Deregulierung (die Lösung für alles ..?)

Morjen @Condemn and all,

Zur Ideologie: Neoliberalismus IST eine Ideologie, das würde dir klar werden, wenn du dich mit den Ansichten und Aussagen v. Hayek's und Friedman's sowie der Mont Pelerin Society befasst.
Sorry, aber du kennst dich leider überhaupt nicht aus. Du hast augenscheinlich weder Hayek noch Mises noch Friedman gelesen oder weißt, was Neoliberalismus - abseits seiner Bedeutung als politischer Kampfbegriff - ist. Die richtigen Vordenker des Neoliberalismus sind Leute wie Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke und vielleicht Alfred Müller-Armack, außerdem Walter Eucken und Vertreter der Freiburger Schule. Die Menschen, die du hier zitierst sind ganz einfach Vertreter des klassischen Liberalismus.

Du würdest gut daran tun, mal was anderes machen als die ganze Zeit auf Youtube abzuhängen und dir Videos von irgendwelchen Fernsehshows reinzuziehen, sondern vielleicht mal ein Buch lesen oder tatsächlich mit Leuten hier diskutieren, die mehr von der Thematik wissen als du selbst.



Aber da wird es dann kompliziert und ansatzweise willkürlich/unfair. Denn wie sollte man Regeln festlegen wie gefährdet jemand ist. Das hängt sehr mit individuellen Persönlichkeiten zusammen.
Stimmt, muss aber nicht so sein. Man könnte relativ harte Kriterien heranziehen, etwa: Jahre in durchgehender Beschäftigung, Durchschnittseinkommen, etc. Wenn ein Berufsanfänger mit 20 Jahren schon aus der Rentenversicherung raus will ist definitiv Vorsicht geboten.

Wenn man das als Gedankenspiel hochrechnet: Deutschland hat um die 85 Millionen Einwohner, nehmen wir an das 15 Millionen das wollen würden. Und nehmen wir an, dass das für den größten Teil auch funktionieren würde, aber für 1 Million Menschen würde es nach hinten losgehen. Das wäre dann ein gesellschaftliches Problem. Denn natürlich kann man theoretisch sagen "selbst Schuld", aber wenn diese Menschen dann erst komplett pleite und obdachlos und in extrem schwierigen und zum Teil lebensbedrohlichen Situationen sind - abgesehen von moralischen Überlegungen würde das auch viele objektive Probleme schaffen. Ich vermute, dass die Gesellschaft dann schon auch trotzdem zahlen würde/müsste.
Diese Leute würden dann mMn ins normale Sozialnetz, das jedem Menschen hier freisteht, zurückfallen, sprich ALG1 und dann ALG2. Die Leben dann in der unangenehmen Wirklichkeit, dass sie ihr Leben lang Hartz4 beziehen müssen und entsprechend auch immer den unangenehmen Auflagen ausgesetzt sind (sprich weiter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen). Obdachlos müssen sie nicht unbedingt gleich werden.

Ja, aber es ist keine Option gar nicht krankenversichert zu sein.
Die privaten müssen einen Basistarif anbieten, der kann aber extrem mitunter schlechte Konditionen haben (teuer sind und wenig Leistungsumfang haben). Das lässt sich nicht 1:1 aufs Rentensystem umlegen, aber man könnte genauso "schlechte" Konditionen anbieten (vgl oben mit H4).

Ja, mir geht es dabei gar nicht so sehr um Fairness. Ich habe selbst ja von dieser Dynamik profitiert und auch mitbekommen das ich von einigen früher eher belächelt oder sogar für ansatzweise verrückt gehalten wurde. Und natürlich kann man dann sagen "ich bin das Risiko eingegangen und es hat funktioniert, andere wollten das nicht als das Potential noch hoch war - also ist es fair". Das ist aber nicht der wesentliche Aspekt.

Das Problem dabei ist: Da es wie ein Naturgesetz ist das Geld tendenziell noch mehr Geld anzieht und Geld wiederum oft auch zu mehr Einfluss führt, zumindest wenn es um sehr reiche Menschen geht, und das wieder mehr Möglichkeiten schafft um noch mehr Vermögen anzuhäufen, wird es in sich selbst destruktiv. Nehmen wir noch mal das Beispiel Bill Gates - nicht Microsoft als Dominator, sondern nur den Reichtum einer Person. Oder Bezos... Diese paar Superreichen haben derart viel das sie ganze Länder entschulden könnten. Und auch statistisch ist es ja so das sehr wenig wesentlich mehr haben als die ärmsten 50% - auch in eigentlich reichen Ländern. So etwas kann ja nicht gut für eine Gesellschaft sein. M.A.n. ist es auch nicht gut für die Superreichen.
In der Hinsicht bin ich vielleicht etwas anders als andere Liberale: Ich bin der Meinung, dass wenn es hohe Steuern gibt, dann sollten es Erbschafts- und Schenkungssteuer sein. Denn das sind die Steuern, die auf völlig leistungsloses Einkommen erhoben werden. Damit könnten reiche Eltern nicht mehr beliebig via Trust Funds für reiche Kinder vorsorgen, sondern müssten sich mehr darum kümmern, dass ihre Sprösslinge es auch allein im Leben schaffen. Leider ist es aber so, dass diese Steuern notorisch leicht zu umgehen sind - etwa, indem man Geld in irgendwelchen Gesellschaftsstrukturen parkt, die später irgendwann restrukturiert/verkauft werden. Grundsätzlich würde mir das aber mehr gefallen als dauernd ehrliche Arbeit zu besteuern. Das geht halt aber leider sehr verlässlich.

Wenn man Geld auf seine positivsten Eigenschaften reduziert, dann schafft Geld ein mehr an Sicherheit und ein mehr an Freiheit. Bei Milliardären ist das nicht mehr der Fall. Sie können sich nicht so frei und sicher bewegen wie Du oder ich. Natürlich können sie für alles bezahlen und sie leben in super Häusern und haben Bodyguards und natürlich fühlen auch sie sich frei weil sie mit ihren Jets durch die Gegend fliegen wie wir mit nem Bus durch eine Stadt fahren. Die haben das alles sehr gut organisiert. Aber während es noch einen großen Unterschied macht ob jemand 10.000 oder 100.000 hat und sicherlich auch noch ob jemand 1 Million oder 10 Millionen hat, ist das im Bereich von hunderten Millionen oder sogar Milliarden eher nicht mehr der Fall. Niemand der nicht psychisch krank ist kann so viel Geld gebrauchen.
Es stellt sich aber die Frage: Was heißt "Geld gebrauchen"? Die Superreichen geben ja nur einen Bruchteil ihres Vermögens wirklich für sich aus. Der absolute Großteil wird reinvestiert, und teilweise in beeindruckende Projekte. Bill Gates hat sein Geld und seinen Einfluss etwa genutzt, um Millionen und Abermillionen Kinder in Afrika durchzuimpfen, insb. gegen Masern, und dadurch geschätzt über 100 Millionen (!!!) Menschenleben gerettet. Masern war Ende des 20. Jahrhunderts noch eine Haupttodesursache auf der Welt, heute sterben daran "nur" noch etwas über 100.000 Menschen pro Jahr. Wenn man in diesen Dimensionen denkt, wirkt der zweistellige oder geringe dreistellige Milliardenbetrag, den er dafür aufgewendet hat, wie ein Schnäppchen.

Ein Milliardär muss ja nicht zwingend hohe Summen in irgendwelche kleinen Investments anlegen. Aber er kann das natürlich möglichst gut streuen und dann eben auch Geld, das ihm nicht fehlen würde, für normale Menschen aber schon extrem viel wäre (Millionen) in riskante Investments stecken die im Bestfall wieder extrem hohes Potential haben können.
Aber für einen Milliardär ist eine Million Rendite ja auch denkbar wenig. Anders gesagt:
Wenn ich 1 Mrd. € habe, sind 10 Mio € jährliche Rendite eher mau (1% p.a.).
Wenn ich hingegen 100.000€ haben, sind schon 20.000€ Rendite unfassbar gut (20% p.a.).

Insofern ja, man kann mit Millionen herumschmeißen, aber wenn sich so ein Investment dann verdreifacht, hat man trotzdem "nur" zwei Millionen mehr, und wenn man das auf die Jahresrendite runterrechnet ist das prozentuell weniger, als was ein Kleinanleger bekommen kann. In absoluten Zahlen selbstverständlich mehr. Was ich aber sagen will; die Potentiale sind unterschiedlich, aber nicht unbedingt systematisch unfair.

Es gibt noch einen wichtigen Unterschied:

Stell Dir jemanden vor der sehr reich ist und er streut auch einige Investments in Anlagen die ziemlich riskant sind. Er wird nicht pleite gehen wenn die kaputt gehen und er hat v.a. auch Zeit. Er kann sich vollkommen darauf konzentrieren wie diese Investments funktionieren.

Denk Dir dasselbe Szenario bei einem Familienvater der wesentlich weniger Geld hat. Prinzipiell kann er das gleiche tun, aber üblicherweise kommt so jemand auch mal in die Situation das Geld fehlt. Auto geht kaputt oder Kind braucht wegen irgendwas Geld usw. Menschen die ganz normale Leben führen, ohne viel Geld zu haben, sind viel öfter in Situationen das sie solche Investments dann zum falschen Zeitpunkt verkaufen müssen um liquide zu sein.

Es gibt viele Aspekte die Kleinanleger letztlich doch benachteiligen, selbst wenn sie prinzipiell das gleiche tun könnten und manchmal auch tun. Es ist für sie schwerer.
Ja, weniger vermögende Menschen haben naturgemäß weniger liquides Kapital. Aber ich möcht nochmal darauf verweisen, dass risikoreiche Anlagen nicht per se renditeträchtiger sind als risikoarme. Anlageobjekt für Anlageobjekt vielleicht, ja, aber wenn - wie du vorher gesagt hast - 9 von 10 Anlagen den Bach runtergehen, und das eine bringt plötzlich 80% Rendite, hast du im Schnitt trotzdem nur eine Rendite von 8% - und das bekommt man auch hin, wenn man in einfache Aktienfonds investiert.

Ich selbst investier etwa idR nur in große Aktienfonds und lass mein Geld da liegen. Insgesamt hab ich mit dieser Anlagestrategie netto sogar schon mehr Geld verdient wie früher mit Kryptowährungen.
 
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@Dyonisus hat aber geschrieben "Sozial ist was Menschen verbindet und sie nicht entzweit, es bedeutet auch Verantwortung für sich und andere zu übernehmen."

Das "Sozialklimbim" macht genau das nicht. Sozialstaat heißt, es wird jemandem von einem zentralen Machthaber etwas mit Gewalt weggenommmen, damit es ein anderer bekommt. Das hat nichts mit Verantwortung zu tun und auch nichts mit Verbindung.

Auf einem freien Markt gibt es einen Austausch von Waren oder Leistungen nur, wenn zwei Leute zueinanderfinden und sich einig werden. Der eine sagt "ich hätte gerne das", der andere: "gut, dafür hätte ich gerne das", und am Ende haben beide etwas, das sie vorher nicht hatten, aber wollen, und dafür etwas hergegeben, von dem sie zuviel hatten.
Die Alternative ist: jemand mit einer (sprichwörtlichen oder echten, je nachdem) Pistole kommt zu meinen hin und sagt: "du gibst das jetzt her" und gibt es dann einem anderen. Das ist nicht sozial und führt Menschen auch nicht zusammen.


Und das hat nichts mit Liberalismus oder den Theorien von Hayek zu tun. Ein richtiger Liberaler hätte etwa die Banken 2008 alle gegen die Wand fahren lassen. Zentrales Prinzip ist doch gerade,dass der Staat möglichst nicht in die Privatwirtschaft eingreift.

Ich sehe es ähnlich. Klar ist der Wirtschaftsliberalismus in sich erstmal auf Gewinnmaximierung aus, aber er beinhaltet auch die Freiheit des Einzelnen auf diesem Markt, raus aus der gängelnden Abhängigkeit von „Mutter“ Staat. Ein schlanker Staat besinnt sich auf die soziale Absicherung der Bürger, sollte aber nicht überregulierend die kleinen Unternehmer fesseln und sie durch unnütze Hürden und Paragrafenungetüme vom Markt fegen. Regulierung ist wichtig, aber sie muss klug und gezielt im Sinne einer freiheitlichen Sozialdemokratie umgesetzt werden.
 
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