Rottenführer der Psychoszene
Von Colin Goldner
Bert Hellinger gilt als mit Abstand populärster Psycho-Guru der Jetztzeit. Und das, gleichwohl sein Verfahren des "Familienaufstellens" längst als therapeutisch völlig unbrauchbar ausgewiesen ist. Der Grund für die enorme Akzeptanz Hellingers liegt in der erzreaktionären und damit zeitgeistkompatiblen Ausrichtung des Glaubenssystems, das hinter seinem Ansatz steht: Zurück hinter alles, was die Frauenbewegung erkämpft hat, hinter `68, die bürgerlichen Errungenschaften des 19. und 18. Jahrhunderts, Humanismus und Aufklärung - zurück zu alttestamentarischmosaischen Welt- und Werteordnungen, in denen patriarchale Sippen- und Familienhierarchien noch unhinterfragt Geltung hatten.
Die radikale Rückwärtsgewandtheit Hellingers bringt sich auf den Begriff in seiner besonderen Affinität zu Adolf Hitler. In seinem 2004 bei "Kösel" erschienenen Buch "Gottesgedanken", auf dessen Cover bezeichnenderweise das SS-Symbol der "Schwarzen Sonne" zu sehen ist, lässt Hellinger sich zunächst zu einschlägig verquasten Begriffen wie Vorsehung, Schuld, Demut und Hingabe aus, wie auch zu tiefstem Verlangen, Selbsterkenntnis und Tod. In einem eigenen Kapitel spricht er in lyrisch gestelzten Worten seinen Seelenfreund Hitler direkt an: "Manche betrachten dich als einen Unmenschen, als ob es je jemanden gegeben hätte, den man so nennen darf." Und: "Wenn ich dich achte, achte ich auch mich. Wenn ich dich verabscheue, verabscheue ich auch mich. Darf ich dich dann lieben? Muss ich dich vielleicht lieben, weil ich sonst auch mich nicht lieben darf?" Es passen diese Auslassungen zu früheren Versuchen Hellingers, die Mörder in Wehrmachtsuniform, die SS-Schergen, die Drahtzieher und Profiteure des Nazi- Regimes grundsätzlich von jeder Schuld freizusprechen: "Philosophisch oder theologisch gesehen ist es nicht denkbar, dass jemand durch sein Verhalten aus der Ordnung herausfällt. Der Einzelne kann sich seine Rolle nicht aussuchen, und im Gesamten ist sein Verhalten sinnvoll." Auch Mengele, Heydrich, Eichmann? Ja, im Gesamten sei auch deren Verhalten sinnvoll: "Wir wären in Europa weit zurück, wenn das alles nicht geschehen wäre." Insbesondere für Hitler findet Hellinger Worte der Entlastung: "Wenn ich bekenne, dass du ein Mensch warst, wie ich es bin, dann schaue ich auf etwas, das über uns beide in gleicher Weise verfügt, auf etwas, das sowohl deine wie meine Ursache ist - und unser Ende. Wie dürfte ich mich von dieser Ursache ausschließen, indem ich dich ausschließe? Wie dürfte ich diese Ursache anklagen und mich so über sie erheben, indem ich dich anklage?" Denn: "Du stehst und fällst der gleichen Ursache wie ich. Ich verehre sie in dir wie in mir und unterwerfe mich ihr in allem, was sie in dir bewirkt hat und was sie sowohl in mir und als auch in jedem anderen Menschen bewirkt". Den Widerstandskampf der "Weißen Rose" dagegen tut Hellinger verächtlich ab: "Die haben Glück gehabt, dass das Regime zusammengebrochen ist. Jetzt sind sie die großen Helden. Hätten die Nazis gesiegt, wären sie die Verbrecher geblieben. Das ist der ganze Unterschied von Gut und Böse". Als wolle er letzte Zweifel an seiner Gesinnung ausräumen, bezog Hellinger unlängst die ehemalige "Kleine Reichskanzlei" der Nazis in Berchtesgaden, die während der Aufenthalte Hitlers auf dem Obersalzberg als politische Zentrale des Verbrecherregimes gedient hatte. Hitler selbst hatte den riesigen Kasten 1936 im sogenannten "Heimatstil" errichten lassen. Nach dem Krieg wurde er von der US-Army genutzt und fiel Mitte der 1990er an die BRD als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches zurück. Sogar der Nazi-Reichsadler prangt noch über dem Portal.
Der Einzug Hellingers in die Nazi-Kanzlei passt wie die Faust auf' s Auge: ein symbolträchtigeres Hauptquartier der Szene hätte er schlechterdings nicht auswählen können. "Matrix 3000" Es passt ins Bild, dass Hellinger sich nicht scheut, selbst in abgründigsten Magazinen der rechten Esoterikszene zu publizieren. Er ist u.a. als Autor des Vierteljahresheftes "Matrix3000" tätig, dessen Herausgeber Ulrich Heerd Mitte der 1990er bundesweite Bekanntheit erlangte durch den Vertrieb der beiden Bände "Geheimgesellschaften", die der Heilbronner Autor Jan Udo Holey unter dem Pseudonym Jan van Helsing veröffentlicht hatte. Unter ausdrücklich esoterischen Vorzeichen wird in diesen Bänden rassistische und vor allem antisemitische Hetzpropaganda betrieben: Holey leugnet den Holocaust, gibt die Schuld am Zweiten Weltkrieg den Juden und beschreibt die vorgebliche Absicht des "Judentums", die Weltherrschaft an sich zu reißen.