Die religiöse Inbrunst, mit der der Kampf um die Grenzen der Meinungsfreiheit heute ausgetragen wird, kommt nicht von ungefähr. Wer in einer säkularen Umgebung seine eigene Position gegen Kritik immunisieren will, muss zu einer Rhetorik greifen, die jene absoluten Wahrheitsansprüche kennzeichnet, wie sie von Religionen verkündet werden.
Dazu gehören Bekenntnis- und Bussrituale, die Wiederholung der immergleichen Formeln und Floskeln, die Gesten der Empörung und des Zornes angesichts ketzerischer Behauptungen sowie die pathetischen Bekundungen tiefen Abscheus: So etwas höre man sich nicht länger an, mit solchen Menschen setze man sich sicher nicht auf ein Podium, «derartige Meinungen haben in diesem Blatt nichts zu suchen». Ein Reizwort genügt, und man wendet sich brüsk ab – was immer dann noch kommen mag. Dass es ein schlichtes Gebot der Höflichkeit sein könnte, zu hören, was andere zu sagen haben, spielt dabei schon lange keine Rolle mehr.
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