Das Buch von the_pilgrim

„Probiere es doch aus. Stell dir einen flauschigen rosa Bettvorleger vor, ohne zu schnippsen.”

Das tat sie. Nichts passierte.

„Prima. Jetzt etwas, das du haben möchtest.”

Amanda dachte an das T–Shirt, in dem sie am liebsten schlief, und schnippste. Schon hielt sie es staunend in der Hand.

„Super, es klappt. Dann lasse ich dich jetzt schlafen. Angenehme Träume, falls Cyborgs träumen können. Gute Nacht.”

„Das können wir. Danke.” Amanda lächelte. „Gute Nacht.”

Als Adasger gegangen war, schnippste Amanda noch einmal. Vor ihrem Bett lag nun doch ein flauschiger rosa Bettvorleger. Peinlich, aber seltsam befriedigend. Nachdem sie eine Weile untätig auf der Bettkante gesessen und vor sich hin gestarrt hatte, zog sie ihr Schlaf–T–Shirt an, legte sich in ihr vertrautes Bett und schlief und schlief und schlief. Als sie nach Stunden erwachte und allmählich begriff, dass sie in der Wildsau war, drehte Amanda sich lächelnd um und schlief weiter. Die Welt konnte sie mal. Sie würde ab jetzt tun und lassen, was sie wollte. Endlich Freiheit!


Das Wunder im Dschungel


Als Borowski von Renko abließ und anfing, an die Bäume zu pinkeln, hörte das Getobe auf. Die beiden Freunde sahen sich an, bis Renko fragte: „Sag mal, wie bin ich eigentlich in diesem Dschungel gelandet? Gerade war ich doch noch im lichten Wald.” Josh klappte die Kinnlade runter. Er starrte Renko an, unfähig ihm zu antworten.

„Was ist? Warum guckst du so komisch?”

Josh japste, verschluckte sich und lachte hustend. „Alter! Man, das sind die ersten Worte, die ich jemals von Dir zu hören gekriegt habe. Das muss ich erst mal verdauen.”

Renko runzelte die Stirn. „Ach ja, da war ja noch was ... ich rede nicht. Hatte ich ganz vergessen.” Er grinste. „Erzähle, was ist passiert?”

Josh lachte hysterisch und kriegte sich gar nicht wieder ein. Renko verdrehte die Augen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Lachanfall abzuwarten. Er hatte keinen Schimmer, was so lustig sein sollte. Schließlich wurde er ungeduldig und boxte Josh auf den Arm. „Ach, komm schon, lass mich hier nicht doof warten, ich bin neugierig.”

Josh wischte sich prustend die Lachtränen aus den Augenwinkeln und erzählte ihm die ganze Geschichte. Renko war fassungslos. Das war das Unglaublichste, das er je erlebt hatte, und er konnte sich an nichts davon erinnern. An nichts!

„Ich bin stinksauer”, grummelte er.

„Sauer? Weswegen?”

„Na, weil ich den ganzen Spaß verpasst habe. Ich kann mich an absolut gar nichts erinnern. So eine Sauerei! Und es gibt nicht einmal Fotos, oder? Ich könnte kotzen.”

„Stimmt. An Fotos habe ich nicht eine Sekunde gedacht. Sorry, aber ich hatte echt anderes im Kopf, man. Du erinnerst dich echt an gar nichts?”

„Nö. Lichter Wald – Dschungel. Mehr weiß ich nicht. Das ist doch ... das ist doch ... Käse.”

„Ach, sei froh. Die Gandrocks waren reine Folter, man. Das waren die schlimmsten Wochen meines Lebens, ungelogen. Grau–en–voll, ich schwör's.”

„Wenn du das sagst”, antwortet Renko finster. „Es wäre mir trotzdem lieber, mich im Nachhinein bei der Erinnerung schütteln zu können. Apropos schütteln, war das gerade dieser Cyborg neben Adasger? Der, von dem du erzählt hast?”

„Jepp. Sie heißt Amanda.”

„Und sie ist jetzt die Security der Wildsau? Wozu brauchen wir denn sowas? Musstest mal wieder den Samariter spielen, was? Jungfrau in Not retten und so?”

„Was?! Nein! Damit hat das nichts zu tun, man.”

„Ach nee?” Renko grinste. „Wie ist sie denn so?”
 
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Josh sah Renko stirnrunzelnd an. „Du brauchst gar nicht so zu grinsen, man. Ich mag sie, das ist alles. Sie ist ein bisschen unkig drauf, aber das ist bei ihrer Geschichte wohl kein Wunder. Vielleicht gibt sich das noch, sie ist ansonsten eigentlich ganz cool. Hätte ich sie etwa alleine in der Oase zurücklassen sollen?”

„Nein, schon gut. Hast du sie schon in Aktion gesehen?”

„Nö. Gab ja keinen Grund. Ich bin auch gespannt drauf, wird bestimmt lustig, wenn's mal so weit ist.” Josh sah Renko wieder staunend an. „Du sprichst. Einfach so. Ich kann's immer noch nicht glauben, man. Das ist absolut obergroßartig, weißte das? Und ich mag deine Stimme.” Josh grinste. „Trotzdem. Es wird dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe, echt wahr. Das ist zu abgefahren. Sag mal, warum hast du denn nun eigentlich so lange geschwiegen?”

Renko dachte nach. „Ich wollte, dass mich die Mächte der Finsternis in Ruhe lassen. Ich habe geschwiegen und mich blöd gestellt – das hat ewig gedauert, bis es funktioniert hat. Naja, und dann war es irgendwann normal, nicht mehr zu reden. Es gab nichts zu sagen. Worte werden völlig überbewertet.” Er zuckte die Schultern und sah Josh an. „Gewohnheit, schätze ich.” Abrupt stand er auf. „Ich hab Lust im Wald rumzulaufen, aber nicht hier. Kommst du mit?”

„Klar.”

Renko rief nach Borowski, nahm ihn auf den Arm, legte Josh eine Hand auf die Schulter und wechselte mit den beiden in den lichten Wald.


Die Wildsäue


Amanda erwachte erneut und musste sie sich erst einmal orientieren. Ach ja, Wildsau. Sie musste dringend aufs Klo und wollte duschen. Wo war hier nochmal das Bad? Dann erinnerte sie sich an das Schnippsen. Noch immer skeptisch probierte sie es wieder aus – und es funktionierte: an der gegenüberliegenden Wand erschien eine Tür. Das war total verrückt, aber auf eine gute Art. Sie betrat das Badezimmer, das genauso aussah wie das im Konglomerat, funktional und vertraut. Irritiert stellte sie fest, dass in der Ecke das benutzte Handtuch lag, das sie vor ihrer Abreise vergessen hatte in den Wäschekorb zu legen.

Als sie endlich fertig war, hatte sie Hunger. Sie war die Letzte, die die Wildsau betrat. Alle anderen frühstückten bereits und unterhielten sich.

„ ... hat bisher noch keinen eigenständigen Satz gesagt. So langsam frage ich mich, ob das überhaupt möglich ist. Wo soll denn der eigene Antrieb und die Motivation dazu herkommen? Sie hat schließlich keine Gefühle oder Bedürfnisse. Selbst ein vorprogrammiertes Ziel würde nur so wirken, als hätte sie eigenständige Ideen, es wäre nicht echt. Ich glaube, sie ist nicht mehr als ein Werkzeug und wird es wohl auch bleiben”, sagte Adasger.

„Worum geht es?”, fragte Amanda und setzte sich zu den anderen an den Tisch.

„Um die KI der Wildsau”, antwortete Josh. „Adasger denkt, dass sie kein Wesen sondern nur ein Werkzeug ist. Hast du nicht auch eine KI im Kopf?”

„Ja und nein. Nicht wirklich. Ich habe diese Datenbank, die sich selbst verwaltet, aber eine echte KI ist das nicht, nur eine abgespeckte, passive Version. Es ist eine Art erweiterte Erinnerung, mehr nicht.”

„Aber du hast Erfahrungen mit KIs, oder? Kennst du eine?”, fragte Josh.

„Ja, stimmt schon. Es gibt sie überall im Konglomerat, sie sind Teil der Gesellschaft, aber ich würde nicht behaupten, dass ich eine davon kenne. Nein.”

„Was glaubst du, sind es Wesen oder Werkzeuge?”

„Darüber habe ich noch nie nachgedacht, ehrlich gesagt. Ich weiß es nicht. Ist das wichtig?”

„Naja, der Grund, warum Renko und ich hier sind, ist die KI. Wir sollen sie sozusagen erziehen, damit die Wildsau eigenständig werden kann. Nur stellt sich inzwischen die Frage, ob das überhaupt möglich ist.”

„Das weiß ich nicht, sorry. Die KI kann die Wildsau eigenständig betriebsbereit halten, soviel weiß ich. KIs sind funktional und zuverlässig”, sagte Amanda.

„Ja. Das ist nur leider nicht das, was Jörgen im Sinn hatte, oder?”, fragte Renko Adasger. „Vielleicht ist er einfach von falschen Annahmen ausgegangen. Gut möglich, dass das gar nicht geht.”

„Eigentlich wollte Jörgen vor allem, dass die Wildsau weiter existiert”, antwortete Adasger. „Das tut sie ja. Ich fühle mich hier inzwischen ganz zu Hause.”

„Jau. Geht mir ähnlich, man”, sagte Josh. „Obwohl ich kaum Zeit hier verbracht habe, war der Gedanke, in die Wildsau zurückzukehren wie ein Anker, als wir unterwegs waren. So ein Gefühl hatte ich noch nicht oft.”
 
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Das war jetzt ne Menge zum Reinschnuppern.

Wer weiterlesen möchte, kann mir per PN seine*ihre Email geben, dann schicke ich den Rest rüber.
 
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