Alle magischen Systeme könnten Betrug sein

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Silber

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Geht man nach einer selten besprochenen, aber gut begründeten und nicht allzu umstrittenen Theorie des (materialistischen) Psychologen Julian Jaynes, entstand das menschliche Bewusstsein in der Form, wie wir es kennen, erst um ca. 2000 v. Chr.

Vorher war die menschliche Psyche bikameral strukturiert: Der Mensch, seiner selbst unbewusst und ohne jede Illusion eines freien Willens, war der Untertan körperloser und scheinbar göttlicher Stimmen, die aus der rechten Hirnhälfte kamen und ihm, wann immer ihm etwas Ungewohntes widerfuhr, Befehle erteilten. Er war im Grunde ein schizophrener Affe - bis zu dem Tag, als die Schlange erschien und ihm riet, sich den Göttern zu widersetzen.

Jener Zustand der sowohl totalen Unfreiheit als auch totalen Geborgenheit ist es, der uns heute romantisiert als Paradies verkauft wird, als Zeit, da die Götter unter den Menschen wandelten und die Tore zwischen den Welten weit offen standen. Er ist es auch, der noch heute die Gesetze bestimmt, nach denen die Menschen, die mit Göttern/Geistern/Dämonen/Engeln usw. arbeiten, sich richten zu müssen glauben, denn was auch immer genau in ihnen vorgehen mag, kommunizieren sie doch immer wieder mit unseren ehemaligen Sklavenhaltern, die zu allem Überfluss nicht einmal wirklich über uns stehen, sondern alle unsere Schwächen und Mängel teilen - wie die Pantheons der vorchristlichen Ära sämtlich untermauern.

So gesehen wäre jede Form von Magie, die nicht bewusst ihre eigenen Regeln bricht, eine Form von unbewusster Theurgie, die zwar das, was wir ohnehin sind, stärker betonen, aber niemals darüber hinausführen kann, und der vielgepriesene "wahre Wille", dem man sich zu fügen habe, nur das Wollen eines längst überkommenen primitiven Zustandes und damit alles andere als heilig. (Man könnte einwenden, der wahre Wille sei etwas völlig anderes, aber dann wiederum bezog sich nicht nur Crowley ausdrücklich auf das alte Ägypten.)

Was dem auf Weiterentwicklung zielenden Magier richtig und gesund erscheint, wäre in seinem Sinne genau falsch, und jede darauf basierende Magie eigentlich praktizierte Religion. Stattdessen gälte das Sacha Baron Cohen zugeschriebene Bonmot, dass man genau wie in Videospielen den richtigen Weg daran erkenne, dass er voller Gegner sei. Der magische Weg wäre dementsprechend entweder furchtbar oder nichtig - und der einzige einigermaßen vertrauenswürdige Geist der Trickster, der ohne erkennbaren Anlass allem und jedem zuwiderhandelt.

Gedanken dazu? Wenn nicht, ist auch nicht so schlimm. Mir war gerade nur langweilig.
 
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Das klingt für mich so wie

"ein Hammer könnte Betrug sein, es ist gar kein Werkzeug, man kann damit keine Nägel rein schlagen ..."

Natürlich kann das sein.
Wir können uns immer irren.

Aber für mich scheint es nun mal zu funktionieren.
Ein Hammer, ein Nagel, und beim richtigen Gebrauch wird der Nagel im Holz befestigt.
Es passiert etwas nützliches (für mich), das Werkzeug funktioniert (für mich).
Mein Wille wird durch ein Werkzeug manifestiert (für mich).
Insofern finde ich es gut.

Auch wenn es nur so scheint ...
 
entstand das menschliche Bewusstsein in der Form, wie wir es kennen, erst um ca. 2000 v. Chr.....

Vorher war die menschliche Psyche bikameral strukturiert: Der Mensch, seiner selbst unbewusst und ohne jede Illusion eines freien Willens,

Ja...
Höhlenmalereien und einige Funde aus der Jungsteinzeit, widerlegen das aber.
 
Höhlenmalereien und einige Funde aus der Jungsteinzeit, widerlegen das aber.
Nicht dass ich etwas dagegen hätte, denn bis ich auf Jaynes stieß, hatte ich mir das auch romantischer vorgestellt.

Allerdings stuft selbst Wikipedia, wo man sich üblicherweise strikt nach den Überzeugungen des wissenschaftlichen Mainstreams orientiert, die Theorie nur als kontrovers ein. Die einzige mir bekannte Quelle, die sie bisher pauschal als widerlegt bezeichnet hat, ist ein radikal idealistischer Podcast mit Schwerpunkt Forteana. Ginge ich nach dir, müsste Jaynes ähnlich herablassend besprochen werden wie Sheldrake oder Velikovsky.

Auch ohne bikamerale Psyche könnte man von einer Tyrannei der Götter und Geister sprechen, nur sähen die Aussichten dann rosiger aus, da man die Phase der Trennung als Emanzipation des Willens und Vorstufe einer Wiedervereinigung unter geänderten Machtverhältnissen deuten könnte. Auch in diesem Fall wäre es von Vorteil, Regeln zu brechen, allerdings nicht mehr so fatal, sie zu befolgen, da keine totale Sklaverei drohte. In diesem Fall könnte ich mich wieder flammenden Herzens zu Fen'Harel bekennen, der mir zuletzt doch etwas verdächtig vorgekommen ist.
 
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Das klingt für mich so wie

"ein Hammer könnte Betrug sein, es ist gar kein Werkzeug, man kann damit keine Nägel rein schlagen ..."

Natürlich kann das sein.
Wir können uns immer irren.

Aber für mich scheint es nun mal zu funktionieren.
Ein Hammer, ein Nagel, und beim richtigen Gebrauch wird der Nagel im Holz befestigt.
Es passiert etwas nützliches (für mich), das Werkzeug funktioniert (für mich).
Mein Wille wird durch ein Werkzeug manifestiert (für mich).
Insofern finde ich es gut.

Auch wenn es nur so scheint ...
Bei mir geht es nicht um den Hammer und den Nagel, sondern, um beim Beispiel zu bleiben, um den Bauplan. (Auch etwas schief, aber nicht ganz so schief wie bei dir.) Wenn man Wert auf Fortschritt legt, dann nagelt man nicht immer wieder denselben Hocker zusammen, nur weil man darauf sitzen kann, sich das richtig anfühlt und man das schon immer so gemacht hat. Man weicht stattdessen z.B. vom Konzept der Sitzgelegenheit ab - je größer der Sprung werden soll, desto tiefer muss die Neubewertung ansetzen - und probiert aus, was sich mit Köpfchen, Hammer und Nagel noch so alles anstellen lässt.

Du willst einfach nur sitzen. Das ist völlig okay, aber in dem Fall bist du du hier eh nicht mitgemeint.
 
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Nicht dass ich etwas dagegen hätte, denn bis ich auf Jaynes stieß, hatte ich mir das auch romantischer vorgestellt.

Daran ist Nichts romantisches. Schonmal eine Siedlung aus dem Neolithikum ausgegraben?
Ich schon!

In den allermeisten Fällen, findet man nämlich nicht das was man sich erhofft, sondern das alltägliche. Das Dasein muss sehr anstrengend gewesen sein und mit unter auch nicht sehr lang.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Menschen "schizophrene Affen" waren. Sondern einfach Menschen die sich die Welt so erklären mussten wie sie war. Die Menschen waren sehr wohl reflektiert.

Sie werden sicher etwas religiöses gehabt haben. Denn das stärkt den Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe. Das war überlebenswichtig.

In diesem Fall könnte ich mich wieder flammenden Herzens zu Fen'Harel bekennen, der mir zuletzt doch etwas verdächtig vorgekommen ist.

Dat ist ein fiktives Spiel....
 
Geht man nach einer selten besprochenen, aber gut begründeten und nicht allzu umstrittenen Theorie des (materialistischen) Psychologen Julian Jaynes, entstand das menschliche Bewusstsein in der Form, wie wir es kennen, erst um ca. 2000 v. Chr.

Vorher war die menschliche Psyche bikameral strukturiert: Der Mensch, seiner selbst unbewusst und ohne jede Illusion eines freien Willens, war der Untertan körperloser und scheinbar göttlicher Stimmen, die aus der rechten Hirnhälfte kamen und ihm, wann immer ihm etwas Ungewohntes widerfuhr, Befehle erteilten. Er war im Grunde ein schizophrener Affe - bis zu dem Tag, als die Schlange erschien und ihm riet, sich den Göttern zu widersetzen.

Jener Zustand der sowohl totalen Unfreiheit als auch totalen Geborgenheit ist es, der uns heute romantisiert als Paradies verkauft wird, als Zeit, da die Götter unter den Menschen wandelten und die Tore zwischen den Welten weit offen standen. Er ist es auch, der noch heute die Gesetze bestimmt, nach denen die Menschen, die mit Göttern/Geistern/Dämonen/Engeln usw. arbeiten, sich richten zu müssen glauben, denn was auch immer genau in ihnen vorgehen mag, kommunizieren sie doch immer wieder mit unseren ehemaligen Sklavenhaltern, die zu allem Überfluss nicht einmal wirklich über uns stehen, sondern alle unsere Schwächen und Mängel teilen - wie die Pantheons der vorchristlichen Ära sämtlich untermauern.

So gesehen wäre jede Form von Magie, die nicht bewusst ihre eigenen Regeln bricht, eine Form von unbewusster Theurgie, die zwar das, was wir ohnehin sind, stärker betonen, aber niemals darüber hinausführen kann, und der vielgepriesene "wahre Wille", dem man sich zu fügen habe, nur das Wollen eines längst überkommenen primitiven Zustandes und damit alles andere als heilig. (Man könnte einwenden, der wahre Wille sei etwas völlig anderes, aber dann wiederum bezog sich nicht nur Crowley ausdrücklich auf das alte Ägypten.)

Was dem auf Weiterentwicklung zielenden Magier richtig und gesund erscheint, wäre in seinem Sinne genau falsch, und jede darauf basierende Magie eigentlich praktizierte Religion. Stattdessen gälte das Sacha Baron Cohen zugeschriebene Bonmot, dass man genau wie in Videospielen den richtigen Weg daran erkenne, dass er voller Gegner sei. Der magische Weg wäre dementsprechend entweder furchtbar oder nichtig - und der einzige einigermaßen vertrauenswürdige Geist der Trickster, der ohne erkennbaren Anlass allem und jedem zuwiderhandelt.

Gedanken dazu? Wenn nicht, ist auch nicht so schlimm. Mir war gerade nur langweilig.
Richtig oder Nichtig... Zu wenig Vielfalt, das wäre zu einfach, so funktioniert es auch nicht. Der Fehler liegt also schon in der Frage und hier ist das Problem es nicht zu erkennen, weil dadurch auch niemals eine Antwort entstehen kann die uns weiter sehen lässt.
 
Geht man nach einer selten besprochenen, aber gut begründeten und nicht allzu umstrittenen Theorie des (materialistischen) Psychologen Julian Jaynes, entstand das menschliche Bewusstsein in der Form, wie wir es kennen, erst um ca. 2000 v. Chr.
Behaupten kann man sowas sicher, und es kann auch keiner widerlegen, da keiner heutzutage sagen kann, wie die Menschen vor über 2000 Jahren dachten.
 
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Vorher war die menschliche Psyche bikameral strukturiert: Der Mensch, seiner selbst unbewusst und ohne jede Illusion eines freien Willens, war der Untertan körperloser und scheinbar göttlicher Stimmen, die aus der rechten Hirnhälfte kamen und ihm, wann immer ihm etwas Ungewohntes widerfuhr, Befehle erteilten. Er war im Grunde ein schizophrener Affe - bis zu dem Tag, als die Schlange erschien und ihm riet, sich den Göttern zu widersetzen.

Sind wir docch heute auch noch. Ausserdem wird bikamerales Denken ziemlich überschätz und rührt von einer masslosen Überschätzung des Ich -Erzählers her.

So gesehen wäre jede Form von Magie, die nicht bewusst ihre eigenen Regeln bricht, eine Form von unbewusster Theurgie,
na klar

(Man könnte einwenden, der wahre Wille sei etwas völlig anderes, aber dann wiederum bezog sich nicht nur Crowley ausdrücklich auf das alte Ägypten.)
Und was wäre da der Einwand?
 
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