Ja, da ist die Bezeichnung "Familienaufstellung" ein wenig irreführend. Wir leben ja in allen möglichen Systemen, und je nachdem, welches System gerade fokussiert wird, gibt es auch verschiedene Aufstellungsformate. Die werden dann auch ganz unterschiedlich bezeichnet, da ist noch sehr viel in Entwicklung und Bewegung ... das wurzelt teilweise im Psychodrama (Moreno), in der "Familienskulptur" von Virginia Satir, Bert Hellinger hat das "Familienstellen" in seine eigenen Richtung vorangetrieben, auf der Basis konstruktivistischer Weltbilder haben Kibéd/Sparrer die Systemischen Strukturaufstellungen entwickelt, Gunther Schmidt nennt es Systemische Choreographie ... und viele weitere haben ihre "Schulen" begründet, mehr oder weniger überzeugend, aus mehr oder weniger durchsichtigen Motiven.
Die Arbeit mit Familiensystemen hat freilich eine besondere Bedeutung, weil jede/r in einem Familiensystem lebt ... und zum Familiensystem gehört nicht nur die Gegenwartsfamilie, sondern auch das Herkunfts-System, die Familiengeschichte. So liegt es auf der Hand, dass eine gut ausgeglichene Einbettung ins Familiensystem oft das Primärziel von Aufstellungsarbeit ist. Wenn's im Familiensystem hakt und klemmt, erleichtert das nicht gerade die förderlichen Interaktionen in anderen Systemen. Es zeigt sich eh recht oft, dass auch bei einem scheinbar ganz anders formulierten Ziel dann doch erst mal eine familiäre Schieflage auszugleichen ist, dass es also in eine Familienaufstellung im engeren Sinn mündet.
Aber freilich können auch alle anderen Systeme aufgestellt werden - organisatorische, etwa Dinge rund um den Arbeitsplatz, Organisationsaufstellungen, Glaubens-Systeme, politische Systeme, Drehbuchentwicklung, schamanische Systeme ... es geht immer um das wesentliche Element, dass in der Aufstellungsarbeit die systemischen Interaktionen nicht in reiner Kopfarbeit behandelt werden, sondern in der Verkörperung von systemischen Positionen durch (im Idealfall) physische Personen.
Es gibt auch Ansätze,systemische Positionen durch Zettel auf dem Boden, Lego-Figuren auf einem Brett etc. zu symbolisieren ... kann nach meiner Erfahrung hilfreich sein, um die Komplexität von Systemen "greifbarer" ins Bild zu setzen. Es fehlt aber dabei die Informationsdichte eines Aufstellungs-Settings mit realen Personen, das für sich genommen ja auch schon wieder ein lebendiges System darstellt und nicht nur das symbolische Bild eines Systems. Außerdem besteht bei solchen "symbolischen Aufstellungen" mit Dingen statt mit Menschen immer das ausgleichende und quasi "objektivierende" Element des "Systems Aufstellungsgruppe" ... Lego-Figuren können sich ja nicht über ihre Empfindungen äußern, das wird immer interpretierend hineingelegt, und das öffnet Projektionen Tür und Tor. Es scheint allerdings für manche eine gute Gelegenheit zu bieten, auf den Trend Aufstellungsarbeit aufzuspringen und "Aufstellungen" anzubieten, ohne sich die mühsame Arbeit anzutun, Raum und Stellvertreter/innen zu organisieren.
Wesentlich für die Ergebnisse von Aufstellungsarbeit ist freilich auch die jeweilige Fokussierung, mit der jemand das angeht. Gerade das Aufstellen zeigt allerdings auch, dass man auf "dumme" Fragen gute Antworten bekommen kann ... allerdings setzt das die Bereitschaft voraus, sich überraschen zu lassen. Wer reingeht mit der vorgefassten Erwartung, dass etwas Bestimmtes dabei herauszukommen hätte, wird leicht enttäuscht werden. Es kann auch ganz anders kommen. Und kommt oft anders. Aufstellungen unterscheiden sich da nicht vom Leben. Das gilt im übrigen auch für Aufstellende, die eine Aufstellung "leiten" ... die machen dann durch direktive Eingriffe bald einmal eine Aufstellung zum Schmierentheater manipulierter Statisten. Varga von Kibéd hat das mal pointiert so formuliert: "Wer eine Aufstellung leitet, behindert den Prozess".