Buddhisten glauben nicht an eine Seele

A

Astroharry

Guest
Milindapañha, 2. Kapitel
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Mil. 3.2.5. Wiedergeburt ohne Seelenwanderung
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Der König sprach: "Vollzieht sich wohl, ehrwürdiger Nágasena, die Wiedergeburt ohne eine Seelenwanderung?" (Wörtl.: "geht man nicht hinüber und wird (doch) wiedergeboren")
"Gewiß, o König."
"Wieso aber, o Herr, kann es Wiedergeburt geben ohne eine Seelenwanderung? Erkläre mir dies."
"Wenn zum Beispiel, o König, ein Mann eine Lampe an einer anderen Lampe anzündet, würde da wohl das Licht der einen Lampe zur anderen Lampe hinüberwandern?"
"Nicht doch, o Herr."
"Ebenso auch, o König, wird man wiedergeboren, ohne daß dabei irgend etwas hinüberwandert."
"Gib mir ein weiteres Gleichnis!"
"Erinnerst du dich vielleicht, o König, daß du als Knabe von deinem Lehrer irgend ein Gedicht gelernt hast?"
"Gewiß, o Herr."
"Wie nun aber, o König: ist etwa jenes Gedicht von deinem Lehrer (während er es rezitierte) zu dir hinübergewandert?"
"Nicht doch, o Herr."
"Ebenso auch, o König, wird man wiedergeboren, ohne daß dabei irgend etwas hinüberwandert."
"Klug bist du, ehrwürdiger Nágasena!"
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Mil. 3.2.6. Keine Seele
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Der König sprach: "Gibt es wohl, ehrwürdiger Nágasena, ein erkennendes Seelenwesen (vedagu)?"
"Im höchsten Sinne, o König, gibt es kein erkennendes Seelenwesen."
"Klug bist du, ehrwürdiger Nágasena!"
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Mil. 3.2.7. Identität des Täters
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Der König sprach: "Gibt es wohl ehrwürdiger Nágasena, irgend ein Wesen, das beim Tode von dem einen Körper in einen anderen Körper hinüberwandert?"
"Nein, o König."
(Im absoluten Sinne (paramattha-vasena) gibt es überhaupt kein Wesen, also auch kein Wesen, das von einem Körper in einen anderen hinüberwandert, sondern eben bloß einen den Tod überdauernden psycho-physischen Prozeß).
"Wenn dies sich aber so verhält, o Herr, entgeht man denn dadurch nicht der Folge böser Taten?"
"Wenn man nicht mehr wiedergeboren wird, (Genauer: wenn der psycho-physische Daseinsprozeß zum Stillstande gelangt ist, also nach dem Tode des Vollkommen-Heiligen) dann wohl. Solange man aber noch wiedergeboren wird, entgeht man nicht der Folge böser Taten."
"Erkläre mir dies!"
"Wenn da irgend ein Mann vom Baum eines anderen Mangos gestohlen hätte, verdiente der wohl Strafe?"
"Gewiß verdiente er Strafe, o Herr."
"Wieso denn? Er hat doch gar nicht jene Mangos gestohlen, die der andere gepflanzt hat?"
"Jenen (gepflanzten) Mangos aber zufolge sind diese (gestohlenen) Mangos entstanden. Darum eben verdient er Strafe."
"Ebenso auch, o König, werden durch diese geistig-körperliche Verbindung gute oder böse Taten gewirkt, und zufolge jener Taten entsteht eine neue geistig-körperliche Verbindung. Darum eben entgeht man nicht der Folge böser Taten."
"Klug bist du, ehrwürdiger Nágasena!"
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Das Milindapañha ist ein bedeutender Quelltext des Buddhismus.

Geht daraus hervor, dass die Buddhisten nicht an eine den Tod überdauernde Seele glauben, wie das in anderen Religionen der Fall ist?

Wer möchte, kann zu o.a. Originaltext Stellung beziehen.
 
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Ich darf das mal korrigieren:


Astroharry glaubt, Buddhisten glaubten nicht an eine Seele.



@Astroharry: Nix für ungut, aber so stimmte das nicht. ;)
 
Was lesen wir hier ?
Mil. 3.2.6. Keine Seele
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Der König sprach: "Gibt es wohl, ehrwürdiger Nágasena, ein erkennendes Seelenwesen (vedagu)?"
"Im höchsten Sinne, o König, gibt es kein erkennendes Seelenwesen."
"Klug bist du, ehrwürdiger Nágasena!"
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Unter Seele verstehe ich ebenfalls ein "erkennendes Seelenwesen".
Ich darf hinzufügen, eine Seele welche den Tod überdauert.

Wie verstehst Du das?

Gruß Willibald
 
Original geschrieben von Kvatar
Hi Astroharry,

ich verstehe Deinen Einwand. Die Klamotte mit "atta" und "Nibbana" ist ziemlich kompliziert :)

Also:

Der König sprach: "Gibt es wohl ehrwürdiger Nágasena, irgend ein Wesen, das beim Tode von dem einen Körper in einen anderen Körper hinüberwandert?"
"Nein, o König."

Also: Ein Wesen oder getrennte Existens im Sinne von "ICH" (Seele, Geist....) oder sonstwas gibt es nicht, obwohl wir es so wahrnehmen, als ob es sie gäbe (atta). Aber dennoch wird etwas weitergegeben, das ist korrekt: es handelt sich um "anatta".

Im Buddhismus geht es darum, Atta zu überschreiten und dieses "Anatta" (Nicht-Selbst) unmittelbar zu erfahren - und zwar schon zu Lebzeiten ! Es ist der Zustand, der im Zen "Satori" genannt wird oder den Buddha als "Nibbana" (Leerheit im Sinne von "leer von ICH und MEIN") oder "Raum".


In Satori erkennst Du, dass alle Dinge frei von "Ich" sind. Folglich gibt es auch kein "Du" oder "Es", von dem Du noch getrennt bist. Du erkennst die Verbundenheit aller Dinge und bist zudem mit allem verbunden. Im Zen gibt es viele Künste, zB Bogenschiessen, die auf dieses Erlebnis gründen. Indem der Bogenschütze sich selbst vergisst und sein Tun meditiert, verschwindet das "Ich", das die tat tut. Folglich tut die Tat sich selbst. Der Pfeil löst sich im richtigen Augenblick vom Bogen und trifft die Scheibe, auch wenn die Augen des Schützen verbunden sind. Schütze, Bogen, Pfeil und Scheibe sind EINS, und der Pfeil kann die Scheibe nicht verfehlen.


Darum rate ich allen: klammert Euch nicht an euren Körper oder euren "Geist", den ihr zu haben wähnt und wiederzubekommen hofft, wenn ihr eines Tages sterben müsst. Ihr habt etwas viel Besseres, aber das will erkämpft werden !


Viele Grüsse,
Kvatar
 
vielen Dank, das habe ich verstanden.
Ich möchte aber jetzt versuchen eine Bogen zu spannen.

Könnte es sein, dass das Christentum dasselbe meint, wenn von Christus die Rede ist?

"Niemand fährt gen Himmel, denn der Sohn, der vom Vater gesandt wurde."

Wenn wir nun Anatta mit Sohn(Christus) gleichsetzen, dann hätten wir beide Religionen versöhnt.

Jesus war ein Christus und Gautama war ein Buddha. Buddhaschaft und Christus-Bewußtsein ist dasselbe.

Die einen gehen den Weg durch Anbetung, um sich vom Ego-Ich (atta) zu befreien.
Die andern gehen den Weg durch Meditation und Unterscheidung(Analyse).

Und sagt Platon im Hölengleichnis nicht ebenfalls dasselbe?
Wir stehen am Eingang einer Höhle, hinter uns brennt ein Feuer. Dadurch wird ein Schatten auf die Höhlenwand Projiziert, den wir für unser Ich(atta) halten.
Wir Menschen oder wir Seelen, sind also in Wahrheit Schattenwesen(atta), Projektionen unserer eigenen Höheren Natur(Anatta).

Nur was nie geboren wurde kann nicht sterben.
Jesus starb, Christus nicht. Gautama starb Buddha nicht.

Gruß
Willibald
 
Und hier hab ich noch eine ZEN-Geschichte dazu:

Ein Universitätsstudent, der Gasan besuchte, fragte ihn: "Haben Sie jemals die christliche Bibel gelesen?" "Nein, lies sie mir vor", sagte Gasan. Der Student öffnete die Bibel und las aus dem Matthäus-Evangelium: "Und warum sorgt ihr euch um Kleidung? Betrachtet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht und spinnen nicht, und doch sage ich euch: Selbst Salomon in all seiner Pracht war nicht gekleidet wie eine von ihnen . . . Sorgt euch darum nicht ängstlich um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. " Gasan sagte: "Wer solche Worte aussprach, ist meiner Meinung nach ein erleuchteter Mensch." Der Student fuhr fort zu lesen: "Bittet, und es wird euch gegeben werden; suchet, und ihr werdet finden, klopfet an, und es wird euch aufgetan werden. Denn wer bittet, empfängt; wer suchet, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan werden." Gasan bemerkte: "Das ist ausgezeichnet. Wer das sagte, ist nicht fern der Buddhaschaft."

Klingt gut, gelle? Ich persönlich finde, dass die Institution "Kirche" die Lehre Christus (höchstwahrscheinlich) bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hat, so wie auch die Essenz des Buddhismus im Laufe der Zeit verlorenging und durch dogmatische Grundsätze ersetzt wurde. Aber - wir sind ja auf dem Weg !! ;)


Und noch eins obendrauf - Quelle www.palikanon.de

Mil. 2.3.6. Keine Seele im Innern


Der König sprach: «Gibt es wohl, o Herr, einen Wahrnehmer (vedagu)?»

«Was verstehst du unter diesem Wahrnehmer, o König?»

«Dieses Seelenwesen im Innern, o Herr, das mit dem Auge die Formen erblickt, mit dem Ohre die Töne vernimmt, mit der Nase die Düfte riecht, mit der Zunge die Säfte schmeckt, mit dem Körper die Tastobjekte tastet und mit dem Geiste die Geistobjekte wahrnimmt. Gerade nämlich wie wir, die wir hier in diesem Palaste sitzen, je nach Belieben durch irgend eines der Fenster blicken können - sei's durchs östliche, westliche, nördliche oder südliche - ebenso, o Herr, schaut dieses im Innern befindliche Seelenwesen je nach Belieben durch dieses oder jenes der Sinnestore.»

Der Ordensältere aber sprach: «Die fünf Sinnentore will ich dir erklären, o König. So höre denn und sei recht aufmerksam! Wenn es im Innern ein Seelenwesen gäbe, das durch das Auge die Formen erblickt gerade wie wir hier durch irgend eines der Fenster die Gegenstände erblicken - so müßte dieses Seelenwesen ebenfalls durch Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist die Formen erblicken können. Und es müßte imstande sein, durch jedes einzelne der Sinnestore ebenfalls Töne zu vernehmen, Düfte zu riechen, Säfte zu schmecken, Tastobjekte zu tasten und Geistobjekte wahrzunehmen.»

«Das kann es freilich nicht, o Herr.»

«Ja, o König, du verbindest eben nicht das Erstere mit dem Letzteren und das Letztere mit dem Ersteren! Gerade wie wir, o König, die wir hier in diesem Palaste sitzen, wenn wir die Fenster öffnen, bei vollem Tageslichte die Gegenstände da draußen deutlicher erkennen: ebenso auch müßte dieses im Innern befindliche Seelenwesen, wenn die fünf Sinnentore herausgenommen würden, bei vollem Tageslichte besser die Gegenstände wahrnehmen können.»

«Das kann es freilich nicht, o Herr.»

«Ja, o König, du verbindest eben nicht das Erstere mit dem Letzteren und das Letztere mit dem Ersteren! Wenn da zum Beispiel dieser Dinna hinausgehen und sich (vor die offene Tür) in die Vorhalle stellen möchte, wüßtest du da wohl, o König, daß dem so ist?»

«Freilich wüßte ich das, o Herr.»

«Und wenn nun dieser selbe Dinna, o König, wieder hereinkommen und sich vor dich stellen möchte, wüßtest du da wohl ebenfalls, daß dem so ist?»

«Freilich, o Herr.»

«Wenn man nun, o König, einen geschmackbesitzenden Gegenstand auf die Zunge legen sollte, wüßte da wohl jenes im Innern befindliche Seelenwesen, ob derselbe sauer, salzig, bitter, scharf, herb oder süß ist?»

«Ja, o Herr, das wüßte es.»

«Wenn nun aber jener Gegenstand sich im Magen befinden möchte, könnte da wohl jenes Seelenwesen seinen Geschmack erkennen?»

(Der Geschmack, als rein subjektive Empfindung, ist bedingt durch Einwirkung einer stofflichen Lösung auf die Endorgane der Geschmacksnerven, ohne daß etwa bei diesem Vorgange irgend ein im Körper hausendes Ich-Wesen beteiligt wäre, das vermittelst des Schmeckorganes den Geschmack empfindet. Man sagt zwar «Ich schmecke», doch ist es in Wirklichkeit kein «Ich», welches schmeckt - ein «Ich» gibt es als etwas beständiges überhaupt nicht - sondern eben ein bloßes Schmecken findet statt. Bloße momentane Sinnesempfindungen und damit gleichzeitig entstehende und vergehende geistige Elemente, wie Gefühl, Wahrnehmung, Wille usw. sind anzutreffen aber keine Wesenheit, keine Person, kein Ich, das etwa der Besitzer derselben wäre, oder ihr Ausübender.)

«Das freilich nicht, o Herr.»

«Ja, o König, du verbindest eben nicht das Erstere mit dem Letzteren und das Letztere mit dem Ersteren. Nimm an, o König, ein Mann brächte hundert Töpfe voll Honig und füllte denselben in ein Faß. Darauf bände er einem anderen den Mund zu und steckte ihn in dieses Faß voll Honig. Könnte da wohl jener andere erkennen, ob diese Masse süß ist oder nicht?»

«Gewiß nicht, o Herr.»

«Und warum nicht?»

«Weil ja gar kein Honig in seinen Mund eingedrungen ist.»

«Ja, o König, du verbindest eben nicht das Erstere mit dem Letzteren und das Letztere mit dem Ersteren.»

«Ich bin außerstande, mit einem solchen Gegner wie dir zu diskutieren. So erkläre mir denn, bitte, die Sache!»

Und der Ordensältere unterwies den König Milinda in einer mit der höheren Lehre (abhidhamma) verbundenen Darstellung, indem er sprach: «Die Entstehung des Sehbewußtseins, o König, ist durch das Sehorgan und die Formen bedingt. Und die gleichzeitig damit entstehenden Erscheinungen, wie Sinneneindruck, Gefühl, Wahrnehmung, Wille, Sammlung, Lebenskraft und Aufmerksamkeit,( Dies sind, dem Abhidhamma zufolge, die sieben jedem Bewußtsein gemeinsamen Geistesfaktoren (cetasika)) entstehen in Abhängigkeit davon. Und genau so verhält es sich mit den übrigen Sinnen. Ein erkennendes Seelenwesen aber ist da nicht anzutreffen.»

«Klug bist du, ehrwürdiger Nágasena!»


Gruß,
Kvatar
 
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Mooooment !

Gautama wurde nie als Person geboren. Als er das begriffen und sein Selbstbild abgelegt hatte gab es die Figur de facto nicht mehr. Er ist sozusagen gestorben, ohne jemals wirklich gelebt zu haben ;)


Schwierig, gelle? :D


Und als Tribut an die Lesespannung noch eine kleine ZEN-Geschichte:

Der Zen-Meister Ikkyu besuchte Ninakawa, gerade bevor dieser starb. "Soll ich dich führen?" fragte Ikkyu. Ninakawa antwortete: "Ich bin allein hierher gekommen und werde allein gehen. Welche Hilfe könntest du für mich sein?" 58 Ikkyu antwortete: "Wenn du glaubst, daß du tatsächlich kommst und gehst, so ist das deine Täuschung. Laß mich dir den Pfad zeigen, auf dem es kein Kommen und Gehen gibt." Mit diesen Worten hatte Ikkyu den Pfad so deutlich gewiesen, daß Ninakawa lächelte und starb.


Ohne "Gehen" stirbt es sich doch gleich vieeel angenehmer, woll ? :D
 
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