Grundsätzlich sind wir Menschen für nur zwei Gefühlsreaktionen anfällig: Zuneigung und Abneigung beziehungsweise angenehme und unangenehme geistige Gefühle. Wir lassen uns von unseren Stimmungen versklaven und besitzen nur deshalb keine wirkliche Freiheit, weil wir ihre wahre Natur nicht kennen. Mögen ist durch das Ergreifen und Festhalten der Dinge charakterisiert, Nicht-Mögen durch den Versuch, sie wegzustoßen und loszuwerden.
Solange man ohne Achtsamkeit einfach dieses oder jenes liebt oder hasst, besteht keine Aussicht darauf, dass der Geist geläutert und aus der Tyrannei der Dinge befreit wird. Aus diesem Grund verwirft der Buddhismus das Ergreifen und Festhalten an attraktiven und abstoßenden Dingen und letztlich auch das Anhaften an Gut und Böse.
Andere Religionen lehren uns, das Böse zu vermeiden und das Gute anzustreben. Sie veranlassen uns dazu, nach dem Guten greifen und an ihm haften, sogar an der höchsten Erscheinungsform des Guten, an Gott selbst. Der Buddhismus geht in seiner höchsten Lehre darüber hinaus und lehnt jede Form des Anhaftens, an was auch immer, grundsätzlich ab.
Am Guten anzuhaften ist auf der mittleren Übungsstufe zwar richtig, aber was immer wir auch an Gutem tun, es kann uns nicht zur Vollendung bringen. Auf der untersten Stufe vermeiden wir das Böse, auf der mittleren Stufe bemühen wir uns nach Kräften, Gutes zu tun, während wir uns auf der höchsten Stufe der Übung bemühen, den Geist weit über dem Einfluss von Gut und Schlecht schweben zu lassen.
Der geistige Zustand, in dem man noch an den Früchten des Guten festhält, ist nicht die völlige Freiheit von Leiden, denn während ein böser Mensch seiner Bosheit entsprechend leidet, ist auch ein guter Mensch dem Leiden auf seine ihm entsprechende Art unterworfen. Sogar die wirklich guten Himmelswesen und Schöpfergottheiten erfahren noch ihre eigene Art des Leidens. Vollständige Freiheit von allen Formen des Leidens wird nur erreicht, wenn der Mensch sogar das Gute transzendiert hat und zu einem Erwachten wird.