Das Lied vom Tod

Terrageist

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Der Film "Spiel mir das Lied vom Tod".

Ein Klassiker, Italo-Western, mir schon von früher Jugend bekannt, nicht dass ich ihn da schon gesehen hätte,
aber eine gute Bekannte erzählte viel davon, wobei sie wohl große Schwierigkeiten hatte mit dieser , ansich ja Hauptszene, bei der ein verhältnismäßig kleiner Junge (vielleicht zehn Jahre alt?), seinen Vater auf der Schulter halten muss in stehender Weise, während der Vater gleichzeitig eine Schlinge um den Hals hat.
Sobald der Junge stürzt und ihn nicht mehr halten kann, muss sein Vater ersticken.

Der üble Missetäter, der ihn in diese Situation gezwungen hat, steckt ihm derweil, während er da steht, mit dem Vater auf den Schultern, eine Harmonika in den Mund, und sagt dabei: "Spiel mir das Lied vom Tod."

Später dann, wie kann es anders sein, verfolgt dieser ehemalige Junge, dessen Vater bei dieser Geschichte ums Leben kam, den ehemaligen Missetäter, ohne dass der sich noch daran erinnern kann.
Er fragt immer, wer bist du, und weiß es nicht mehr. Erst als der Rächer ihn tödlich getroffen hat und ebenfalls eine Harmonika in den Mund schiebt / steckt, kommt die Erinnerung , und damit zugleich auch für ihn der Tod.

Jetzt könnte man meinen, das ist die ganze Geschichte, und es ist ja eine alte Geschichte, vielleicht 70iger Jahre oder ähnlich?
Mir erscheint der Film aber jetzt doch, beim genauen darüber nachdenken, recht zeitlos und von der Bedeutung viel tiefer zu sein, als es mir sonst immer vorkam.

Nicht dass ich da immer drüber nachdenke, aber kürzlich war es ein Thema in einem Forum, was mich wieder daran erinnert hat.

Es geht ja dabei auch um die Geschichte einer Frau, die, ehemals Prostituierte, ihr Glück nun im wilden Westen versuchen will, sie hatte einen Iren kennengelernt, zu dem sie ziehen und den sie heiraten möchte.
Als sie aber ankommt, wurde dieser Ire gerade mitsamt seinen ganzen Kindern, die sie direkt mit dabei gehabt hätte, getötet, und sie findet nur noch die Leichen vor.

Aber das Haus ist da, in das sie nun einzieht.

Umgeben ist sie von verschiedenen Männern, und zu jedem hat sie eine Art von Beziehung.

Da ist einmal der ehemalige Junge mit der tragischen Vergangenheit, der eigentlich nur da ist, um sich zu rächen. Dann ist da der Oberschurke, zu dem sie sich sexuell hingezogen fühlt.

Und eine Art Obergauner, der recht "weise" und gesetzt, etwas wie jenseits von Gut und Böse wirkt,
der einfach ab und zu mal bei ihr vorbeikommt, eine Tasse Kaffee trinken, die wie er meint, sie gut kochen kann, nicht wie wir so mit Kaffeemaschine, sondern ganz nach wilder Westen-Tradition überm Feuer am Herd.
Sie mochte ja besonders gern diesen ehemaligen Jungen, der sich einfach mit seiner Harmonika nur rächen will, und der am Ende auch nicht bei ihr bleibt, sondern nach getaner Tat wieder seiner Wege zieht.
Der Ältere Gesetzte bietet ihr an, bei ihr zu bleiben, aber in diesem Sinne hat sie für ihn keine Augen.

Aber er hat sich auch, als er sie fragt, bereits eine tödliche Kugel irgendwo eingefangen, lässt es sich nur nicht anmerken und stirbt kurz danach, draußen, wie es sich gehört für einen Westernhelden, in der Einsamkeit.

Ich würde sagen, der "Tod" wird in diesem Film nicht nur von einer Seite beleuchtet, er erscheint in vielen Faczetten.

Ich habe mal so überlegt, für welchen Mann ich mich entschieden hätte, wenn ich in diesem Film an der Stelle dieser Frau gewesen wäre, mit meinem Denken und Fühlen von hier, aus meiner Sicht als Zuschauerin.
Ich hätte mich eher nicht so sehr für den Rächer interessiert, und der Oberfiesling kam sowieso nicht in Frage. Ich hätte den weisen klugen Kaffeetrinker genommen. :D Denn der hatte was für mich.
Verstehe gar nicht, warum sie dem so wenig Beachtung beigemessen hatte. :)

Nun, und da hab ich jetzt überlegt. Dieser Mann wäre ja, wenn sie ja gesagt hätte, kurz danach gestorben.
War es dann so etwas wie der Tod?
Oder eine ganz andere Art von "Leben"?

Nun, langer Text, ist mir klar ..:D
Vielleicht hat mal einer genug Langeweile zum Lesen.





Ich denke außerdem, mir kam der Gedanke vorhin so, dass dieses Bild mit dem Jungen, der seinen Vater auf den Schultern trägt, imgrunde ein Bild für den "Lichtträger" ist, mit dem nach alten religiösen Geschichten unser aller Leben begonnen hat, bzw. die ganzen Kreisläufe.
Es kann der Sohn nicht den Vater auf den Schultern tragen.

Und obwohl er sich gerächt hat, hat er doch keine Befreiung gefunden. Denn er ist auch nicht in der Lage bei der Frau zu bleiben, als sie ihn fragt, sagt er nur: "Irgendjemand wartet immer".
Er brauchte ja Standhaftigkeit, Stabilität, um seinen Vater halten zu können. Und die hat er nun nicht mehr, auch nach der Rache.
 
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Da schlägt mein Cineasten-Herz doch gleich höher. Ja, das ist ein Film, der sehr zum Nachdenken anregt und nicht umsonst ein Meilenstein in der Filmgeschichte ist.

Allerdings denken wir durch die deutsche Version immer, es wäre der Vater gewesen, den der Junge auf den Schultern tragen musste. Erst im Englischen wird deutlich, dass es der ältere Bruder war, der den kleineren sicherlich aufgezogen hat und somit auch durchaus eine Vaterfigur verkörpert.

Als Henry Fonda ihm die Mundharmonika in den Mund drückt, sagt er ihm sinngemäß "halte deinen geliebten Bruder bei guter Laune", was in meinen Augen noch viel sadistischer und brutaler ist als "Spiel mir das Lied vom Tod".

Dann sieht es für mich so aus, als ob der Bruder, der am Strick hängt den kleineren mit den Beinen am Ende wegstößt, damit sich jener nicht länger quälen muss und am Ende noch durch Schuldgefühle zerbricht. Hier steht eine intensive Liebe gegen geballten Sadismus und das abgrundtiefe Böse, die aber angesichts der Übermacht chancenlos ist.

Ich packe dir noch mal den englischen Link des Showdowns dazu.

 
Da schlägt mein Cineasten-Herz doch gleich höher. Ja, das ist ein Film, der sehr zum Nachdenken anregt und nicht umsonst ein Meilenstein in der Filmgeschichte ist.

Allerdings denken wir durch die deutsche Version immer, es wäre der Vater gewesen, den der Junge auf den Schultern tragen musste. Erst im Englischen wird deutlich, dass es der ältere Bruder war, der den kleineren sicherlich aufgezogen hat und somit auch durchaus eine Vaterfigur verkörpert.

Als Henry Fonda ihm die Mundharmonika in den Mund drückt, sagt er ihm sinngemäß "halte deinen geliebten Bruder bei guter Laune", was in meinen Augen noch viel sadistischer und brutaler ist als "Spiel mir das Lied vom Tod".

Dann sieht es für mich so aus, als ob der Bruder, der am Strick hängt den kleineren mit den Beinen am Ende wegstößt, damit sich jener nicht länger quälen muss und am Ende noch durch Schuldgefühle zerbricht. Hier steht eine intensive Liebe gegen geballten Sadismus und das abgrundtiefe Böse, die aber angesichts der Übermacht chancenlos ist.

Ich packe dir noch mal den englischen Link des Showdowns dazu.


Ich habe den in der Originalversion schon zig-mal gesehen und werde ihn auch irgendwann wieder sehen, obwohl ich die meisten Texte mitsprechen kann.
Ein einmaliger Film.

Gruß

Luca
 
Da schlägt mein Cineasten-Herz doch gleich höher. Ja, das ist ein Film, der sehr zum Nachdenken anregt und nicht umsonst ein Meilenstein in der Filmgeschichte ist.

Allerdings denken wir durch die deutsche Version immer, es wäre der Vater gewesen, den der Junge auf den Schultern tragen musste. Erst im Englischen wird deutlich, dass es der ältere Bruder war, der den kleineren sicherlich aufgezogen hat und somit auch durchaus eine Vaterfigur verkörpert.

Als Henry Fonda ihm die Mundharmonika in den Mund drückt, sagt er ihm sinngemäß "halte deinen geliebten Bruder bei guter Laune", was in meinen Augen noch viel sadistischer und brutaler ist als "Spiel mir das Lied vom Tod".

Dann sieht es für mich so aus, als ob der Bruder, der am Strick hängt den kleineren mit den Beinen am Ende wegstößt, damit sich jener nicht länger quälen muss und am Ende noch durch Schuldgefühle zerbricht. Hier steht eine intensive Liebe gegen geballten Sadismus und das abgrundtiefe Böse, die aber angesichts der Übermacht chancenlos ist.

Ich packe dir noch mal den englischen Link des Showdowns dazu.


Hallo Nithaiah,
danke für deine Hinweise, das gibt nochmal viel Aufschluss.
Dass es der große Bruder war, finde ich auch sehr interessant. :)
Und, du hast recht, es sieht so aus, als wenn der große Bruder
den kleinen im entscheidenden Moment wegstößt.
Danke für deinen Input nochmal.

Lieben Gruß
 
Und obwohl er sich gerächt hat, hat er doch keine Befreiung gefunden. Denn er ist auch nicht in der Lage bei der Frau zu bleiben, als sie ihn fragt, sagt er nur: "Irgendjemand wartet immer".

Ich glaube eher, dass er wusste, dass sie mit "Frank", dem Mann, der ihren Gatten und ihre Stiefkinder so wie seinen Bruder umgebracht hat, geschlafen hat, um sich zu retten.
Das kann er ihr nicht verzeihen und zieht deshalb weiter.
Außerdem weiß er, dass Cheyenne sie liebt und will ihm sein Glück gönnen.
Um Jill wird man sich wohl keine Sorgen machen müssen, sie wird einen anderen finden, der bei ihr bleibt, wie lange, nun, das ist fraglich, aber da im Westen Frauenknappheit herrscht, wird sie immer jemanden haben, der ihr zur Seite steht.

Gruß

Luca
 
Hallo Nithaiah,
danke für deine Hinweise, das gibt nochmal viel Aufschluss.
Dass es der große Bruder war, finde ich auch sehr interessant. :)
Und, du hast recht, es sieht so aus, als wenn der große Bruder
den kleinen im entscheidenden Moment wegstößt.
Danke für deinen Input nochmal.

Lieben Gruß

Ja, es sieht so aus. Er merkt, dass der Bruder schon am Ende seiner Kraft ist und anfängt zu wanken und schwer zu atmen (man hört es durch die Mundharmonika hinter der Filmmusik) und schaut in die grinsenden Gesichter der Verbrecher und weiß, dass diese niemals Mitleid gezeigt hätten und bis zum bitteren Ende ihr perverses Vorhaben durchgezogen hätten.

Gleichzeitig weiß er auch, dass der kleinere Bruder ihn bis zum Zusammenbruch getragen hätte. Das wollte er ihm einfach nicht antun. So interpretiere ich die Szene jedenfalls.

Lieben Gruß zurück!
 
Ich habe den in der Originalversion schon zig-mal gesehen und werde ihn auch irgendwann wieder sehen, obwohl ich die meisten Texte mitsprechen kann.
Ein einmaliger Film.

Gruß

Luca

Das sind ja auch die allerbesten Filme. Die, in denen man praktisch schon mitspielen könnte und die man trotzdem immer wieder gerne aufs Neue sieht. :)
 
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