Diese Sicht auf andere Menschen fusst meist auf einer Erhöhung des Selbst. Jeder hat individuelle Schwachpunkte, das heisst, jeder reagiert "dramatisch", wenn die Situation die richtige ist. Jemand der ein Todesurteil schulterzuckend hinnehmen kann, kann dennoch bei Erwähnung seiner, vor Jahrzehnten, verstorbenen Mutter in Tränen ausbrechen..
Es ist leicht jemanden auf einen Aspekt herunter zu reduzieren, jedoch ungemein schwieriger über einzelne Fehler hinwegzusehen und den Gegenüber als Summe seiner zahlreichen Aspekte (positiv wie negativ) zu betrachten.
Das liegt zum Teil aber auch an einem Mangel an Selbsterkenntnis, insbesondere dann, wenn man versucht, Teile seiner selbst, oder seiner Vergangenheit als fehlerhaft zu deklarieren, zu verleugnen oder im Extremfall sogar zu bestrafen. Hält man zum Beispiel Gefühlsausbrüche für ein Zeichen der Schwäche (aus welchem Grund auch immer), wird man im Falle eines solchen, sich selbst oder andere für schwach halten. Leider wird dabei gerne übersehen das jeder Mensch von Emotionen geleitet wird, die ihm nur zum Teil bewusst sind. Niemand weiss wie man in einer gewissen Situation reagiert, bis sie eingetreten ist.. und wer kann schon wissen ob der weinerliche Knirps gegenüber, nur weil ein paar Tränchen über seine pummeligen Pausbacken kullern, nicht eine eiskalte Killermaschine ist, der die Situation gerade ausnützt um ein wenig Menschlichkeit zu heucheln? Gut das war jetzt sehr dramatisch(ha!) aber ich denke es passt ganz gut zum Thema.
Wir sind doch alle nur Menschen.. wer kann schon sagen wo die dramatische Schmerzgrenze menschlicher Vernunft liegt?
Ich kenne niemanden der persönlich Probleme mit einem Asylanten hatte, aber beinahe alle dramatisieren die Gefahren der Zuwanderung. Gut, da spielen die Medien auch eine grosse Rolle aber mir gehts hier um die prinzipielle Bereitschaft zur Dramatik. Um ein anderes Beispiel zu nennen: Geht es um Umweltschutz, werden gerne die Zahlen (obwohl erschreckend genug) ins sagenhafte gesteigert um Aufmerksamkeit zu erwecken. Die erstbeste Anwort fällt einem da sofort ein: "Mach mal kein Drama!" Aber erfasst sie den Kern? Warum wird "dramatisiert"? Weil es funktioniert. Weil der Mensch immer schon Geschichtenerzähler war und die dramatischen Passagen die interessantesten. Das Geheimnis hinter all dem Drama ist nicht die emotionale Dummheit einiger "Softies" sondern eine Eigenschaft des Menschen an sich. Natürlich mit mehr oder weniger starker Ausprägung aber dennoch..
We need more drama!