Hallo Drachenblut und alle anderen,
im wesentlichen kann ich mich Rhiannons Meinung anschließen, auch wenn ich nun von Hermetik überhaupt nichts verstehe. "Gut" und "böse" sind jeweils entgegengesetzte Enden der Meßskala. Wie etwas gewertet wird, hängt vom jeweiligen Blickwinkel des Betrachters ab. Kultur und Gesellschaft beeinflussen erheblich den Blickwinkel des Individuums; damit beantwortet sich Deine erste Frage von selbst:
Ist die moralische Vorstellung von Gut & Böse Kulturabhängig? Und inwieweit spielt ihr der Sprache als Ursache den schwarzen Peter zu? Würdet ihr Länder verurteilen, deren Sitten und Gebräuche gegen unsere Moralischen Vorstellungen verstoßen?.
Als gut oder positiv werte ich primär das, was mir nutzt, gefällt, angenehm ist. Dies können auch Dinge sein, die anderen gegen den Strich gehen und von ihnen als negativ gewertet werden. Beispiel: Ich baue ein Haus an einem Hang und freue mich über die schöne Aussicht. Die Kinder, die sich dort zuvor beim Schlittenfahren vergnügten, freuen sich weniger. Ich töte ein Tier, es mit meiner Familie und Freunden zu essen. Für das Tier bin ich der Feind, denn ich trachte ihm nach dem Leben, für Familie und Freunde bin ich der Held.
Sekundär erlerne und entwickle ich, gestützt durch mein persönliches Umfeld und meine Lebensumstände, eine Moralvorstellung oder Ethik, die notwendig ist, um meinen Platz in der Gesellschaft zu finden.
Gut und Böse sind für mich keine absoluten Begriffe; die Wertung von Gut und Böse ist nichts anderes als Ausdruck eines ewigen Interessenkonfliktes, der unter den Menschen besteht seit es Menschen gibt. Und die Wertung gibt es, seit die Menschen vom Baum der Erkenntnis aßen, sprich: in der Lage waren, über sich selbst und ihre Interessen nachzudenken.
Ich bin nicht frei von Wertung, ich habe klare Vorstellungen von Ethik und von Menschenwürde, und deshalb gibt es in anderen Ländern (im eigenen Land übrigens auch) Sitten und Gebräuche, die ich einfach nur schrecklich finde, nämlich dann, wenn sie Menschen sinnlos Gewalt antun. Beschneidung von Frauen, Ausbildung von Kindersoldaten, Unterdrückung und Ausbeutung ganzer Bevölkerungsschichten (zumeist Frauen), Folter, Gehirnwäsche ... all die sind Dinge, die ich nicht wertfrei sehen kann.
"Der von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Wieviel Mist bauen wir selbst im eigenen Land? Wie lieblos gehen wir aufgeklärten Menschen der westlichen Zivilisation mit unseren eigenen Alten, Schwachen, aus der Gesellschaft gefallenen um? Wieviel tragen wir mit unserem Leben in Wohlstand und Luxus zur Ausbeutung und Ressourcenverschwendung weltweit bei? Wenn ich es wage, moralische Ansprüche zu erheben, dann muß ich zuallererst meinen eigenen Müll wegräumen!
Ich werde mich hüten, fremde Menschen, die aus meiner Sicht "Böses" taten, abschließend zu verurteilen. Stecke ich in ihrer Haut? Weiß ich, was ihre Gefühle, ihre Sorgen sind, was passierte und sie zu dem machte, was sie heute sind? Kenne ich die Geschichte ganzer Völker, die in meinen Augen Verbrechen begingen?
An der "ersten Direktive" ist durchaus was dran. Wenn ich gewaltsam in andere Kulturen eingreife, um sie eines vermeintlich Besseren zu belehren, hindere ich sie daran, ihren eigenen Weg zu finden. (Wie die Geschichte vielfach beweist; in vielen Gebietenl, wo "freundliche" Missionare den Eingeborenen die "Vorteile" der sogenannten Zivilisation brachten, haben die Menschen heute große Probleme. Andererseits...wenn ich großes Elend sehe, kann ich dann die Augen davor verschließen und sagen: "jeder ist für sich selbst verantwortlich"?
Ich weiß bis heute nicht, ob ich darüber froh sein soll, dank dem rabiaten Eingreifen der Amerikaner das Schreckensregime Saddam Husseins endlich, endlich beendet wurde, oder ob ich mich darüber aufregen soll, mit welcher Selbstherrlichkeit sie die Infrastruktur Iraks in Schutt und Asche legten. Ich weiß es wirklich nicht.
Ich kann die Ereignisse der Welt nicht wertfrei betrachten. Ich kann mich aber darum bemühen, sie von möglichst vielen Seiten zu beleuchten, um zu verstehen, warum Dinge passieren und warum die Menschen so sind wie sie sind.