zölibat) – da ist es nur angemessen, daß du Ratschläge weit abseits jeglicher Moral gibst! ... Arrogant und ignorant wie du bist, willst du immer nur Krishna loben. ... Du Hochgepriesener an Klugheit singst das Loblied auf diesen Kuhhirten, ... Als Krishna in seiner Kindheit einen Geier erschlug, was ist daran bemerkenswert? Oder als er Ashwa und Vrishaya besiegte, die beide unerfahren waren in der Schlacht?

Wenn dieser mit einem Stoß ein totes Stück Holz, nämlich einen Wagen, zerschmetterte, was, oh Bhishma, ist daran so wunderbar (Krișna nur ein Säugling unter einer Karre, schafft mit Seinen Beinstöße, sie zu zerschlagen;
Die Kuhhirten glaubten den Kindern aber nicht, siehe Șrimad Bhagavatam Kanto 10, Kapitel 7. )? Was ist das Besondere daran, für eine volle Woche den Berg Govardhana zu stützen, der so groß wie ein Ameisenhügel ist? Manche mögen sich sehr gewundert haben, als sie von dir die Worte vernahmen: „Als er sich auf dem Gipfel des Berges vergnügte, verschlang er eine Menge an Nahrung.“

Doch, du in Moral Gegründeter, ist es nicht sehr absonderlich, daß dieser große Mensch Kansa, welcher Krishna die viele Nahrung gab, dann von ihm getötet wurde? Ach du Niederträchtiger, du kennst die Regeln der Moral gar nicht. Du hast niemals von den Weisen vernommen, was ich dir jetzt sagen werde. ... Wenn auf dein Wort einer geehrt wird, oh Bhishma, der Frauen und Kühe (Anspielung auf die Dämonin Putana und den Dämon Arista) getötet hätte, was wäre die Folge solcher Lektion? Wie könnte der Lob verdienen?

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Er ist der weiseste Mensch. Er ist der Herr des Universums.“ Wenn Janarddana deinen Worten lauscht, glaubt er noch, sie seien wahr. Doch das stimmt nicht. Die Verse, die ein Barde singt, machen den Besungenen nicht besser, auch wenn er sie wieder und wieder singt. Jedes Wesen handelt nach seiner Veranlagung, wie der Vogel Bhulinga. Deine Veranlagung ist zweifellos niedrig und gemein. Und auch die Söhne Pandus scheinen mir von Natur aus sündig zu sein, denn sie achten Krishna als einen, der Ehre verdient, und folgen dir nach.

Obwohl du das Wissen um die Tugend besitzt, bist du vom Pfad der Weisen abgefallen. Und so bist du sündhaft. Denn wenn du tugendhaft und vorzüglich wärst, würdest du nie so handeln. Du kennst nicht die Wege der Moral. Dein Geist folgt nicht der Weisheit. Denn sonst hättest du die tugendhafte Maid Amba nicht entführt, die ihr Herz einem anderen geschenkt hatte. Dein Bruder Vichitravirya wußte um Wahrheit und Tugend. Denn er heiratete das Mädchen nicht, als er erfuhr, wie es um sie stand, obwohl du sie für ihn herbeigeschafft hattest.

... Niemals scheinst du den Alten gedient zu haben. Denn sie sagen, Verehrung, Geschenke, Studium, Opfer und reiche Gaben an die Brahmanen bringen nur den sechzehnten Teil an Verdienst im Vergleich zu einem Sohn. Der Verdienst, oh Bhishma, der aus zahllosen Gelübden und Fasten kommt, wird fruchtlos, wenn man kinderlos bleibt. Du hast keine Kinder, bist alt und zeigst die falsche Moral.

Wie der Schwan in der Geschichte wirst du durch die Hand deiner Verwandten sterben. Das haben die Gelehrten schon vor langer Zeit erklärt, und ich werde dir die Geschichte nun in voller Länge erzählen.

Einst lebte am Ufer des Meeres ein Schwan, der immerzu dem Federvolk Moral predigte. Alle Vögel hörten ihn unermüdlich sprechen: „Praktiziert Tugend und verbannt Sünde!“, oh Bhishma. Um der Tugend willen brachten die Meeresvögel ihm Nahrung. Auch ließen sie ihre Eier bei ihm zurück, während sie die Wogen der See auf der Suche nach Essen zerpflügten. Doch der sündige, alte Schwan fraß eigensinnig die Eier der Vögeln auf, die ihm törichterweise vertrauten.

Als nach einer Weile immer mehr Eier fehlten, erhob sich in einem der weisen Vögel ein Verdacht. Eines Tages beobachtete er die Sache sogar. So sprach der weise Vogel zu den anderen und erzählte ihnen traurig von der sündigen Tat des Schwans. Und als die anderen sich mit ihren eigenen Augen auch davon überzeugt hatten, töteten sie den alten Schwan mit dem falschen Betragen.

Du verhältst dich wie der alte Schwan, oh Bhishma. Und die Herren der Erde könnten dich aus Zorn dafür schlagen, wie das Federvolk den Schwan. Menschen, welche die Puranas kennen, zitieren ein Sprichwort, welches diesen Vorfall beschreibt. Höre es, oh Bharata: „Oh du mit den Schwingen, obwohl dein Herz (von Leidenschaften) beeinflußt ist, predigst du (Tugend). Doch deine sündige Tat des Eierverschlingens verstößt gegen alle deine Worte.“
 
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