the_pilgrim
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Die unbucklige Wildsau
In der Wildsau passierte nicht viel. Es dauerte drei Tage, aber endlich hatte Adasger sie fertig aufgeräumt und blitzsauber geschrubbt. Er hatte nichts mehr zu tun und sah sich um. Eigentlich mochte er Kneipen gar nicht. Sie waren ein geselliger Ort, aber ihn störte, dass Alkohol so ein zentraler Faktor war, denn zu oft hatte das üble Auswirkungen. Es war zwar angenehm ab und zu mal ein wenig oder auch ein wenig mehr zu trinken, aber manche konnten nicht damit umgehen, kannten ihr eigenes Maß nicht, und auf Dauer von dieser Atmosphäre umgeben zu sein, fühlte sich nicht gut an. Der ganze Raum schrie förmlich permanent 'Alkohol'. Er musste nicht lange überlegen und schnippste kurz entschlossen die Theke weg. Statt dessen schnippste er eine passend aussehende Küche herbei, robust und ohne Schnörkel, es sollte ja nicht kitschig–rustikal wirken.
Außerdem mochte er Bücher, ja, er wollte ein Bücherregal, am liebsten in der Nähe des Kamins. Er betrachtete die versteckte Sitzecke. Josh hatte bezweifelt, dass er sie jemals brauchen würde, und war sie nicht wirklich inzwischen überflüssig? Sie stammte aus einer anderen Zeit und war schon ewig nicht mehr benutzt worden. Adasger schnippste auch sie einfach weg, entfernte die Schutzmechanismen und ersetzte das Ganze durch ein gut gefülltes Bücherregal. Na, das sah doch schon viel besser aus.
Dann fiel sein Blick auf die Trophäe der Wildsau, die immer noch über der Küche hing, ohne Jörgen toter als tot. Die neue KI dazu zu ermuntern, ab und zu die Augen leuchten zu lassen, fühlte sich unpassend an. Es war an der Zeit, diese Erinnerung ebenfalls verschwinden zu lassen, das Leben ging weiter. Mögen Jörgen und das arme Tier, das als Blickfänger hatte herhalten müssen, nun in Frieden ruhen. Adasger schnippste die Trophäe weg und ersetzte sie durch eine impressionistische Skulptur aus Bronze: sie zeigte den Kopf einer durch die Wand brechenden Wildsau mit irrem Blick, vor Trotz und Lebendigkeit strotzend. Viel besser.
Er machte sich einen Kaffee, sah sich um und war vorläufig zufrieden. Noch nicht ganz ideal, aber ein guter Anfang. Er suchte im Regal nach einem passenden Buch und machte es sich auf dem Sofa bequem. Borowski lag schlafend auf Renkos T–Shirt, im Kamin prasselte – wie immer – ein Feuer.
Der Drache
Renko sah den Drachen zurückkehren und war hin und weg von dem Anblick. Als dieser wieder halb im Meer lag, sah er so aus wie vorher: nur ein Felsen, auf den die Brandung krachte. Renko hätte ihn sich gerne aus der Nähe angesehen, aber er war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre. Er sah Amanda an, aber die war immer noch geistig abwesend. Langsam fing Renko an sich zu fragen, ob er sie vielleicht mal anstubsen sollte, aber er selbst hasste es, wenn er tief in Gedanken war und dabei gestört wurde, also ließ er es bleiben.
Er sah wieder den Drachen an. Ach, warum eigentlich nicht. Renko stand auf und schlenderte langsam auf den Drachen zu. Was sollte ihm schon passieren? Feuer konnte ihm nichts anhaben. Der Drache könnte zwar angreifen und versuchen ihn zu fressen, aber notfalls könnte sich Renko einfach wegteleportieren.
Doch dazu kam es gar nicht. Als der Drache Renko sah, schnaubte er zuerst ein paar Rauchwolken in seine Richtung – und drehte sich dann auf den Rücken. Renko musste lachen, das sah wirklich einzigartig albern aus. Der Drache benahm sich wie ein Hund, der gekrault werden wollte. Moment. Wollte er das etwa wirklich? Renko trat an die Seite des Drachens und strich zögernd über die Schuppen an der Seite des Bauches. Dem Drachen schien das zu gefallen, zumindest ließ er es sich gefallen. Ganz hinauf reichte Renko nicht, dazu war er nicht groß genug. Er konnte den Puls des langsam und kräftig schlagenden Herzens fühlen. Das Gefühl, das das in Renko auslöste, war nicht in Worte zu fassen.
Aus einem Impuls heraus kletterte Renko unbeholfen auf den Drachen und stand schließlich auf seinem Bauch. Die Gischt durchnässte ihn, aber davon bekam er gar nichts mit, denn der Herzschlag des Drachens drang durch seine nackten Füße und schien durch seinen ganzen Körper zu pulsieren, ganz im Einklang mit dem Schlag seines eigenen Herzens. Das war mit nichts zu vergleichen, was Renko jemals erlebt hatte. Er stand einfach nur da, schloss die Augen und genoss das Gefühl.
Dann fing der Drache an, sich zu bewegen, ganz vorsichtig, wie es schien. Er warf Renko nicht ab, also bemühte dieser sich oben zu bleiben, indem er sich balancierend den Bewegungen anpasste. Als sich der Drache vom Rücken auf den Bauch umgedreht hatte, breitete er langsam die großen Flügel aus. Mit klopfendem Herzen setzte sich Renko auf seine Schultern. Nach zwei kräftigen Flügelschlägen, deren Bewegung Renko nach Luft schnappen ließen, erhob sich der Drache in die Luft. Sie flogen. Unfassbar. Sie flogen!
In der Wildsau passierte nicht viel. Es dauerte drei Tage, aber endlich hatte Adasger sie fertig aufgeräumt und blitzsauber geschrubbt. Er hatte nichts mehr zu tun und sah sich um. Eigentlich mochte er Kneipen gar nicht. Sie waren ein geselliger Ort, aber ihn störte, dass Alkohol so ein zentraler Faktor war, denn zu oft hatte das üble Auswirkungen. Es war zwar angenehm ab und zu mal ein wenig oder auch ein wenig mehr zu trinken, aber manche konnten nicht damit umgehen, kannten ihr eigenes Maß nicht, und auf Dauer von dieser Atmosphäre umgeben zu sein, fühlte sich nicht gut an. Der ganze Raum schrie förmlich permanent 'Alkohol'. Er musste nicht lange überlegen und schnippste kurz entschlossen die Theke weg. Statt dessen schnippste er eine passend aussehende Küche herbei, robust und ohne Schnörkel, es sollte ja nicht kitschig–rustikal wirken.
Außerdem mochte er Bücher, ja, er wollte ein Bücherregal, am liebsten in der Nähe des Kamins. Er betrachtete die versteckte Sitzecke. Josh hatte bezweifelt, dass er sie jemals brauchen würde, und war sie nicht wirklich inzwischen überflüssig? Sie stammte aus einer anderen Zeit und war schon ewig nicht mehr benutzt worden. Adasger schnippste auch sie einfach weg, entfernte die Schutzmechanismen und ersetzte das Ganze durch ein gut gefülltes Bücherregal. Na, das sah doch schon viel besser aus.
Dann fiel sein Blick auf die Trophäe der Wildsau, die immer noch über der Küche hing, ohne Jörgen toter als tot. Die neue KI dazu zu ermuntern, ab und zu die Augen leuchten zu lassen, fühlte sich unpassend an. Es war an der Zeit, diese Erinnerung ebenfalls verschwinden zu lassen, das Leben ging weiter. Mögen Jörgen und das arme Tier, das als Blickfänger hatte herhalten müssen, nun in Frieden ruhen. Adasger schnippste die Trophäe weg und ersetzte sie durch eine impressionistische Skulptur aus Bronze: sie zeigte den Kopf einer durch die Wand brechenden Wildsau mit irrem Blick, vor Trotz und Lebendigkeit strotzend. Viel besser.
Er machte sich einen Kaffee, sah sich um und war vorläufig zufrieden. Noch nicht ganz ideal, aber ein guter Anfang. Er suchte im Regal nach einem passenden Buch und machte es sich auf dem Sofa bequem. Borowski lag schlafend auf Renkos T–Shirt, im Kamin prasselte – wie immer – ein Feuer.
Der Drache
Renko sah den Drachen zurückkehren und war hin und weg von dem Anblick. Als dieser wieder halb im Meer lag, sah er so aus wie vorher: nur ein Felsen, auf den die Brandung krachte. Renko hätte ihn sich gerne aus der Nähe angesehen, aber er war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre. Er sah Amanda an, aber die war immer noch geistig abwesend. Langsam fing Renko an sich zu fragen, ob er sie vielleicht mal anstubsen sollte, aber er selbst hasste es, wenn er tief in Gedanken war und dabei gestört wurde, also ließ er es bleiben.
Er sah wieder den Drachen an. Ach, warum eigentlich nicht. Renko stand auf und schlenderte langsam auf den Drachen zu. Was sollte ihm schon passieren? Feuer konnte ihm nichts anhaben. Der Drache könnte zwar angreifen und versuchen ihn zu fressen, aber notfalls könnte sich Renko einfach wegteleportieren.
Doch dazu kam es gar nicht. Als der Drache Renko sah, schnaubte er zuerst ein paar Rauchwolken in seine Richtung – und drehte sich dann auf den Rücken. Renko musste lachen, das sah wirklich einzigartig albern aus. Der Drache benahm sich wie ein Hund, der gekrault werden wollte. Moment. Wollte er das etwa wirklich? Renko trat an die Seite des Drachens und strich zögernd über die Schuppen an der Seite des Bauches. Dem Drachen schien das zu gefallen, zumindest ließ er es sich gefallen. Ganz hinauf reichte Renko nicht, dazu war er nicht groß genug. Er konnte den Puls des langsam und kräftig schlagenden Herzens fühlen. Das Gefühl, das das in Renko auslöste, war nicht in Worte zu fassen.
Aus einem Impuls heraus kletterte Renko unbeholfen auf den Drachen und stand schließlich auf seinem Bauch. Die Gischt durchnässte ihn, aber davon bekam er gar nichts mit, denn der Herzschlag des Drachens drang durch seine nackten Füße und schien durch seinen ganzen Körper zu pulsieren, ganz im Einklang mit dem Schlag seines eigenen Herzens. Das war mit nichts zu vergleichen, was Renko jemals erlebt hatte. Er stand einfach nur da, schloss die Augen und genoss das Gefühl.
Dann fing der Drache an, sich zu bewegen, ganz vorsichtig, wie es schien. Er warf Renko nicht ab, also bemühte dieser sich oben zu bleiben, indem er sich balancierend den Bewegungen anpasste. Als sich der Drache vom Rücken auf den Bauch umgedreht hatte, breitete er langsam die großen Flügel aus. Mit klopfendem Herzen setzte sich Renko auf seine Schultern. Nach zwei kräftigen Flügelschlägen, deren Bewegung Renko nach Luft schnappen ließen, erhob sich der Drache in die Luft. Sie flogen. Unfassbar. Sie flogen!