"Nicht was vordergründig guttut oder gefällt, war ihm Maßstab, sondern was dem Menschen wirklich
hilft. Und das war für ihn zuletzt und in großer Konsequenz das Loskommen von sich selber, von der
schleichenden "Selbstverkrümmung", in der alle, wie er schmunzelnd einmal vermerkte, "auf anständige
Weise zu dem Ihren zu kommen su-chen". Wirkliche Hilfe war für ihn das Liebenlernen, so schwer es
auch fällt und so stockend es immer nur gelingen mag. Der Mensch muß sich transzendieren, um Mensch
zu werden. Und speziell im Hinhören auf den Ruf der Gnade, der stets in die psychisch-physischen
Vorgegeben-heiten des Menschen ergeht, findet einer nach P. Wulf seine personale Mitte, sich selbst
und damit den Sinn seines Lebens. Darum unterschied er auch genau zwischen Heilung und Heil. Nach
P. Wulf geht es für den Christen nicht in erster Linie um den Aufbauder individuellen Persön-lichkeit,
der "Ich-Stärke" (E. Erikson), der autonomen "Selbstverwirkli-chung", sondern um das Jasagen zu sich
selbst als dem Wort, das Gott einem jeden sagt, also auch zu seinen Grenzen, Schwächen und Nieder-
lagen,um das Annehmen der ihm zugewiesenen Lebensrolle, um das Sich-anschauen-Können als ein von
Gott Angeschauter und Bejahter, mit Dank und im Frieden. Nicht die Leistung des Menschen führt zur
Vollendung, sondern der "Vor-gang der Gnade", die gerade in der menschlichen Schwachheit an ihr Ziel
kommt.
Wer ihn besser kannte, wußte, wie genau er seine Unzulänglich-keiten und Schwächen sah, wie er darunter
litt, wenn er unbequeme Wahrheiten sagen mußte oder mißverstanden wurde, wie er sich aber gerade
in solchen Auseinandersetzungen nicht beirren ließ und unbekümmert um Ablehnung oder Empfindlichkeiten
einzig und allein seiner Gewissenhaftigkeit, seiner Treue zu sich selbst und seiner Verantwortung vor Gott folgen
wollte. Von da her kam ihm in der Tat Sicherheit zu, aber diese Sicherheit hatte nichts mit Selbstbehauptung zu
tun, sondern mit einer innersten Freiheit. Aus dieser Freiheit heraus konnte er dann anderen beistehen und Halt
geben, konnte er sie in einem genau hinhörenden Gespräch mit ihren Problemen, mit dem Kern ihrer Schwierig-
keiten, mit sich selbst und in dem allen (vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben) mit Gott konfrontieren.
Oft genug führte er sie auf diese Weise wichtigen Entscheidungen zu. Abgenommen hat er aber die Entscheidung
keinem. Das verbot ihm der Respekt vor der Freiheit und Würde des anderen, dazu wußte er zu genau um die je
persönliche Unmittelbarkeit zu Gott. "Denn der Mensch ist ein geheimnisvolles Wesen", schrieb er einmal, "und
seine innersten Kammern betritt nur Gott". Das nahm er ernst, und nicht zuletzt darum war sein priesterliches
und seelsorgliches Wirken und Begegnen und oft auch sein Wartenkönnen so fruchtbar.
((
http://docplayer.org/36244392-Wer-war-p-friedrich-wulf.html)
"Priesterliches Wirken und Begegnen" ist nicht so ganz meine Welt und passiert sehr selten.
Das Lesen dieses Textes hat mich berührt.
alles Liebe