Kommissar Larix löst den Fall Loreley

Mellnik

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Nixen!

Durch eine glückliche Mischung von Nachdenken und Nachforschen ist es mir gelungen, ein Verbrechen aufzudecken, das lange unerkannt geblieben ist.

Es geht um jene ungeklärte Häufung von Schiffs-Unglücken auf dem Rhein im frühen 19. Jahrhundert.

Sie erinnern sich vielleicht?

Mein Kollege, Kommissar Heinrich Heine, hat sich ebenfalls an jenem Kriminalfall versucht.

Seinen Bericht darüber veröffentlichte er in dichterischer Form.

Doch bei aller Verehrung, die ich meinem sehr geschätzen Kollegen Heine entgegenbringe, so muss ich doch anmerken, dass er bis zur letzten Lösung des Rätsels leider nicht vorgedrungen ist.

Wenn Sie mir etwas Aufmerksamkeit schenken wollen, so werde ich Ihnen nun berichten, wwie es mir gelang, den wahren Schuldigen ausfindig zu machen.

Kommen wir also zur Sache ......

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Hier nun zunächst einmal jener in weiten Kreisen auch heute immer noch relativ bekannte Abschluss-Bericht meines sehr geschätzen Kollegen Heine:


Die Loreley

von Heinrich Heine, 1823

Ich weiß nicht was soll es bedeuten
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldenes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabey;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer, im kleinen Schiffe,
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh´.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.

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Ich werde Ihnen nun den Beweis erbringen, dass Fräulein Lore Ley keineswegs für jene Schiffs-Unglücke verantwortlich ist.

Zumindest ist sie nicht die Hauptschuldige.

Wohl ist sie in jenen Fall verwickelt - keine Frage!

Doch der wahre Schuldige, der Drahtzieher des Verbrechens, der sitzt woanders.

An dieser Stelle darf ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass so viele Nixen im Saale sind, die der Einladung zu meinem Vortrag gefolgt sind.

Zu Recht erwarten sie eine späte Rehabilitation einer ihrer Kolleginnen. Und sie sollen nicht entäuscht werde.

Fräulein Lore Ley selbst kann aber leider heute nicht anwesend sein. Sie hat den Termin aus mir durchaus verständlichen Gründen nicht wahrnehmen können, lässt aber alle Anwesenden auf das Herzlichste grüßen.

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Werfen wir nun mal einen Blick auf den Tatort ...
 
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Ich darf Ihnen verraten, das Fräulein Lore Lay sich zur Zeit an den Ufern des schottischen Flusses Tay aufhält. Bevorzugt in der Nähe des schönen Städtchens Dunkeld.

Ob sie dort am heutigen Montag einen Friseurtermin wahrzunehmen imstande ist, entzieht sich meiner Kenntnis, liegt aber im Bereich des Möglichen.

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Kommen wir zur Sache.

Es galt, Zeugen zu vernehmen.

So versuchte ich, zunächst Erkundigungen über Fräulein Lore Ley einzuziehen.


Wenn ich Ihnen hier einmal eine Kopie meines Schreibens an Herrn Waldemar Seebacher zeigen dürfte?


~~~~~~~~~~~~~~~~

An Herrn
Waldemar Seebacher
Seekönig A.D.
Mummelsee
Nordschwarzwald
Bezirk Rastatt

Sehr geehrter Herr Seebacher,


Wie ich erfahren konnte, sind Sie nun Seekönig im Ruhestand.

In der Zeit ihrer Herrschaft über den Mummelsee fällt der Zuzug eines Fräulein Lore Lay, einer staatlich geprüften und anerkannten Flussnixe aus der Mittelrheingegend.

Offensichtlich wollte sie sich in den Schwarzwald absetzen, nachdem ihr das Pflaster - oder die Wellen - am Mittelrhein zu heiß geworden waren.

Ich frage mich:

Warum zieht eine Flussnixe vom hellen Mittelrhein in den dunklen Nordschwarzwald, und lässt sich dort von eeiner Flussnixe zu einer Seenixe umschulen?

Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn sie mir etwas über den Leumund dieser Nixe sagen könnten.


Mit freundlichen Grüßen

Paul Larix

Kriminalhauptkommissar.

z.Zt. Bezirk Mittel-Rhein
 
Hier nun der Bericht meines Vorvorgängers, Kommissar August Schnezler.

Er war schon auf der richtige Spur.

Doch seine Nachforschungen im Nordschwarzwald verliefen seinerzeit ergebnislos im Sande.

Doch - lesen Sie selbst:



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Schnezler August

Der Mummelsee

Im Mummelsee, im dunklen See,
Da blüh'n der Lilien viele,
Sie wiegen sich, sie biegen sich,
Dem losen Wind zum Spiele;
Doch wenn die Nacht herniedersinkt,
Der volle Mond am Himmel blinkt,
Entsteigen sie dem Bade
Als Jungfern am Gestade.

Es bläst der Wind, es saust das Rohr
Die Melodie zum Tanze,
Die Lilienmädchen schlingen sich,
Als wie zu einem Kranze;
Und schweben leis' umher im Kreis,
Gesichter weiss, Gewänder weiß
Bis ihre bleichen Wangen
Mit zarter Röte prangen.

Es braust der Sturm, es pfeift das Rohr,
Es rauscht im Tannenwalde,
Die Wolken zieh'n am Monde hin,
Die Schatten auf der Halde;
Und auf und ab, durch's nasse Gras
Dreht sich der Reigen ohne Mass,
Und immer lauter schwellen
An's Ufer an die Wellen.

Da hebt ein Arm sich aus der Flut,
Die Riesenfaust geballet
Ein triefend Haupt dann, schilfbekränzt
Vom langen Bart umwallet,
Und eine Donnerstimme schallt,
Daß im Gebirg' as widerhallt:
»Zurück in eure Wogen,
Ihr Lilien ungezogen!«

Da stockt der Tanz, die Mädchen schrein,
Und werden immer blässer:
»Der Vater ruft, hu, Morgenluft!
Zurück in das Gewässer!«
Die Nebel steigen aus dem Tal,
Es dämmert schon der Morgenstrahl,
Und Lilien schwanken wieder
Im Wasser auf und nieder.
 
Herrn
Paul Larix
Kriminalhauptkommissar.
z.Zt. Bezirk Mittel-Rhein


Sehr geehrter Herr Larix,

Bezugnehmend auf Ihr wertes Schreiben vom 17. des laufenden Monats darf ich Ihnen folgendes mitteilen:

Fräulein Lore Ley ist in der Zeit meiner Königswürde als Mummelseekönig stets ein geschätztes und wertvolles Mitglied der Mummelsee-Nixen-Gemeinde gewesen.

Ihre Pünktlichkeit und ihre Disziplin waren vorbildlich.

Niemals verließ sie den See vor Einbruch der Dunkelheit, und kehrte stets vor dem Morgengrauen zurück.

Ihre Umschulung von dem doch etwas freieren Beruf der Flussnixe zu dem doch mehr ortgebundenen Tätigkeit einer Seenixe bewältigte sie zu unserer vollsten Zufriedenheit.

Ich kann in jeglicher Hinsicht nur Gutes über sie sagen.

Um Ihnen nun bei Ihren Nachforschungen weiterzuhelfen, noch kurz dieses:

Unklar blieb, warum Fräulein Lore Lay denn vom hellen Nixenbezirk Mittelrhein in den doch eher etwas düsteren Nixenbezirk Nordschwarzwald umziehen wollte.

Sie äußerte sich nicht dazu.

Doch hörte ich, wie sie ab und zu teils traurig, teils mit einem gewissen Leuchten in den Augen den Namen eines gewissen "Michael" nannte, Holzfäller im Schwarzwald von Beruf.

Da ich jedoch nicht in Holzfällerkreisen verkehre, kann ich zu der Person dieses Michael keine weiteren Angaben machen. Als Seekönig des Mummelsees war ich stets gegen das Fällen von Waldbäumen, insbesondere gegen das Fällen von Lärchen.

Dies jedoch nur am Rande.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Information möglicherweise einen zweckdienlichen Hinweis gegeben zu haben.

Hiermit entbiete ich Ihnen meinen seeköniglichen Gruß und Segen und wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer gewisslich nicht leichten Nachforschungen.

Waldemar Seebacher
Seekönig A.D.
Mummelsee
Nordschwarzwald
Bezirk Rastatt
 
Herrn
Wilhelm Hauff
Erzähler
Stuttgart
Schwaben

Sehr geehrter Herr Hauff,

Wie Sie vielleicht wissen, untersuche ich gerade den Fall "Loreley". Dabei stieß ich auf einen Schwarzwälder Waldgeist namens Michael, ortsüblich "Holländer-Michel" genannt.

Ich habe Grund zu der Annahme, dass sie diesen Holländer-Michel näher kennen.

Falls Sie mir zu dieser Person zweckdienliche Angaben machen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.


Mit freundlichen Grüßen von Baden nach Schwaben



Paul Larix
Kriminalhauptkommissar
z.Zt. Bezirk Mittel-Rhein und Bezirk Mittel-Schwarzwald
 
Kommisar Larix gelang es, in der Heidelberger Universtätsbibliothek eine alte Handschrift mit diesem Text ausfindig zu machen:

Die Milch-Maid

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus schottischen Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl in Dunkeld,
Und ruhig fließt der Tay;
Der Gipfel des Lochnagar funkelt
Im Abendsonnenschnee.

Ein wilder Hochländer stehet
Dort oben wunderbar;
Sein blanker Sgian Dubh blitzet,
Sein Kilt strahlt rot-weiß und klar.

Er trägt einen währschaften Sporran
Und spielt die Bag-Pipe dabei;
Die hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Die Milch-Maid tief unten in Dunkeld
Ergreift es mit wildem Weh;
Sie sieht nicht den Weg durch das Steinfeld,
Sie schaut nur den Held in der Höh.

Ich glaube, am Ende verstolpert
Die Maid die Milch und die Sahn;
Und das hat mit seinem Spielen
Der Laird aus dem Hochland getan.
 
Die Vermutungen des Kommissar Larix:

Es besteht der begründete Verdacht, dass besagter Holländermichel von jener schottischen Legende Kenntnis erlangte, und sie dann zeitnah für seine ihm eigenen kriminellen Pläne nutzbar machte.
 
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Nixen, Nixinnen, und Nöcks!

Nach längerer Pause, die der schwierigen Recherche geschuldet war, möchte ich meine Ausführungen nun fortsetzen.

Frau Ministerpräsidentin Maria Luise „Malu“ Dreyer kann leider nicht persönlich anwesend sein, hat aber freundlicherweise Frau Sabine Bätzing-Lichtenthäler vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie geschickt, auf dass das Land Rheinland-Pfalz hier auch würdig vetreten sei.
 
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Nixen, Nixinnen, und Nöcks!

Wie Sie ja bereits durch Heinrich Heine informiert sind, kam es im 19. Jahhundert zu einer bedauerlichen Häufung tragischer Schiffs-Untergänge im Bereich Mittelrhein.

Besagter H.H. konnte auch schon ganz richtig die Verursacherin nennen. Eine gewisse Frau Lore Lay.

Dabei aber - und bei seiner Trauer - blieb er stehen.

Um nun die Hintergründe aufzudecken, bedarf es eines gewieften Fachmannes.
Wie z. B. des Kommissars Larix, wie ich in aller Bescheidenheit erklären möchte.
 
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