Vertrauensverlust kaum wieder gutzumachen
Trotz des gewaltigen Medienechos zum Fall des „Spiegel“-Fälschers Claas Relotius hält sich die Politik mit Stellungnahmen zurück.
Medienexperte Johannes Selle (CDU) zu BILD: „Immer wieder werden Medien für ‚Fake News‘ und als ‚Lügen-Presse‘ kritisiert. Jetzt ist der renommierte ‚Spiegel‘ davon tatsächlich betroffen. Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die einen allgemeinen Werteverlust in der Gesellschaft beklagen und die den Medien Lügen vorwerfen. Es wird schwer sein, den Vertrauensverlust, der dadurch entstanden ist, wieder gutzumachen.
Nur die rechtspopulistische AfD fühlt sich in ihrer generellen Medien-Kritik bestätigt. Fraktionschefin Alice Weidel schrieb auf Twitter über den „Spiegel“ von „gesinnungsethisch gefärbtem Meinungsjournalismus“. (Bildzeitung)
Die Mär von der Lügenpresse ist als rechte Hetze zu betrachten, das ist meine Meinung.
Auch wenn Frau Weidel recht hat, hat sie trotzdem unrecht.
Man muss da m.A.n. unterscheiden. Der Fall Relotius ist vielleicht kein Einzelfall, weil es vermutlich einige Journalisten gibt die ihre Geschichten frisieren. Relotius war da einfach sehr extrem. Aber: Selbst wenn das vom Prinzip her einige Journalisten tun sollten sind es dennoch individuelle Fälle. Deren Motivation das zu tun folgt keiner politischen Agenda sondern persönlichen Intentionen, die wahrscheinlich v.a. Ehrgeiz auf der einen und Druck auf der anderen Seite geschuldet sind.
Aber: Gibt es "Polit-Agenda-Berichterstattung"? Ganz sicher. Der Begriff "Lügenpresse" passt dazu zwar auch nicht, weil Profis nur selten zu klaren Lügen greifen um zu manipulieren, sondern eher mit Auslassungen und Halwahrheiten arbeiten. Aber das sind die wirklichen Probleme wenn es um Medien geht.
Man muss da m.A.n. noch unterteilen zwischen
1. Strategischer Manipulation, klaren Vorgaben - das bestimmte Informationen z.B. nicht gebracht werden die nötig wären damit die Bevölkerung ein Thema tatsächlich versteht, und...
2. Einer Art natürlichen Dynamik die aus Anpassung an die politische Richtung eines Medien-Konzerns geschieht - also wenn Journalisten in vorauseilendem Gehorsam einer bestimmten Richtung folgen und anderes gar nicht erst versuchen.
Letzteres ist m.A.n. sogar der Regelfall. Man kann Spiegel lesen, Focus, Bild, was auch immer... zu bestimmten Themen erkennt man eine ziemlich klare Richtung und das meiste davon dürfte der natürlichen Dynamik geschuldet sein, dass Journalisten sich weitgehend anpassen. Es gibt aber auch Themen bei denen man klar erkennen kann das Informationen unterdrückt werden oder alle weitgehend das Gleiche schreiben. 9/11 ist ein Paradebeispiel - niemand würde die offizielle Version noch glauben wenn die Medien ihren Job gemacht hätten. Probleme rund um Banken, Euro, das Finanzsystem insgesamt - auch da werden m.A.n. Informationen und eine bestimmte Agenda verfolgt. Wobei die Grenzen zwischen klarer Agenda und natürlicher Dynamik da vermutlich sehr fließend sind weil das Thema Finanzsystem nicht so objektiv und faktenbasiert ist wie viele glauben. Letztlich handelt es sich dabei um eine Ideologie, um unterschiedliche Überzeugungen.
Unterm Strich, mal abgesehen und unabhängig von individuellen Fällen wie jetzt gerade beim Spiegel: Lügenpresse ist ein falscher Begriff, weil Lügen einfach selten sind. Aber "Lückenpresse" trifft m.A.n. zu oft zu. Kontext ist zum Verständnis eines Sachverhalts derart wichtig, dass Weglassen oder auch Hinbiegen von Informationen mit Lügen vergleichbar ist. Und das ist leider nicht so selten.